FEMEN-Aktivistinnen haben in Frankreich die Bühne einer islamischen Veranstaltung gestürmt. Dr. Milena Rampoldi schreibt über den Protest der FEMEN-Aktivistinnen und was sie von dem Frauenbild im Islam lernen können.
Der Zwischenfall, der sich am letzten Samstag, in Pontoise, im Norden von Paris während eines muslimischen Kongresses über Frauenrechte abspielte, ist vielen bereits aus den Medien bekannt. Zwei arabische Aktivistinnen von FEMEN, die sich Jihadistinnen nennen, die auf einer Sklavereiparty auftreten, sprangen auf die Bühne zogen sich aus, um Slogans wie „Ich bin mein eigener Prophet“ oder „keiner wagt es, mich zu unterdrücken“ auf ihrer nackten Haut zu zeigen. Sie schlugen dabei die beiden Redner fast in die Flucht, bevor sie von den Sicherheitskräften abgeführt wurden. Dieser 30-Sekunden-Vorfall beweist meiner Meinung nach, wie wenig der extremistische, westliche Feminismus den muslimischen Frauen heute wie damals zu bieten und vor allem zu sagen hat. Und dies weil der islamische Feminismus solcher „Inputs“ gar nicht bedarf, weil er schon bei der Umsetzung der Frauenrechte ist und nicht im Dunkeln tappt, um sie zu suchen oder herbeizuschwören wie nach dem Slogan von FEMEN „Women’s spring is coming…“.
Die muslimischen Frauenrechte gibt es schon seit 1400 Jahren, seit der Befreiung der Frau durch die damals wie heute so revolutionäre islamische Weltanschauung. Auf der Seite von FEMEN heißt es, dass der Frühling der Frauen am Kommen ist. Dieser Slogan beweist für mich ganz klar, dass FEMEN die Errungenschaften der Frauen in der Geschichte gar nicht würdigt, weder die islamischen noch die westlichen Frauenrechte. Denn sei im Westen als auch im Islam gibt es Frauenrechte, obschon sie sich sehr verschiedenartig gestalten. Und diese sind sehr wohl vorhanden und auch historisch konsolidiert. Ich würde eher sagen, dass die wahre „Frauenphobie“ hingegen ihren Frühling erlebt.
Die muslimische Frau und ihr äußeres Erscheinungsbild, ihre Kleidung und ihre Rolle in der muslimischen Gesellschaft sind nämlich immer wieder das Ziel der ignorantesten Angriffe gegen die Würde der Muslime Religionsgemeinschaft als Ganze. Daher sollte man sich fragen, woran das liegt. Ich finde, man sollte sich hier vielschichtig mit dem Thema beschäftigen und verschiedene Erklärungsmodelle in den Diskurs einfließen lassen, um das Schachbrett zu überwinden, dem FEMEN in seiner vernunftlosen Blindheit immer wieder zum Opfer fällt.
FEMEN identifiziert ganz einfach den Islam mit dem islamophoben (misogynen) Diskurs über den Islam und klammert den Islam und die Frauen im Islam vollkommen aus. Die Frauen gelten als segregiert, als Opfer von Männergewalt und Ausgrenzung und kommen aber, im vollkommenen Widerspruch dazu, nur als Objekt dieser Segregation und somit stimmlos und unsichtbar im extremistisch-feministischen Diskurs des Westens vor, der nur in eine Richtung weist: und zwar gegen den wahren Feminismus, der die Frau als Subjekt und selbstbewusstes Geschöpf und nicht als Objekt des westlichen, islamfeindlichen Orientbildes sieht.
Frauenfeindlicher als FEMEN geht gar nicht: denn im Diskurs von FEMEN wird die muslimische Frau vollkommen gelöscht und ausradiert. Sie kommt gar nicht mal vor. FEMEN hält sich für die innovativste und mutigste Form der Emanzipation der Frau, indem sie die Frau objektiviert, ausradiert und in ihrer nackten Sexualität erblassen lässt. Wie der Kalif ‘Omar damals zu den Männern seiner Gesellschaft sprach, so sollte er heute vielleicht zu den Aktivistinnen von FEMEN sprechen: „Frauen sind nicht ein Kleid, das ihr tragt und auszieht, wie es euch passt. Sie sind würdevoll und haben ihre Rechte“.
