Die Evangelische Kirche in Deutschland und der Koordinationsrat der Muslime in Deutschland haben erst kürzlich nach einem Treffen erklärt, dass sie den Dialog untereinander intensivieren und ihre Kooperation stärker vorantreiben wollen. Dunya Adıgüzel sitzt mit im Boot und gibt einen Einblick in das schwierige Thema des Dialogs. Dabei notiert sie bisherige Erfolge und übt einen vorsichtigen Blick in die Zukunft.
Vertrauen! In jeder Art von Beziehung zwischen Menschen entscheidet das Vertrauen in den anderen über den Gehalt und den Erfolg dieser Beziehung. Gleiches gilt auch auf institutioneller Ebene, wo Menschen für Institutionen mit anderen in Beziehung stehen. Gerade diese Beziehungen sind wichtig für das gesellschaftliche Zusammenleben. Denn überhaupt das Interesse an einer gemeinsamen Gesellschaft, die nur mit anderen verwirklicht werden kann, setzt Vertrauen in andere voraus.
In Deutschland werden im Kontext von unterschiedlichen Religionsgemeinschaften diese Beziehungen als Dialoge bezeichnet. Im Dialog mit anderen soll durch Kennenlernen Vertrauen hergestellt werden. Das Ziel dabei ist eine friedliche Gesellschaft, in der jeder nach seinen religiösen und kulturellen Vorstellungen leben kann. Insbesondere der Dialog zwischen Christen und Muslimen in Deutschland ist immer wieder Thema für Kontroversen. Allerdings soll hier nicht die Mikroebene in den Fokus genommen werden. Vielmehr soll ein Blick auf die Spitzeneben geworfen werden, wo in den letzten zwei Jahr der Dialog zwischen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und dem Koordinationsrat der Muslime (KRM) langsam wieder auflebt, nachdem jahrelang Stillstand geherrscht hatte. Doch Vertrauen muss hier noch aufgebaut werden – Vertrauen, das nach Ereignissen von vor sechs Jahre verloren gegangen war.
Einen ersten Versuch des Dialogs fand im Januar 2005 auf Initiative des damaligen Ratspräsidenten der EKD Wolfgang Huber statt. Die EKD lud verschiedene islamische Religionsgemeinschaften und auch Einzelpersonen zu einem ersten Treffen ein. Da der KRM zu diesem Zeitpunkt noch nicht existierte, erschien die Einladungsliste für die muslimischen Seite als eher willkürlich und nicht der Vertretungsrealität auf muslimischer Seite zu entsprechen. Der Dialog zwischen den Religionsgemeinschaften war nicht erst neu. So gehörte aus der Perspektive der islamischen Religionsgemeinschaften dieses erste Treffen in den Rahmen des bereits bestehenden gemeinsamen Dialogs. Die von der damaligen EKD-Leitung vorgegebene Tagesordnung irritierte jedoch. Die Themenwahl, war geprägt von den üblichen Vorurteilen gegenüber Muslimen wie zum Beispiel Zwangsheirat oder Ehrenmord. Obwohl es das erste Treffen zwischen EKD und islamischen Religionsgemeinschaften auf dieser Ebene war und obwohl sich die islamischen Religionsgemeinschaften gegen die Konzentration auf diese vorurteilsbehafteten Themen als zentrale Agenda des gemeinsamen Dialogs aussprachen, wollte sich die EKD unter Ratspräsident Huber nicht von diesen Themen abwenden. Sicherlich ist es auch wichtig, problematische Themen, die in einer Gesellschaft präsent sind, zu analysieren und eine gemeinsame Strategie dagegen zu finden. Allerdings hat ein Dialog, der auf Vorwürfen aufbaut, keine gute Ausgangslage für eine vertrauensvolle Beziehung.
Nachdem der KRM in der Zwischenzeit gegründet wurde, fanden nach dieser ersten Begegnung im Dialog noch etwa zwei bis drei weitere Treffen statt. Allerdings hatten sie keinen verbindlichen Charakter und gingen über Gesprächsrunden nicht hinaus. Schließlich kam es 2007 durch die Veröffentlichung der Handreichung „Klarheit und gute Nachbarschaft“ Ende 2006 durch die EKD zum vollständigen Stillstand des Dialogs. In der Handreichung wurden auf 125 Seiten so ziemlich alle Vorurteile und Klischees gegenüber Muslimen und dem Islam als notwendiges Vorwissen über Muslime und den Islam präsentiert. Dabei wurde der christliche Glaube an vielen Stellen als die bessere Religion gegenüber einem archaischen Islam glorifizierend dargestellt. Die islamischen Religionsgemeinschaften protestierten gegen diese Handreichung und legten ihre Vorbehalte ein. Aber auch von evangelischer Seite gab es einen Aufruhr gegen diese Handreichung. Die zahlreichen Distanzierungen zeigten zumindest, dass die Handreichung auch in der evangelischen Kirche nicht von allen akzeptiert worden ist. Trotzdem kam von der damaligen EKD-Spitze kein Einlenken und obwohl den Vertretern der islamischen Religionsgemeinschaften eine Überarbeitung der Handreichung zugesichert wurde, passierte nichts. Die Folge davon war das Einfrieren des Dialogs zwischen EKD und KRM für fünf Jahre.
Erst nach der Wahl von Dr. hc Nikolaus Schneider zum Ratspräsidenten kam es zu einer Wideraufnahme des Dialogs. Im Juni 2012 lud der KRM die EKD zu einem formellen Gespräch im Juni 2012 nach Duisburg ein.
