Nachgefragt

„Entmystifizierung ist das beste Mittel gegen Angst“

Autoren schreiben hunderte Seiten. Doch was passiert, wenn sie ihr Buch auf seine Essenz herunterbrechen müssen? Unsere Serie „Nachgefragt“ liefert Antworten. Heute Armin Langer und sein Buch „Ein Jude in Neukölln“.

17
08
2016

IslamiQ: Wem würden Sie ihr Buch „Ein Jude in Neukölln“ gerne schenken und warum?

Armin Langer: Allen, die sich von der Panikmache gewisser Politiker und Medienmacher nicht beeinflussen lassen wollen und mit Fakten für ein friedliches Zusammenleben eintreten würden. Das Miteinander der unterschiedlichen religiösen und kulturellen Gemeinschaften funktioniert in der Bundesrepublik gut. Natürlich gibt es Herausforderungen, aber der Alarmismus ist dabei bestimmt nicht hilfreich – wir brauchen einen klaren Verstand und Beharrlichkeit.

IslamiQ: Warum ist die Thematik Ihres Buches im Lichte aktueller Debatten wichtig?

Langer:Spätestens dann, wenn CDU-Innenminister mit einem Burka-Verbot gegen islamistischen Terrorismus kämpfen wollen (noch dazu in einem Land, in dem es praktisch keine Burka-Trägerinnen gibt), sollte uns klar werden, dass die Debatte von Ressentiments gesteuert wird. Das Ziel meines Buches ist aufzuklären, um die Mythen über religiöse und kulturelle Minderheiten in der Bundesrepublik – besonders über Juden und Muslime – zu widerlegen. Entmystifizierung ist das beste Mittel gegen Angst.

Armin Langer, „Ein Jude in Neukölln – Mein Weg zum Miteinander der Religionen“, ISBN: 978-3-351-03659-1, Aufbau-Verlag

IslamiQ: „Beim Lesen guter Bücher wächst die Seele empor.“ Warum trifft dieses Zitat von Voltaire auf Ihr Buch zu?

Langer: Ich will Leute inspirieren – auch mit meinen autobiographischen Erzählungen –  damit sie sich aktiv in die Gesellschaft einbringen. Wir brauchen mehr Stimmen, die von der Langeweile des täglichen friedlichen Zusammenlebens erzählen. Nur so kann man Rassisten entgegenwirken, die Phantasmagorien über den Untergang des sogenannten Abendlandes verbreiten.

IslamiQ: Ihr Buch „Ein Jude in Neukölln“ in drei Wörtern zusammengefasst?

Langer: Yalla, engagiert euch!

IslamiQ: Eine spezielle Frage für Sie: Ihr Einsatz für den jüdisch-muslimischen Dialog lief nicht immer reibungslos- das haben Sie am eigenen Leib spüren müssen. Was spornte Sie an, trotz allem weiter zu machen?

Langer: Wir leben in einer Zeit, in der Rechtspopulisten mehrere EU-Länder regieren oder gute Chancen haben, Regierungen zu stellen. In der Bundesrepublik ist die Lage auch nicht viel besser: Rassismus ist salonfähig geworden, offen rassistisch agierende Bewegungen wie Pegida marschieren auf unseren Straßen, und mit der AfD zieht voraussichtlich 2017 eine rechtspopulistische Partei in den Bundestag ein. Engagement wird zur Pflicht aller Bürger, die nach einem friedlichen Zusammenleben streben.