FEMEN geht davon aus, dass die Frau nicht existiert und erst als Objekt des Diskurses von FEMEN überhaupt als Objekt gewaltsam und skandalös von AUSSEN emanzipiert werden könne, indem man ihr das Kleid vom Leibe reißt. Die Tatsache, dass sich Muslime treffen, um über die Missachtung der Rechte der Frau in der muslimischen Ehe, Familie und Gesellschaft zu sprechen, und über die Würde der Frau zu sprechen, die unantastbar und daher innerhalb der Ummah geschützt werden muss, beweist doch ganz klar, wie die Frau, im Gegensatz zum Diskurs von FEMEN, im Islam als emanzipiertes Individuum angesehen und geehrt wird. Wer dem Islam vorwirft, er würde die Frauenfeindlichkeit verherrlichen und zur Religion erheben, der kennt entweder die falschen Muslime oder nur den islamophoben Diskurs über den Islam. Gerade die Tatsache, dass sich Muslime den Frauenfeinden in ihren Reihen widersetzen, beweist, wie revolutionär der Islam gerade hinsichtlich der Frauenrechte ist.
Aber der Islam ist nicht feministisch im westlichen Sinne des Wortes, sondern baut seinen Feminismus auf den Grundlagen des Koran und der Sunna auf, indem er die Diversität der Frau und daher ihre Rechte als besondere Rechte in allen Bereichen betont, anstatt sie auf die Chancengleichheit mit den Männern zu reduzieren. Und darin liegt für mich das Zauberwort des islamischen Feminismus. Was FEMEN als „Sklaverei- und Sexismusparty“ und Frauenfeindlichkeit anprangert, gegen die man mit dem FEMEN-Jihad eingreifen muss, ist im Islam Emanzipation, Würde der Diversität der Frau und komplementäres und gleichzeitig partizipiertes Denken. Der westliche Feminismus bekämpft die muslimischen Frauen und streitet ihnen das Recht ab, sich islamisch mit ihrem Selbstbewusstsein und ihrer Würde und Freiheit als Frau auseinanderzusetzen. Sie möchten den Feminismus, der sich für sie erst in der Zukunft ihres Frühlings verwirklichen wird, nur für sich beanspruchen und verbannen die muslimische Weiblichkeit aus ihrer sexistischen Insel des nackten Feminismus, des Feminismus, der nur mit Entblößungsfreiheit zu tun hat und sonst keine sozio-politischen und philosophisch-ästhetischen Inhalte umfasst.
Ich möchte ein wichtiges Zitat von Zaynab al-Ghazali anführen, die uns erklärt, warum der islamische Feminismus die Aufgabe der muslimischen Frau in Zusammenarbeit mit den muslimischen Männern und somit eine Aufgabe der gesamten islamischen Gesellschaft sein sollte: „Wenn die Frauen die Schwestern der Männer sind, wie eine Überlieferung des Propheten nahelegt, so verfehlen die islamistische Auseinandersetzung mit der Frage des Unterschieds und auch die (säkulare) feministische Forderung nach einer geschlechtsspezifischen Beschäftigung der muslimischen Frauen das Ziel“.
Was den europäischen Feministinnen fehlt, ist genau die wegweisende Stärke der frauenfreundlichen, islamischen Weltanschauung: die Inklusion der Unterschiede und die gesamtgesellschaftliche und intrageschlechtliche Beschäftigung mit dem Thema. Und hier weist uns Zaynab al-Ghazali den Weg. Im Islam sind Frau und Mann nach Koran 4:1 aus derselben Seele (min nafsin wahidatin) erschaffen worden. Somit ist die Gleichheit der Geschlechter in der Schöpfungsgeschichte verankert und kann somit gar nicht in Frage gestellt werden. Der Diskurs des islamischen Feminismus geht einen Schritt weiter: er baut auf dieser Gleichheit die Diversität und die sozio-politische Komplementarität auf.