Die Debatte um die „Import-Imame“ wurde unsachlich geführt und rechtspopulistisch angefeuert. Dieser Meinung ist der Journalist Houssam Hamade und schreibt über die Ungleichbehandlung der Muslime und des Islams auf politischer Bühne.
Derzeit fordern viele Politiker, allen voran die der AfD ein Verbot von sogenannten „Import-Imamen“. Die AfD hat das auch in ihr neues Wahlprogramm aufgenommen. Einiges von dem, was sie schreibt, hört sich bei flüchtigem Überfliegen gar nicht einmal so falsch an. Man wolle keine „islamische Glaubenspraxis, die sich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung“ richte. Das ist zweifellos eine sinnvolle Forderung. Das gilt allerdings nur, wenn sie für alle Wertvorstellungen und Glaubenspraxen gilt, also auch für christliche Fundamentalisten sowie Rechtsextreme; beides Gruppen, die teils in der AfD ihre Heimat gefunden haben.
Die AfD im Spannungsverhältnis zum Islam
Auch wenn die Spitze der AfD um Frauke Petry sich derzeit scheinbar um eine Mäßigung ihrer Sprache bemüht, um als ernstzunehmende Partei in der Mitte der Gesellschaft anzukommen, gehört die Angst vor dem Islam zu ihren Kernthemen; Ein Thema aus dem viel Profit zu schlagen ist. Glaubt man einer Studie der Bertelsmann-Stiftung, haben 57 Prozent der Deutschen Angst vor dem Islam. Insofern ist es durchaus „klug“ für die AfD und andere Parteien, die Kuh „Islamangst“ zu melken. Und das tut sie auch. In ihrem Grundsatzprogramm wird zwar betont, dass „viele“ Muslime „rechtstreu sowie integriert“ seien(das muss man auch sagen, will man nicht als rechtsextrem gelten), auch wir man an anderer Stelle auch von verschiedenen Auslegungen des Islam gesprochen. Ansonsten entspringen ihre Forderungen aber nicht einer sachlichen Analyse der Lage, sondern ressentimentbeladenem, gefährlichem Halbwissen. Wäre die Unterscheidung zwischen verschiedenen Auslegungen des Islam beispielsweise ernst gemeint, würde in Punkt 7.6 des Grundsatzprogrammes nicht vom Spannungsverhältnis „des Islam“ zur freiheitlich demokratischen Grundordnung gesprochen. Auch müsste dann nicht gesagt werden, dass „der Islam“ nicht zu Deutschland gehöre (7.6.1) und es würde auch nicht betont, dass das Minarett ein islamisches Herrschaftssymbol sei, und der Muezzinruf besage, dass es „außer dem islamischen Allah keinen Gott“ gebe (7.6.3), eine Aussage, die in etwa Stammtischniveau hat und vielleicht auch haben soll, völlig die Tatsache verdrehend, dass „Allah“ einfach „Gott“ heißt, und hier, da der Islam sich als abrahamitische Religion versteht, auch der Gott der Christen und der Juden gemeint ist.
Bezeichnend ist auch, dass der Thüringer Fraktionschef Björn Höcke den geplanten Bau einer Moschee neulich als „Teil eines langfristigen Landnahmeprojekts“ bezeichnete. Um es zu betonen, es geht hier nicht darum, zu behaupten, dass bestimmte Auslegungen oder Verzerrungen des Islams nicht antidemokratisch und aggressiv wären, sondern dass hier ein Bild „des Islams“ gezeichnet wird, der inhärent faschistisch sei und die Welt erobern wolle. Die Unterscheidung der AfD zwischen einigen „guten Muslimen“ und dem aber an sich bösen Islam folgt der Argumentation des „Islamkritikers“ Hamed Abdel-Samad. Dieser bescheinigt dem Islam mit schlechten Methodik eine faschistoide Tendenz, betont dabei aber, dass nicht alle Muslime faschistoid seien. „Gute Muslime“ müssten aber dieser Logik zufolge genau so rar sein wie liberale Nazis.
In Deutschland leben vier Millionen Muslime, davon sind gerade einmal 200 gewaltbereite Salafisten. Die These des inhärent faschistischen Islams ist also statistisch gesehen haltlos. Auch schneiden AfD-Wähler in Sachen Demokratiefreundlichkeit deutlich schlechter ab als „die Muslime“. 28 Prozent ihrer Wähler halten die Idee der Demokratie nach einer Forsa-Umfrage für weniger gut oder sogar schlecht. Dagegen halten sogar 90 Prozent der hochreligiösen Muslime die Demokratie für eine gute Regierungsform. Damit wird das Pochen der AfD auf die „humanistischen Werte“ schlicht zu einem Pochen auf das Eigene, für das man sich ein gegensätzliches Anderes – dieses mal ist es die Projektionsfläche „Islam“ – bastelt.