Leserkommentare

Manuel sagt:
Wirkliche Faschisten sind in Deutschland auch nur eine sehr kleine Minderheit und trotzdem sind faschistische Symbole verboten, also warum soll bei islamistischen Symbolen hier ständig Ausnahmen gemacht werden, das würde mich mal interessieren.
17.08.16
14:36
Ute Fabel sagt:
Armin Langer scheint unter dem so genannten "interreligiösen Dialog" offenbar nur die blinde und bedingungslose Anbiederung selbst an zutiefst abstoßende religiöse Dogmen zu verstehen, wie das Totalverhüllunggebot für Frauen, über welches er seine schützende Hand breitet. Politiker hingegen, die gegen ein solches faschistoides Unsichtbarmachen von Frauen in der Öffentlichkeit eintreten und dieses bereits im Keim ersticken wollen, werden von ihm bedauerlicherweise als Populisten diffamiert. Das Vermummungsverbot in Frankreich wird auch von der Linken und der bürgerlichen Mitte getragen und das ist gut so. Die populistische Rechte darf kein Monopol bekommen, was den Kampf gegen irrationalen religiösen Dogmatismus betrifft.
18.08.16
8:50
Johannes Disch sagt:
@Ute Fabel Armin Langer versteht unter interreligiösem Dialog die Anbiederung an abstoßende religiöse Dogmen und hält schützend seine Hand über die Burka?? Das ist aus dem Text nicht ersichtlich. Armin Länger frägt nur, ob ein Burka-Verbot bei der Terrorismusbekämpfung Sinn machen würde. Und das kann man tatsächlich in Frage stellen. Kein einziger Terroranschlag der letzten Zeit wäre durch ein Burka-Verbot verhindert worden. Es gibt gute Argumente für ein Burka-Verbot. Es gibt aber viele dagegen. Es gibt bei uns in Deutschland kaum Burka-Trägerinnen. Und für viele Situationen gibt es bereits Gesetze, wo die Burka nicht zulässig ist oder wo sie abgelegt werden muss. Beispielsweise vor Gericht bei einer Aussage oder Zeugenbefragung. Und die Straßenverkehrsordnung schreibt beim Fahren ein freies Gesichtsfeld vor. Die Frage ist also: Lohnt der Aufwand für ein grundsätzliches Burka-Verbot? Wäre es praktisch überhaupt umsetzbar? Wäre es überhaupt machbar? Hätte es vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand? Und da gibt es erhebliche Zweifel, weshalb Innenminister de Maiziere auch nicht vorhat, so ein prinzipielles Verbot zu erlassen. Armin Langer will wenigstens einen interreligiösen Dialog führen. Sie aber scheinen genau zu wissen, wann eine Muslimin unterdrückt ist und wann nicht, und woran man das erkennt. Sie glauben, definieren zu können, wann eine Muslimin frei ist und wann nicht, und woran man diese Freiheit erkennen kann. lg Johannes Disch Vielleicht sollten Sie mal mit Musliminnen ins Gespräch kommen. Also einen "interreligiösen Dialog" mit Ihnen führen.
19.08.16
11:43
Manuel sagt:
@Johannes Disch: Symbole des Faschismus sind bei uns aus gutem Grund verboten, warum sollen also nicht auch Symbole des Islamismus verboten werden?
21.08.16
14:29
Johannes Disch sagt:
@Manuel Es wäre erst einmal zu klären, ob die Burka ein eindeutig islamistisches Symbol ist. Ich mag dieses Kleidungsstück auch nicht. Aber es wäre zu klären, ob es tatsächlich ein islamistisches Symbol ist. Und das ist keineswegs sicher. Es müssen hier verschiedene Rechtsgüter gegeneinander abgewogen werden. Zudem: Was soll der Aufwand, wo es doch in Deutschland kaum Burka-Trägerinnen gibt? Viele sagen "Burka", meinen aber den "Nikab" (Gesichtsschleier). Der kommt öfters vor. Aber auch nicht so häufig, dass er nun einen Bedrohung des Abendlandes wäre. Die Burka ist doch unter gewissen Umständen bereits verboten bzw. man muss sie ablegen. (In der Straßenverkehrsordnung, bei Zeugenaussagen und Vernehmungen vor Gericht). Warum sollte man daraus jetzt erneut eine Prinzipienfrage machen mit ungewissem Ausgang??? Die Politik hat sich mit ihren grundsätzlichen Verboten in den letzten Jahren vor Gericht doch mehr als nur eine Klatsche abgeholt (2015 erklärte das Bundesverfassungsgericht ein prinzipielles Kopftuchverbot für Lehrerinnen als mit unserer Verfassung unvereinbar, vor einigen Wochen vor einem Augsburger Gericht scheiterte das Kopftuchverbot für eine Referendarin, etc.). lg Johannes Disch
22.08.16
0:07
Manuel sagt:
@Johannes Disch: Ja weil das GG in einer Zeit geschrieben wurde, als der Islam in West-Europa praktisch nicht da war, da liegt das Problem.
24.08.16
11:39