Im zweiten Anlauf wieder gescheitert: Die Verfassung des Landes Schleswig-Holstein bleibt ohne Gottesbezug. Ob die Vertreter der Volksinitiative weitere Schritte einleiten, lassen sie noch offen.
Mehrmals muss Landtagspräsident Klaus Schlie abstimmen lassen. Schließlich lässt er Gegner und Befürworter sogar von ihren Plätzen im Rund der Landtagsbänke aufstehen, um die Stimmen genau zählen zu können. Dann steht es fest: Schleswig-Holstein wird keinen Gottesbezug in seine Landesverfassung aufnehmen. Denkbar knapp scheitert am Freitag im Parlament ein Vorschlag, den eine Gruppe von 29 Abgeordneten aller sechs Fraktionen eingebracht hatte. 45 Stimmen gibt es für den Antrag – 46 wären für die Zwei-Drittel-Mehrheit notwendig gewesen.
„Sehr bedauerlich“ sei diese Entscheidung, kommentiert der Hamburger Erzbischof Stefan Heße das Ergebnis. Er und der evangelische Bischof Gothart Magaard danken den Mitgliedern der Volksinitiative, die 2015 über 40.000 Unterschriften für einen Gottesbezug gesammelt hatte. Damit war der Landtag aufgefordert gewesen, sich erneut mit dem Thema zu befassen. Zuletzt hatte es im Herbst 2014 eine Abstimmung über die Präambel der Landesverfassung gegeben. Damals waren noch deutlich weniger Stimmen für eine Gottesformel abgegeben worden.
„Die Initiative hat ordentlich gearbeitet und viel bewirkt“, sagt Peter Harry Carstensen (CDU), ehemaliger Ministerpräsident von Schleswig-Holstein. Er ist Sprecher der Volksinitiative, die von den beiden christlichen Kirchen, der islamischen Religionsgemeinschaft Schura und den jüdischen Gemeinden im Land unterstützt wurde. Auch andere Unterstützer des Vorschlags loben die ausführliche Debatte. „Das ist ein Wert an sich“, so Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) nach der Abstimmung in der Lobby des Landeshauses. Auch er bedauert die knappe Niederlage, fügt aber hinzu: „Die Verfassung hat damit nicht an Wert verloren.“
Ob die Volksinitiative nun weitermacht? Der nächste Schritt wäre ein Volksbegehren, an dessen Ende dann ein Volksentscheid stünde. Carstensen lässt die Frage offen. „Wir werden das gemeinsam entscheiden“, sagt er der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) – und verweist darauf, dass eine erneute Unterschriftensammlung sich mit dem beginnenden Landtagswahlkampf überschneiden würde. Die Wahl steht im Mai 2017 an.
Die aus 29 Abgeordneten bestehende interfraktionelle Gruppe hatte die Formulierung vorgeschlagen, die Verfassung schöpfe „aus dem kulturellen, religiösen und humanistischen Erbe Europas und aus den Werten, die sich aus dem Glauben an Gott oder aus anderen Quellen ergeben“. Dies sei eine „Toleranzformel“, die vieles einschließe, meint der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Ralf Stegner. Auch der Oppositionsführer und bekennende Katholik Daniel Günther (CDU) lobt den Antrag. Seine Fraktion habe sich eine noch weitergehende Formulierung gewünscht, aber die gesamte Debatte und die Kompromissformel seien „etwas Großes, das Glanz auf das Parlament legt“. Seine Partei würde die Volksinitiative weiter unterstützen.
Die Formel des Gottesbezuges betont, dass Menschen fehlbar seien und es daher höhere und allgemeine Werte geben müsse. Doch dass eine solche Demutsformel „wie ein Amulett gegen Faschismus und Extremismus wirkt, daran fehlt mir der Glaube“, betont Burkhard Peters von den Grünen, der zu den Gegnern gehört: „Zu oft wurde der Name Gottes für schreckliche Dinge missbraucht.“
Aktuell gibt es in sieben Landesverfassungen und im Grundgesetz einen Bezug auf Gott, etwa mit der Formulierung „in Verantwortung vor Gott und den Menschen“. Die Väter und Mütter des Grundgesetzes wollten sich damit klar von den Verfassungen der NS-Zeit und der Weimarer Republik absetzen. Keinen Gottesbezug hat dagegen die EU-Verfassung. Einen Formulierungsvorschlag für die Schleswig-Holsteinische Präambel, der sich an der EU-Verfassung orientiert, hatte eine Gruppe von neun Abgeordneten um Lars Harms (SSW) eingereicht. Sie fand bei der Abstimmung nur wenige Unterstützer. (KNA, iQ)