Als Reaktion auf die steigende Islamfeindlichkeit wurde die Dokumentationsstelle für Muslime in Österreich gegründet. Ziel ist es das Bewusstsein für antimuslimischen Rassismus zu stärken. Ümmü Selime Türe ist seit Beginn an tätig und schreibt welche Hoffnungen sie für die Zukunft hat.
Die Schülerin Z., eine erkennbare Muslimin, steigt in die Straßenbahn ein. Es werden ihr die Wörter nachgerufen „Euch muss man alle ins KZ schicken!“.
Eines von vielen alltäglichen Beispielen einer Muslima in Österreich. Denn islamfeindliche Äußerungen auf der Straße oder in den öffentlichen Verkehrsmitteln –so meint man- gehören eben zum Muslimsein in Österreich dazu, daran gewöhne man sich. Dass man aufgrund seiner Religionszugehörigkeit beschimpft, ja attackiert oder diskriminiert wird, gehört zu unschönen Dingen im Leben, denn man habe ja auch nicht behauptet, dass das Leben einfach ist. Diese oder ähnliche Geschichten und Ereignisse hört man im Zuge seines Lebens und mit der Zeit denkt man sich, ob das überhaupt in Ordnung ist, aufgrund seines Glaubens so behandelt zu werden. Jeder einzelne Mensch kann dagegen intervenieren oder etwas unternehmen, aber gezielt daran zu arbeiten, um diesbezüglich ein Bewusstsein zu schaffen, dies war eine Notwendigkeit. Es gehörte eine strukturierte und institutionalisierte Arbeit in dem Bereich, um Islamfeindlichkeit und anti-muslimischen Rassismus zu benennen und zu erläutern.
So entstand am 10. Dezember 2014, am Tag der Menschenrechte, die Dokumentationsstelle für Muslime in Österreich. Tätig sind hier engagierte StudentInnen und Berufststätige, die diese Arbeit ausschließlich ehrenamtlich machen. Die Aufgaben der Dokumentationsstelle waren von Anfang an klar definiert: Zivilcourage fördern, auf Diskriminierung und hate crime aufmerksam machen, Erstberatung leisten und bei Bedarf weitervermitteln und statistische Daten erfassen.
Hierbei werden die islamfeindlichen Delikte unterschieden zwischen hate crime (Vorurteilsverbechen), hate speech (Verhetzung), Diskriminierung, verbalem Angriff, Beschmierung und auch die an Islamfeindlichkeit bekämpfende und muslimische Institutionen gerichtete Islamfeindlichkeit. Bei hate crimes steht das islamfeindliche Motiv des Täters im Vordergrund und greift eine Person aufgrund seiner Religionszugehörigkeit an, ohne diese Person persönlich zu kennen und hate speechs sind Hetzreden, die öffentlich Hass gegen Personen oder Gruppen anstiften. Nach einer anderthalbjährigen Arbeit war es klar ersichtlich, dass es nicht nur um das bloße Erfassen der Zahlen ging, sondern viel Bildungsarbeit zu leisten und diese Inhalte zu vermitteln sind.
Schaut man sich die Zahlen vom Jahr 2015 an, so wurden insgesamt 156 Fälle dokumentiert bzw. von der Dokumentationsstelle beobachtet. Auffallend waren die Zeiträume nach dem Paris-Attentat, wo vermehrt Fälle eingegangen sind, wo unter anderem islamische Einrichtungen Ziel eines hate crimes wurden. Die Auswirkungen der globalen Ereignisse wie terroristische Anschläge oder der IS sind auch lokal zu spüren, indem MuslimInnen zur Zielscheibe islamfeindlicher Angriffe werden – zu 95% fast ausschließlich erkennbare Musliminnen. Die Folgen solcher Erlebnisse können zur Zunahme der Vorurteile auf „beiden“ Seiten führen, wo Misstrauen und Voreingenommenheit zum ständigen Begleiter werden. Je salonfähiger es wird „andersdenkende“ Menschen aufgrund ihrer „Andersartigkeit“ verbal anzugreifen oder physisch zu attackieren, desto mehr kann man eine sinkende Hemmschwelle bei Angriffen aufzeichnen. Nach dem Rechtsruck in vielen europäischen Ländern, sowie auch in Österreich, hat der Fremdenhass auch in der Mitte der Gesellschaft seinen Platz eingeräumt, indem jegliche Feindlichkeit offen gezeigt und verbal geäußert wird, allen voran durch Personen aus der Öffentlichkeit, die den Nährboden für Hass säen können. Erstmals in der Geschichte der zweiten Republik wurden in den letzten Jahren islamische Gebetshäuser angegriffen, ja sogar zum Verbot von Islam in Österreich geäußert, die für das zukünftige Zusammenleben ziemlich besorgniserregend ist. Laut dem österreichischen Innenministerium wurde ein massiver Anstieg, mit 54% mehr als im Vorjahr, rechtsextremer und rassistischer Aktivitäten verzeichnet.
Das Land, das man als sein eigenes Zuhause sieht, indem man lebt, arbeitet, wo man zur Schule geht, seine Steuern zahlt, möchte man auch lebenswert gestalten. Um die Lebensqualität und das gesellschaftliche Zusammenleben aufrecht zu erhalten bedarf es, ein Bewusstsein zu schaffen. Diese Sensibilisierung gilt für jeden Menschen, denn Islamfeindlichkeit stellt nicht alleine ein Problem für die muslimischen MitbürgerInnen dar, sondern für die gesamte Zivilgesellschaft. Das Wegschauen und Nicht-Beachten der islamfeindlichen Ereignisse kann ein friedliches Zusammenleben verhindern und die Gesellschaft spalten. Es ist wichtig, gerade in Zeiten wie diesen, ein WIR-Gefühl zu stärken. Als Bürger und BürgerInnen dieses Landes ist es umso wichtiger, gemeinsam gegen jeglichen Hass und Feindlichkeit zu arbeiten. Deshalb ist es auch für uns wichtig, als Dokumentationsstelle für Muslime, mit möglichst vielen Zivilgesellschaften oder NGO’s aller Sparten zusammenzuarbeiten – auch wenn das romantisch klingen mag – um einen positiven Beitrag für die Zukunft zu leisten.