Philosophin

Burka-Debatte ist rein symbolisch

Die Philosophin Seyla Benhabib ist der Meinung, dass die Religionsfreiheit in Deutschland die Burka schützt und die Gesellschaft es aushalten muss. Außerdem warnt sie vor stärker werdenden nationalistischen Zügen in Europa.

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01
2016
Burka-Trägerin © by Patrick Denker auf Flickr (CC BY 2.0), bearbeitet islamiQ

Die jüdisch-türkische Philosophin Seyla Benhabib hat Forderungen nach einem Burka-Verbot als „rein symbolische Debatte“ zurückgewiesen. Es gehe meist nicht um die Burka, „sondern um die Kriminalisierung und Marginalisierung muslimischer Frauen“, sagte sie dem „Süddeutsche Zeitung Magazin“ (Freitag). Ursprünglich sei das Kopftuch ein Mittel der Emanzipation gewesen, da es jungen Mädchen etwa den Schulbesuch ermöglicht habe.

Persönlich finde sie die Burka „als Frau und Feministin sehr schwierig“, fügte die Professorin der US-Universität Yale hinzu. „Aber damit muss ich leben, denn solche Kleidungsstücke sind in unseren Gesellschaften durch die Religionsfreiheit geschützt so lange sie nicht die Rechte anderer Menschen beeinträchtigen.“

Im Hinblick auf die Flüchtlingssituation warnte Benhabib vor „dem Rückfall in verbohrten Nationalismus“. Es sei „widerlich“, wie bestimmte Denkmuster wieder auftauchten. „Manchmal habe ich das Gefühl, dass in Europa gerade ein schlechter Zweiter-Weltkriegs-Film gedreht wird“, sagte sie. Beispiele seien der Vorschlag von EU-Ratspräsident Donald Tusk, Flüchtlinge zur Identitätsprüfung 18 Monate lang in Lagern festzuhalten, oder wasserfeste Nummern, die Flüchtlingen in Tschechien auf die Arme geschrieben bekamen.

Bei Migrationsbewegungen gehe es indes nie nur um Zahlen, sondern „immer auch um tief liegende Identitätsfragen“, so Benhabib weiter. So könnten Menschen verstärkte Zuwanderung als Bedrohung empfinden. Ihre Aufgabe als Wissenschaftlerin sehe sie auch darin, dieser Krisenstimmung entgegenzuwirken. (KNA, iQ)

