Zwei Studien zeigen ähnliche Zugehörigkeitsgefühle von Menschen mit Migrationshintergrund und ohne. Doch sie stellen auch fest, dass vor allem Türkischstämmige und Muslime mit der Zugehörigkeit stärker hadern.
Die große Mehrheit der deutschen Bevölkerung liebt nach eigenem Bekunden Deutschland – egal ob mit Migrationshintergrund oder ohne. Und auch das Zugehörigkeitsgefühl beider Gruppen ist mit mehr als 85 Prozent ähnlich stark ausgeprägt. Zu diesen Ergebnissen kommen wissenschaftliche Erhebungen, die am Dienstag von der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), in Berlin vorgestellt wurden. Nicht eine, sondern gleich zwei Studien standen auf dem Programm der Konferenz „Wer sind WIR – und wenn ja, wie viele?“, zu der Özoguz eingeladen hatte.
Sie wolle die oft sehr emotional geführte Debatte über deutsche Identität, Einwanderung und Religionszugehörigkeit versachlichen und ihr mehr Substanz und Tiefe geben, erklärte Özoguz. Dafür hatten der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) und das Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung sich in Sonderauswertungen den Themen Zugehörigkeit, Identität und Identifikation gewidmet.
Das Ergebnis sind zwei repräsentative Erhebungen, die auf Daten aus den Jahren 2014 und 2015 basieren. Während der SVR das Integrationsbarometer mit knapp 5.400 Befragten mit und ohne Migrationshintergrund nutzte, wurden für die Studie des Berliner Instituts 8.250 Menschen mit und ohne Migrationshintergrund im Jahr 2014 befragt.
Positiv sei das starke Zugehörigkeitsgefühl der gesamten Bevölkerung, sagte die SVR-Geschäftsführerin Cornelia Schu. 92 Prozent der Menschen ohne Migrationshintergrund fühlten sich „voll und ganz“ oder „eher“ zugehörig. Bei denen mit Migrationshintergrund seien es 87 Prozent. Entscheidend für das Gefühl der Zugehörigkeit seien ein fester Arbeitsplatz und der Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit. Vorfahren oder Geburtsort spielten kaum eine Rolle. „Zugehörigkeit lässt sich im wahrsten Sinne des Wortes erarbeiten“, so Schu.
Bei der Religion werde es jedoch kritischer. So fühlten sich Muslime der ersten Zuwanderergeneration deutlich weniger zugehörig als Zuwanderer christlichen Glaubens. Während bei Christen sich 90 Prozent „voll und ganz“ oder „eher“ zugehörig fühlten, waren es bei Muslimen 67 Prozent. „Voll und ganz“ zugehörig empfanden sich bei Muslimen der ersten Generation 30 Prozent. Zwar gleiche sich das Empfinden in der kommenden Generation an, so Schuh, grundsätzlich sei hier aber noch ein deutlicher Unterschied erkennbar.
Herkunft sei ein weiterer entscheidender Faktor. Besonders schwach sei das Zugehörigkeitsgefühl bei türkischstämmigen Einwanderern. Hier fühlten sich 26 Prozent nicht zugehörig. Gefragt nach dem Gefühl der Ausgrenzung bewerteten vor allem türkischstämmige Muslime (59 Prozent) die Ausgrenzung aufgrund ihrer Herkunft als besonders hoch. Bei Muslimen aus anderen Herkunftsländern waren es 43 Prozent.
Die Vizedirektorin des Berliner Instituts für empirische Integrations- und Migrationsforschung, Naika Foroutan, verwies auf die Bedeutung der deutschen Sprache. In ihrer Auswertung hätten mehr als 95 Prozent der Menschen mit und ohne Migrationshintergrund angegeben, dass Deutschkenntnisse für das „Deutsch sein“ wichtig seien. Jeder zweite Migrant lege den Fokus gar auf ein akzentfreies Deutsch.
Dabei fühlten sich 86 Prozent der Befragten ohne ausländische Wurzeln und 65 Prozent der Menschen mit Migrationshintergrund „deutsch“. Bei Einwanderern mit deutscher Staatsangehörigkeit empfanden sich knapp 74 Prozent als „deutsch“. Die Staatsangehörigkeit spiele demnach eine wichtige Rolle, schloss Foroutan. Sie appellierte an die Politik, auch eine doppelte Staatsbürgerschaft durch Einbürgerung in Erwägung zu ziehen.
„Wir sollten kein Integrationsverständnis weiterführen, dass sich an 16 Millionen Einwanderer richtet, wir brauchen vielmehr ein Integrationsverständnis für 81 Millionen Bürger“, sagte Özoguz mit Blick auf die Ergebnisse. Dafür brauche es unter anderem eine stärkere rechtliche und gesellschaftliche Partizipation, etwa durch die doppelte Staatsbürgerschaft. Zur Wahrheit gehöre jedoch, dass viele Menschen seit Jahrzehnten Teil der Gesellschaft seien, aber politisch und rechtlich noch nicht dazugehörten. (KNA/iQ)