Am 21. Juni 2012 wurde dann gemeinsam über die Ziele des gemeinsamen Dialogs gesprochen. Dabei wurden von muslimischer Seite grundlegende Probleme des bisherigen Dialogs zur Debatte gestellt. Hierbei stand für beide Seiten die Problematik des mangelnden Vertrauens an oberster Stelle der Prioritätenliste eines funktionierenden Dialogs. Darüber hinaus wurde aber auch die konkrete Form eines gemeinsamen Dialogs diskutiert. Denn der Fokus sollte weg von theologischen Debatten hin zu einem praktischen Dialog, der dem tatsächlichen Zusammenleben zwischen Christen und Muslimen dienen soll. Besonders die Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene wie Kindergärten oder Schulen standen hierbei im Fokus.
Es war sehr erfreulich, dass es bei allen Themen entweder zu einem Konsens oder zu der Bereitschaft der weiteren Erörterung gekommen ist. Letztendlich einigte man sich darauf, eine verbindliche Arbeitsstruktur zu schaffen. Bis zum nächsten Treffen im Juni 2013 hatte sich dann auch eine Arbeitsgemeinschaft aus Vertretern der EKD und des KRM gegründet. Diese soll zweimal jährlich tagen und hat die Aufgabe als Steuerungsgruppe die Spitzentreffen zwischen EKD und KRM inhaltlich vorzubereiten und Aufträge des Spitzentreffens auszuführen.
Eine erste wichtige Aufgabe nach dem zweiten Spitzentreffen zwischen EKD und KRM am 25. Juni 2013 ist es nun einen gemeinsamen Dialogratgeber zu verfassen. Darin sollen wichtige Grundlagen und Voraussetzungen des interreligiösen Dialogs zwischen Christen und Muslimen dargestellt werden. Das heißt konkret, dass die wichtigsten Aspekte für einen praktischen Dialog hier angesprochen werden sollen. Durch die gemeinsame Erarbeitung soll dann auch eine möglichst breite Akzeptanz und Anwendung unter Christen und Muslimen erzielt werden.
Es scheint als ob der Konflikt von 2007 überwunden ist. Die Vorbereitung auf das zweite Spitzentreffen 2013 wurde von Vertretern der EKD und des KRM gemeinsam unternommen und die Resonanz war auf beiden Seiten positiv. Bei distanzierter Betrachtung scheint eine gute Grundlage für eine vertrauensvolle Beziehung gegeben. Beide Dialogpartner hören einander zu, sind rücksichtsvoll und gehen auf einander ein.
Wagt man einen näheren Blick wird deutlich, dass noch sehr viel Unsicherheit und Misstrauen vorhanden ist. Während den Spitzentreffen tastet sich ein jeder vorsichtig vor und ist stets auf die Reaktion des anderen bedacht. Schließlich bleibt auf muslimischer Seite die Frage, ob ein weiterer Wechsel in der Führung der EKD, nicht auch einen Wechsel in der Handhabung des Dialogs mit den muslimischen Gemeinschaften bedeuten kann. Noch kennt man sich zu wenig und der Kennenlern-Prozess geht nur langsam von Jahr zu Jahr und von Spitzentreffen zu Spitzentreffen weiter. Die Erfahrungen der letzten Jahre speisen immer noch die Köpfe, gerade auch weil es keine eindeutige Distanzierung von der Handreichung von 2006 gegeben hat, die nach wie vor auf der Homepage der EKD zu finden ist.
Nichts desto trotz ist der institutionalisierte Dialog zwischen EKD und KRM wichtig und es wäre falsch, aufgrund der Fehler der Vergangenheit die heutigen Fortschritte herunter zu spielen. Denn nach nur zwei Treffen besteht nun eine Arbeitsstruktur zwischen der EKD und dem KRM, die sich nun bewehren muss. Mit der Etablierung fester Strukturen zwischen EKD und KRM ist zu hoffen, dass personelle Wechsel auf beiden Seiten die Ausrichtung und Haltung zum Dialog nicht mehr so leicht zum Kippen bringen kann. Zwar kann hier nur von den Anfängen gesprochen werden, allerdings sieht es inzwischen gut aus für den Dialog zwischen EKD und KRM.
Die Bedeutung dieses neu aufgeflammten Dialogs für unsere Gesellschaft ist nicht zu unterschätzen. Letztendlich kommen hier die Spitzenebenen der evangelischen Kirche und der islamischen Religionsgemeinschaften zusammen, die für tausende ihrer Mitglieder richtungsweisend sind. Gerade deshalb ist es wichtig, trotz Rückschlägen am Dialog fest zu halten. Denn Schweigen ist keine Alternative, wenn das Ziel eine friedliche Gesellschaft ist. Zwar kann nicht blind von neuem Vertrauen gesprochen werden, aber sehr wohl davon, dass eine Öffnung hin zu gemeinsamen Projekten und gemeinsamen Handeln getan wurde. Und nur die Zukunft kann zeigen, ob diese neuen Strukturen von Bestand sein werden und ob daraus eine Beziehung zwischen Christen und Muslimen auf der Spitzenebene erwachsen kann, die auf gegenseitigem Vertrauen basiert. Letzten Endes muss hierbei ein Stück weit Vertrauen gewagt werden und auch wenn man das aus der Erfahrung gelernte nicht vergessen darf, sollte auch diese Chance für eine gemeinsame Gesellschaft in Deutschland gegeben und genutzt werden.