Flüchtlingsdrama

„Niemand kann verlangen, dass Ungarn sich ändert“

Viktor Orban steht für seinen harten Kurs in der Flüchtlingskrise massiv in der Kritik. Er lässt nicht locker: Er könne keine Verantwortung dafür übernehmen, was mit den Migranten unterwegs passiere, sagt er – und wettert wieder gegen Muslime.

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2015
Bahnhof Keleti, Budapest. 3.September 2015: Flüchtlinge schlafen im Atrium des Bahnhofsvorplatzes. © Michael Gubi auf flickr, bearbeitet by IslamiQ.

Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban hat erneut deutlich gemacht, dass er gegen die Einwanderung von Muslimen ist. „Niemand kann verlangen, dass Ungarn sich ändert“, sagte Orban am Montag in Budapest in einer Rede bei der Jahresversammlung ungarischer Diplomaten. Er sei gegen eine Änderung der kulturellen und ethnischen Zusammensetzung der Bewohner Ungarns aufgrund äußerer Einwirkungen.

Ungarn vertrete keinen „anti-islamischen“ Standpunkt und wünsche nicht, dass das Einwanderungsproblem die Beziehungen zu Staaten islamischer Kultur beeinträchtige, sagte Orban. Die derzeit im Land lebende muslimische Gemeinschaft werde geschätzt. „Jawohl, wir freuen uns darüber, dass es an unseren Boulevards Kebab-Buden gibt“, fügte der Regierungschef hinzu.

Am Wochenende hatte sich die Lage für die Flüchtlinge in Ungarn zugespitzt. Am Budapester Ostbahnhof hatten Tausende Migranten tagelang kampiert, viele hatten sich zu Fuß in Richtung österreichische Grenze aufgemacht. Daraufhin hatten Kanzlerin Merkel und ihr österreichischer Kollege Werner Faymann am Freitagabend in Absprache mit der ungarischen Regierung eine Ausnahmeregelung vereinbart. Demnach durften die Flüchtlinge ohne bürokratische Hürden und Kontrollen einreisen.

Am Montagmorgen wurden in Ungarn fast 1000 neue Flüchtlinge aufgegriffen, wie die Polizei nach Angaben der staatlichen ungarischen Nachrichtenagentur MTI erklärte. Am Sonntag kamen 2203 weitere Menschen aus Serbien – mehr als doppelt so viele wie am Vortag. Der Spitzen-Tageswert lag eine Woche zuvor bei gut 3300.

Die Menschen aus den islamischen Krisengebieten würden nicht aus Sorge um ihre Sicherheit nach Westeuropa fliehen, schließlich würden sie bereits in der Türkei, Griechenland, Mazedonien und Serbien nicht mehr bedroht, sagte Orban. Die Flüchtlinge kämen, weil sie sich das Leben in Deutschland ausgesucht hätten. Aus „moralischen Gründen“ rufe er die Migranten auf, nicht mehr über Ungarn nach Europa zu reisen, denn er könne keine Verantwortung dafür übernehmen, was mit ihnen unterwegs geschehe.

Ungarn müsse die Schengen-Außengrenze verteidigen, sagte Orban. Deshalb sei der Zaun an der Grenze zu Serbien notwendig. Konflikte müssten dort gelöst werden, wo sie stattfinden. Die EU habe keinen Krisenplan. Über Verteilungsquoten könne man erst reden, wenn man die Gründe zur Flucht beseitigt habe.

Am Sonntagabend hatte er Deutschland und Österreich aufgefordert, klar zu sagen, dass keine weiteren Flüchtlinge mehr aufgenommen werden. Ansonsten würden weiterhin „mehrere Millionen“ Menschen nach Europa kommen, erklärte Orban einer Meldung der österreichischen Nachrichtenagentur APA zufolge im ORF-Fernsehen. Er kritisierte demnach, die Einreise in die EU ohne Papiere entspreche nicht den Regeln, trotzdem habe Österreich die Migranten ungehindert einreisen lassen.

Die EU ist zerstritten und ringt um Lösungen in der Flüchtlingsfrage: In der Debatte über eine gerechtere Verteilung von Flüchtlingen hatte es am Wochenende auch bei einem EU-Außenministertreffen in Luxemburg kaum Fortschritte gegeben. Vor allem osteuropäische EU-Mitgliedsländer wehren sich gegen verbindliche Regeln. (dpa, iQ)

Leserkommentare

Andreas sagt:
Keine Frage, die Syrer, denen es gelungen ist, in die Türkei zu fliehen, sind dort sicher. Klar ist aber auch, dass die Türkei (und die anderen Nachbarn Syriens) die Last der Flüchtlinge auf Dauer nicht werden tragen können. Die EU wird sich auf lange Sicht nicht weiter zurücklehnen können mit dem Argument, die Flüchtlinge kämen aus sicheren Ländern zu uns. Letzlich müssen alle Staaten der Weltgemeinschaft die Flüchtlinge gemeinsam schultern. Das kann aber nicht nur bedeuten, dass die EU den Nachbarländern Syriens Geld und Helfer schickt und die Flüchtlinge gefälligst dort bleiben sollen. Europa muß in gleichem Maße Flüchtlinge aufnehmen, wie die Nachbarn Syriens. Letzlich werden wir unseren Wohlstand mit den Ärmsten der Welt teilen müssen.
08.09.15
13:48