Leserkommentare

Mareike sagt:
Ein Mittel der Emanzipation kann das Kopftuch nur in einer Gesellschaft sein, in der Mädchen und Frauen ansonsten verwehrt wird, das Haus zu verlassen. Das wäre dann aber eine frauenfeindliche Gesellschaft, in der Frauen unterdrückt werden. In Deutschland dürfen Frauen hingegen sehr wohl das Haus verlassen und das sogar ohne Kopftuch oder Burka. Wenn es eine Emanzipation darstellt, dass Frauen, statt im Haus bleiben zu müssen, notfalls zumindest mit Kopftuch oder Burka auf die Straße dürfen, dann kann dies nicht das Ende des Weges sein, sondern nur eine Zwischenstation. Nach mehr als 1.400 Jahre wäre es dann aber langsam an der Zeit, den nächsten Schritt zu wagen, nämlich ohne Kopftuch aus dem Haus zu gehen. Ich wundere mich übrigens, dass hier immer nur Berichte erscheinen, die den Muslimen bestätigen, dass ihre Frauen tatsächlich Kopftuch tragen müssen. Es gibt auch innerhalb des Islam durchaus andere Positionen. Diese werden hier allerdings völlig ausgeblendet.
15.01.16
16:27
Charley sagt:
"denn solche Kleidungsstücke sind in unseren Gesellschaften durch die Religionsfreiheit geschützt so lange sie nicht die Rechte anderer Menschen beeinträchtigen.".... welche Gesellschaft denn? Die amerikanische (weil sie in Yale lehrt)? Oder die europäische, wo der europäische Gerichtshof sich klar positioniert hat!!! "Die Richter .... erklärten jetzt, die Burka errichte eine Barriere zwischen ihrer Trägerin und der Umwelt und untergrabe damit das Gefühl des Zusammenlebens in einer Gesellschaft. Das Verbot sei daher angemessen." Ja, @Mareike, es ist in diesem Forum Kult, pro Kopftuch u pro Burka zu sein. In div Kommentaren dazu kannst du dann aber lesen, dass es auch unter Muslimen Zweifel gibt, dass Burkaträgerinnen einen Platz ne Reihe weiter vorn im Paradies bekommen. Mit dieser Opfermenaltiät "ach, sie lassen uns nicht unser Identitätsmerkmal, uns wird unsere Vereinsfolklore nicht erlaubt", wird die Qualität der Burka, wie sie in Europa sich zeigt, völlig ausgeblendet.
16.01.16
7:42
Charley sagt:
Gesetze gegen Taschendiebe sind auch "rein symbolisch". Sie kriminalisieren zwanghafte Kleptomanen! - Dass die Burka ein Schlag ins Gesicht dem modernen Geist der Ich-zu-Ich Begegnung ist, hat "die Philosophin" wohl noch nicht bemerkt! Ja, in Saudi-Arabien macht die Burka die Frauen glücklich, denn sonst dürften die gar nicht mehr aus dem Haus! - Welch eine zynische Logik!! - Hallo, Frau Benhabib, lesen Sie doch mal den Faust: "Gesetz wird Unrecht, Wohltat Plage, weh dir, dass du ein Enkel bist!"
16.01.16
7:51
shm sagt:
Hallo Seyla Benhabib ! "Lesen bildet" - auch im Grundgesetz ! Gleichheitsgebot lesen ! Vermummungsverbot lesen ! Und dann ggf DAGEGEN anstinken ! - das ist dann dokumentierte Rechtsfeindlichkeit !!! Siehste Mädel, andersrum funktioniert die Argumentationskette auch ! UND wo ist eigentlich der fiese Kerl der die Burka-Trägerinnen mit der Kalaschnikov hierher getrieben hat ? Wenn ich in ein fremdes Haus komme, gelten die Regeln des Hauses auch für mich, nicht meine für die Hausherren ... UND - wie stehts den viceversa ? ( nabelfreies Top in der Moschee ? ) MfG shm
16.01.16
9:06
Rabia K. sagt:
Wirklich interessant, dass wieder "Debatten" über das Kopftuch und der Burka geführt werden, ohne die Position von Musliminnen einzubeziehen. Es ist traurig, dass immer wieder über ihre Köpfe hinweg, in ihren Namen, definiert wird, was das Kopftuch zu bedeuten hat und welchen Schritt es in der Emanzipationsleiter darstellt. Erstens, Frau Mareike, können Sie nicht einfach Kopftuch und Burka synonym nutzen, zweitens Frage ich mich, inwiefern der obige Beitrag Frauen bestätigt und auffordert sich zu verhüllen. Außerdem halte ich es für unangebracht, Saudi-Arabien mit Deutschland vergleichen zu wollen. Man darf nicht ausblenden, dass das Kopftuch in Deutschland eine andere Bedeutung hat als beispielsweise im Iran (strenge Verhüllungspflicht im öffentlichen Raum) oder in der Türkei (wo es bis vor kurzen selbst im Schulbesuch verboten war, und sich Frauen das RECHT erkämpfen mussten und teilweise immer noch müssen, Stichwort Laizismus). Demnach muss man sich die Gesellschaft ansehen, in der das Kopftuch getragen wird. In der Türkei steht das Kopftuch sehr wohl für Emanzipation und für Freiheit. Gerade hier in Deutschland hat das Kopftuch auch eine emanzipatorische Bedeutung. Immer mehr gebildete Frauen, die mit beiden Füßen in der Gesellschaft stehen und finanziell unabhängig sind, tragen ein Kopftuch. Diese Frauen wissen sehr wohl, dass sie dadurch Nachteile