Es ist genau einen Monat her, dass der Terror in Paris wütete. Die Diskussionen über den ‚richtigen’ Umgang dauern noch an. Die in Frankreich lebende Muslima Zübeyde Akbaba schreibt, wieso sie die französische Flagge als Facebook-Profilbild hat.
Wissen Sie, was heutzutage einen guten Muslim ausmacht? Wie penibel er auf die Inhaltsstoffe der Lebensmittel achtet und welche Marken er kauft, sein äußeres Erscheinungsbild und natürlich das Facebook-Profilbild. Ja genau, das Facebook-Profilbild. Welche Bedeutung das hat, ist angesichts der Diskussion über die Solidaritätsbekundungen noch klarer geworden.
Ich gehöre zu den Muslimen, die ihr Profilbild in den Farben der Flagge des Landes getüncht haben, das sie als ihre Heimat bezeichnen: Frankreich. Das Land, in dem ich geboren und aufgewachsen bin. Das Land, in dem die Menschen leben, die ich liebe, meine Neffen und Nichten noch immer zur Schule gehen. Es ist mein Land, meine Heimat. Unnötig zu erwähnen, dass es an absurde Undankbarkeit grenzen würde zu sagen, dass ich mich nicht mit dem Land, in dem ich mich jederzeit sicher gefühlt habe, zur Schule gegangen bin und die Straßen so gut kenne wie meine Westentasche, nicht solidarisiere.
Für jeden sollte das gleiche Recht gelten. Was in Frankreich vor genau einem Monat passierte, hätte auch meine Familie treffen können. Am 13.11. hatten sie Glück, aber in Zukunft kann es ihnen niemand versichern. Auch Mitglieder meiner Familie gehen oft und gerne zu den Spielen der französischen Nationalmannschaft oder mal auf einen Spaziergang abends in Paris raus. Übrigens sollen bei dem Attentat Muslime, die im Auto vorbeifuhren, auch Opfer des Attentats geworden sein. Mein Neffe lag zu der Zeit im Krankenhaus und mir stehen noch immer die Haare zu Berge, wenn er erzählt wie er mitbekommen hatte, dass im Nebenzimmer die Schreie der Familienangehörigen der Toten durch die kargen Krankenhäuserflure hallten.
Mich stört, dass Attentate, die in einem „nichtmuslimischen Land“ stattfinden, zu einer Emotionslosigkeit bei manchen Muslimen führen. Zusätzlich dazu kritisieren sie jene Muslime die, wie ich, bei der Profilbild-Aktion mitmachen. Dass ich mich an der Aktion beteilige, heißt doch nicht automatisch, dass ich mich nicht auch mit den schrecklichen Ereignissen im Nahen Osten solidarisiere. Aber da marschieren verblendete Männer mir nichts dir nichts durch die Pariser Straßen, nutzen meinen Glauben, um meine Heimat anzugreifen, beleidigen meinen Gott und erschießen feige jeden, den sie in ihr Blickfeld bekommen. Ist es dann nicht meine muslimische Pflicht, empört zu sein? Lassen wir dieses „Wer ist der bessere Muslim?“-Spiel und versuchen Mensch zu sein! Ist es so schwer, sich auf diesen gemeinsamen Nenner zu berufen? Ob Muslim oder Nichtmuslim, es sterben Menschen auf offener Straße, und das ist einfach nur abgründig traurig.
Es tut mir im Herzen weh, aber diese Attentäter sagten von sich, dass sie Muslime seien. Muslime, die sich einer gehörigen Portion Gehirnwäsche unterzogen und von jeder islamischen Lebensart entfernt haben. Sie waren Muslime, die keine Muslime sind. Ich kann es nicht mehr mit ansehen, dass meine Religion von solchen Verrückten missbraucht wird. Denn das führt mitunter auch leider dazu, dass Muslime immer öfter islamfeindlichen Vorfällen ausgesetzt sind und ihnen manchmal das Gefühl gegeben wird, dass „muslimisch“ zu sein schon eine Straftat ist. Auch bin ich mir sicher, dass unter dem Deckmantel der Präventionsarbeit die Zahl der islamfeindlichen Übergriffe ansteigen wird. Die Muslime Frankreichs müssen versuchen, dem rational und standhaft entgegenzutreten. Frankreich wird bald zweigeteilt, in die den Islam akzeptieren und in die, die ihn ablehnen. Durch unser Handeln können wir die Unentschiedenen noch auf die richtige Seite ziehen.
Ich fühle mit Frankreich. Ich fühle mit meiner Heimat, das schwierige Zeiten durchmacht. Die französische Flagge auf meinem Facebook-Profil versucht nur das zu verdeutlichen. Wenn ich also am Flughafen bin und meinen französischen Pass vorzeige, von jeder Gunst der Staatsangehörigkeit profitiere, ist das kein Problem, aber sobald ich mein Facebook-Profilbild ändere, bin ich ein „schlechter Muslim“? Wir müssen solch ein banales Denken hinter uns lassen. Nicht mein Profilbild, sondern meine Taten bestimmen, ob ich ein guter Mensch und guter Muslim bin oder nicht.