Die Bundeszentrale für politische Bildung startet mit dem Projekt „Youtuber wollen den Islam erklären“ ein neues Präventionskonzept. Ein kritischer Kommentar dazu von dem Juristen Murat Kayman.
Die Bundeszentrale für Politische Bildung (bpb) möchte mithilfe dreier Youtuber „den Islam erklären“. Dieses Vorhaben verursacht große Skepsis. Es ist dem ersten Eindruck nach ein weiteres Glied in der Kette, der seit längerer Zeit auch von anderen Akteuren betriebenen Praxis, den Islam ohne den Beitrag der islamischen Religionsgemeinschaften verstehen und erklären zu wollen.
Das heißt, es wird ein Islam als idealtypisch imaginiert, der möglichst frei ist vom Einfluss praktizierender und organisierter Muslime. Wie auch in anderen Bereichen der gesellschaftlichen und/oder staatlichen Interaktion beim Thema Islam sind Muslime, zumal jene, die sich in den etablierten Religionsgemeinschaften organisieren, immer häufiger nur Gegenstand der Betrachtung, Bezugspunkt des Handelns und damit nur Kundschaft, oft nur Zielgruppe, jedoch kaum Partner und mitverantwortlich für Inhalte.
Vor diesem Hintergrund muss man auch wissen, dass die Bundeszentrale für Politische Bildung, anders als landläufig oft assoziiert, keine neutrale Bildungseinrichtung ist. Die bpb ist eine nachgeordnete Behörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Inneren. Sie wurde Anfang der 50er Jahre als „Bundeszentrale für Heimatdienst“ gegründet und hatte die Erziehung zur Demokratie zur Aufgabe.
Das ist nichts Verwerfliches. Im Gegenteil zeigen die jüngsten Ereignisse in Heidenau, dass diese Aufgabe nicht nur mit Blick auf Muslime immer noch aktuell und wichtig ist. Und man würde sich wünschen, dass die bpb auf diesem Feld aktiver zu Werke gehen würde. Wie gesagt, ist diese Prädisposition der bpb kein Makel. Man sollte diese Hintergründe aber kennen, wenn man ihr Engagement bei dem Thema Islam bewertet.
Es wäre nachvollziehbar, wenn die bpb „über den Islam informieren“ würde. Aber nein, sie will „den Islam erklären“. Dabei will sie „Theologie-Experten auf den Zahn fühlen“. Die präsentierten Interviewer sind dabei frei von jeglicher tiefergehenden islamischen Bildung oder Prägung, so dass letztlich wieder nur ein Selbstgespräch der bpb mit Vertretern der theologischen Standorte zu erwarten ist. Die Interviewer werden somit zwangsläufig zu Stichwortgebern, welche die bekannten talking points der Islam-Debatte reproduzieren werden.
Ebenso werden die Interviewer aufgrund der mangelnden Kenntnisse zum und über den Islam nicht in der Lage sein, die Antworten ihrer Interviewpartner durch kritische Fragen intensiver herauszuarbeiten oder prägnante Äußerungen weiter zu entfalten. Oder auch zu widersprechen, wenn diese vielleicht Unsinn erzählen. Letztlich wird ein solches „Auf-den-Zahn-Fühlen“ wohl eher so wirken, wie ein Autofahrer, der die Motorhaube öffnet und sich vermeintlich fachkundig über den Motorblock beugt, aber in Wirklichkeit keine Ahnung hat, was da eigentlich klappert.
Das erstrebte Ziel – präventiv auf junge Muslime einzuwirken – ist sicher löblich, wird jedoch mit diesen Mitteln wohl eher nicht zu erreichen sein. Man stelle sich nur einen Dialog zwischen den betroffenen Jugendlichen vor: „Du, der Islam will Frieden und ist gegen IS“ – „Woher willst Du das denn wissen?“ – „LeFloid hat’s mir erklärt.“ Ob das sehr überzeugend auf Jugendliche wirkt, die sich von radikalen Inhalten angezogen fühlen, ist zumindest fraglich.
Wenn man mit diesem Projekt tatsächlich die Frage aufwerfen will, wie man „Anhänger der Religion besser in unsere Gesellschaft integrieren“ will, sollte man vielleicht damit anfangen, auf die etablierten islamischen Religionsgemeinschaften zu hören und sie einzubinden. Einen Kontakt der bpb zu den islamischen Religionsgemeinschaften, scheint es jedoch nicht gegeben zu haben. Es ist eher zu vermuten, dass ganz bewusst ohne die islamischen Religionsgemeinschaften gearbeitet wird, schließlich werden diese ja seit längerer Zeit diskursiv als „konservativ“ markiert, was heißen soll, dass sie als untauglich für gesellschaftliche Debatten betrachtet werden.
Da diese auf verschiedensten Ebenen perpetuierte Betrachtungsweise gegenwärtig argumentativ kaum zu durchbrechen ist, muss man die bpb und alle ähnlich orientierten Akteure wohl ihre Fehler machen lassen. Nachdem diese Ansätze im Sande verlaufen, wird man sich vielleicht daran erinnern, dass es ja islamische Religionsgemeinschaften gibt, die vielleicht doch eingebunden werden sollten, wenn man „den Islam erklären“ will.
Wirksam kann dieses Format allerdings sein, wenn es die Neugier nichtmuslimischer Zuschauer auf den Islam weckt, Fragen beantwortet, die sich Nichtmuslimen bei diesem Thema stellen und damit vielleicht einen Impuls setzt, sich mit Muslimen auszutauschen und sich mit ihnen über ihren Glauben zu unterhalten. Auch wenn man sich die Frage stellen mag, ob es ein konstruktiver Ansatz ist, sich einer als fremd wahrgenommenen Religion problemorientiert zu nähern und somit auch die Betrachtungsweise vorzubestimmen, kann ein solcher Ansatz durchaus Hemmschwellen abbauen und nichtmuslimische Jugendliche vielleicht dazu motivieren, sich ihren muslimischen Altersgenossen offener und dialogbereiter zu nähern.
Das wäre eine vielleicht von der bpb nicht vorrangig intendierte Wirkung dieses Formats aber angesichts der zunehmenden Islamfeindlichkeit in unserer Gesellschaft durchaus eine sinnvolle Erziehung zur Demokratie. Denn präventive Arbeit tut nicht nur muslimischen Jugendlichen gut.