erleiden, sowohl auf dem Arbeitsmarkt, als auch auf gesellschaftlicher Ebene (dazu muss man sich nur die Stellung der kopftuchtragenden Frau in unserer Gesellschaft ansehen). Ist es also ein Zeichen von persönlicher Stärke, trotzdem an seiner Identität festhalten zu wollen, oder ist es ein Zeichen von ungeglückter Emanzipation, so wie Sie es behaupten? Meines Erachtens sind kopftuchtragende Frauen STARKE Frauen, die sich nicht bevormunden lassen wollen-ganz im feministischen Sinne. @ shm Gast-und-Hausherr Logik funktioniert schon seit mindestens 30 Jahren nicht mehr, sorry! Dass man ein Gotteshaus (völlig egal, welches) mit langer Kleidung besucht, hat einzig und allein mit Respekt zu tun. Sie vermengen hier zwei völlig verschieden Dimensionen, daher klappt auch dieses Beispiel nicht.
16.01.16
13:05
duesselbarsch sagt:
Liebe MitkommentatorInnen, die ruhige Lektüre des zu kommentierenden Textes erleichtert zutreffendes Kommentieren. So setzt sich Frau Benhabib nicht für die Burka ein, sie persönlich lehnt die Burka ab (s.o.). Nur ein staatliches Verbot hält sie für unzulässig. Die Frage, welche Gesellschaft Frau Benhabib wohl meine, in der der Grundsatz gilt, der Staat dürfe nur Handlungen verbieten, die gegen die Rechte Anderer verstoßen, ist einfach zu klären. Alle "Gesellschaften" (man beachte den Plural!), die sich auf die europäische Aufklärung beziehen. Den Satz könnte man 1 : 1 bei Immanuel Kant finden. Die Unverschämtheit, eine Inhaberin der Spinoza-Professur der Universität Amsterdam als Philosophin in Anführungszeichen zu bezeichnen, möchte ich nicht weiter kommentieren.
16.01.16
17:50
duesselbarsch sagt:
Als ich den Kommentar schrieb, konnte ich den Beitrag von Rabia K noch nicht sehen. Frau K hat nicht von dem Namen Benhabib automatisch auf eine Muslima geschlossen. Anderen hier scheint die Herkunft Frau Benhabibs aus einer jüdischen Familie unbekannt geblieben zu sein.
16.01.16
18:30
Johannes Disch sagt:
Da bin ich ganz und gar nicht der Meinung von Frau Behabib. Schon das Kopftuch ist nicht unproblematisch. Was ist nach der Revolution im Iran passiert?? Als erstes wurden die Frauen wieder unter das Kopftuch gesteckt. Was macht Erdogan in der Türkei?? Eine Renaissance eines fundamentalistischen Islam, dessen Flagge das Kopftuch ist. Es ist ein Irrtum, dass viele im Westen für die AKP den Begriff "islamisch-konservativ" verwenden und in ihr eine "islamische CDU" sehen. Auch die AKP gehört zum Spektrum des Islamismus. Der Islamismus hat 2 Seiten: Den djihadistischen von Gruppen wie des IS. Und den "Institutionellen Islmamismus." Hier versucht man, die Gesellschaft mit den Mitteln der Instrumente des Parlamentarismus in die Gesellschaft zu tragen. Zum "Institutionellen Islamismus" gehören Erdogan und seine AKP. Man muss nur schauen, wie Erdogan mit Kritikern umgeht. 58 regierungskritische Journalisten sitzen derzeit in türkischen Gefängnissen. Die wenigsten hier in Deutschland dürften das Kopftuch als politisches Symbol tragen. Dennoch: Dahinter steckt eine etwas altertümliche Vorstellung von "Ehre." Eine Frau mit Frau mit Kopftuch ist moralisch okay. Eine ohne ist.. na, sagen wir "leichtfertig." Das Kopftuch hat also durchaus eine Signalwirkung. Und eine Burka geht schon mal gar nicht. In einer "Offenen Gesellschaft" kann ich erwarten, dass man Gesicht zeigt. Die Burka fällt meines Erachtens unter das Vermummungsverbot. lg Johannes Disch
16.01.16
22:30
Charley sagt:
@duesselbarsch: "Es gehe meist nicht um die Burka, „sondern um die Kriminalisierung und Marginalisierung muslimischer Frauen“". Geht es noch lächerlicher? Wer hat denn so große Lust, diese Frauen zu " kriminalisieren oder zu margialisieren? Es wird auch hier wieder die egozentrische moslemische Opfermentalität abgespult. Dass die Burka eine Verachtung der "face to face" Kultur ist, wird ausgeblendet. Auch der europäische Gerichtshof! Also von wegen "jede Gesellschaft". Nicht lehnt sie die Burka ab, sonder hält sie nur für problematisch. - Was das auch immer bedeutet! Ansonsten bleibt es dabei, was auch Rabia in ihrem Text wieder bestätigt, dass das Gejammer über die "verbotene Identitätsfindung mittels Kopftuch oder gar Burka" pubertäres Niveau hat. Wessen " Identität" an solchen Folklore Elementen hängt, der kann einem nur Leid tun! Vielleicht hat die Burka oder das Kopftuch nicht mehr Gehalt als die Lederhose beim Oktoberfest, sowie Bedeutungen sich Musliminnen auch dazu einbilden.
17.01.16
0:54
Charley sagt:
..... soviel Bedeutungen....
17.01.16
0:56
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