Die Muslima, die sich vor einer Woche vor dem Münchner Landgericht geweigert hatte, sich unverschleiert zu zeigen, hat in der Berufungsverhandlung am Donnerstag ihr Gesicht gezeigt.
Vor einer Woche hatte sich vor dem Münchner Landgericht eine Muslima geweigert, sich unverschleiert zu zeigen. Nun hat sie in der Berufungsverhandlung am Donnerstag ihr Gesicht gezeigt. Die Klage gegen einen 59-jährigen Architekten wegen Beleidigung endete dennoch mit einem Freispruch. Der Mann soll im Mai 2015 am Münchner Hauptbahnhof die 43-jährige Tunesierin, die in Deutschland aufgewachsen ist, aufgrund ihrer Kleidung beleidigt haben.
Auch in der Berufungsverhandlung weigerte sie sich zunächst aus religiösen Gründen ihren Schleier zu lüften. Erst nach mehrmaliger Aufforderung durch die Vorsitzende Richterin zeigt die Frau ihr Gesicht, allerdings unter der Bedingung, dass der Beklagte sich abwende.
Nach der Verhandlung in der vergangenen Woche sah laut „Bild“ der Richter voraus, dass sich die Muslima wieder weigern werde, den sogenannten Niqab-Schleier abzunehmen. Deswegen sei „eine Expertise des hochrangigen Islam-Rechtsgelehrten Scheich Abdullah Al Muslih aus
Saudi Arabien“ eingeholt worden. Darin heiße es, dass das Ablegen des Niqab vor Justizorganen aufgrund von Notwendigkeiten und Schadensverhinderung erlaubt sei.
Bekir Altaş, Generalsekretär der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG) betont, dass die Gesichtsbedeckung nicht obligatorisch sei: „Aus unserer Sicht besteht ohnehin keine Pflicht, das Gesicht zu bedecken. Außerdem kann es in bestimmten Fällen sogar erforderlich sein, das Gesicht einer Person zu sehen. Auf der Pilgerfahrt werden Frauen sogar gebeten, ihren Gesichtsschleier abzunehmen. Insofern sehen wir kein Problem darin, dass die Zeugin vor dem Landgericht ihren Schleier abgelegt hat.“
Bundesweit werfen offenbar solche Fälle Fragen auf. Die Hammer Generalstaatsanwältin Petra Hermes schrieb an ihre Kollegen und bat um einen Erfahrungsaustausch. Nach ihrer vorläufigen Bewertung hindert die Vollverschleierung ein Gericht daran, die Identität und
Verhandlungsfähigkeit von Angeklagten und Zeuginnen festzustellen. Zudem könnte die Verhandlung gegen eine Vollverschleierte den Unmittelbarkeitsgrundsatz beeinträchtigen. Danach müssen das Gericht und die übrigen Prozessbeteiligten Gestik und Mimik einer Angeklagten oder Zeugin wahrnehmen können, um daraus Rückschlüsse auf deren Glaubwürdigkeit ziehen zu können.
Die Abwägung zwischen Religionsfreiheit und Rechtsstaatsprinzip dürfte in der Regel zugunsten des letzteren ausfallen, so Hermes. Denn das Interesse des Staates an einer rechtsfehlerfreien, durch äußere Einflüsse weitgehend unbeeinflussten Beweiswürdigung dürfte das Interesse an einer Verschleierung übersteigen. (KNA, iQ)