Der Populismus und seine Gefahren
Solche populistischen Äußerungen polarisieren. Das bringt zwei Probleme mit sich. Zum einen wirken sie als Integrationshemmnis. Das wurde auch von einer jüngeren Studie belegt, die im Hinblick auf Frankreich zeigt, dass die Ablehnung von muslimischen Einwanderern einen Teufelskreis bilde mit der Integrationsverweigerung mancher dieser Einwanderer. Ähnliches macht das mit der öffentlichen Debatte: Mein neigt dazu, auf krasse Einseitigkeiten selbst mit Einseitigkeiten zu antworten. Insofern ist es wichtig, bewusst sachlich an die Fragen heranzugehen.
Das tut beispielsweise der Religionssoziologe Rauf Ceylan, der sich intensiv mit dem Thema der Imame in Deutschland auseinandergesetzt hat. Er betont, dass der überwältigende Anteil der Imame demokratiefreundlich eingestellt und Extremisten in der Minderheit seien. Die Imame, auch die aus der Türkei, seien darum eher eine Kraft gegen den Extremismus. Dennoch sind deren mangelnde Sprachkenntnis und Wissen über die Lebenslagen in Deutschland ein Problem. Wenn diese Kompetenzen nämlich besser entwickelt würden, könnten die Imame eine wichtige Funktion als Integrationshelfer einnehmen, so Ceylan. Außerdem habe die salafistische Szene auch dadurch Zulauf bekommen, weil die Auslandsimame nicht dicht genug an der Lebensrealität junger Menschen in Deutschland lebten.
Die Situation ist also komplexer als es die Aussagen der AfD und auch von Politikern der „Mitte-Parteien“ vermitteln, und das müssten diese eigentlich wissen. Warum sollte sonst auch CSU-Generalsekretär Scheuer die Finanzierung von Moscheen und Kindergärten aus dem Ausland verbieten wollen, obwohl ein solches Gesetz rechtlich gar nicht machbar ist, da es gegen die Religionsfreiheit und das Prinzip der Gleichbehandlung verstoßen würde? Die Stoßrichtung solcher Aussagen impliziert auch, dass „die Muslime“ sich als homogene Masse störrisch an alten und schlechten Traditionen festhalten. Dabei sind „die Muslime“ in Deutschland eine äußerst heterogene Gruppe mit verschiedenen Meinungen und Einstellungen.
Manche Muslime argumentieren, dass die „Import-Imame“ eine gute Sache seien.
„Die eigentlichen Probleme sind eher struktureller Natur“
Für viele, vor allem jüngere Muslime dagegen rennt man mit der Forderung nach in Deutschland aufgewachsenen und ausgebildeten Imamen wiederum „offene Türen ein“, wie es die Journalistin Claudia Keller treffend formulierte. Selbst der Vorsitzende der türkischen Gemeinde Gökay Sofuoglu ist für in Deutschland ausgebildete Imame. Der „kulturelle Muslim“ Cem Özdemir kritisiert auch den Einfluss der AKP auf die Imame der DITIB. Die großen islamischen Religionsgemeinschaften scheinen aber zumindest grundsätzlich „mit im Boot“ zu sein, auch wenn es Streitpunkte gibt. Auch der deutsch-türkische Verband DITIB, der einen Großteil der Imame in Deutschland stellt, arbeite „kontinuierlich und konstruktiv in der Deutschen Islamkonferenz mit“, so ein Sprecher des Bundesinnenministeriums. Genau diese Islamkonferenz hat schon vor Jahren angestoßen, dass an deutschen Universitäten Zentren für islamische Theologie eingerichtet werden. Die eigentlichen Probleme sind eher struktureller Natur: Die Aufenthaltsdauer der Imame ist auf fünf Jahre beschränkt. Man könnte diese Vereinbarung neu verhandeln, damit länger Zeit für die Imame bleibt, um Deutsch und die Lebenssituation in Deutschland kennenzulernen. Auch ist die fachgerechte Ausbildung von Imamen ist eine teure Angelegenheit. Und da es in Deutschland kein Äquivalent zur Kirchensteuer gib, ist es für die muslimischen Gemeinden ungeheuer schwierig, ihre Imame vollständig selbst zu bezahlen. Eine staatskirchenrechtliche Gleichstellung der Moscheegemeinden wäre insofern sinnvoll. Zwar lässt sich argumentieren, dass Glaubensgemeinschaften ihre Kosten selbst tragen sollten, aber dann müssten das auch die christlichen Kirchen tun.
Derzeit erhalten die christlichen Kirchen etwa 20 Milliarden Euro an Steuergeldern. Sogar Kirchentage werden subventioniert. Auch Rauf Ceylans Arbeit für die Ausbildung von Imamen und Islam-Lehrern an Deutschlands Universitäten ist ein Schritt in die richtige Richtung. Der von der evangelischen Kirche geforderte flächendeckende Islamunterricht wäre sinnvoll. Falsch ist dagegen ein paternalistischer und gesellschaftliche-Konflikte-anfeuernder Eingriff in die Religionsfreiheit und die Gleichbehandlung der Religionen.