Viele gläubige Musliminnen tragen ein Kopftuch. Auf der Straße müssen sie dafür Beleidigungen und Anfeindungen in Kauf nehmen. Auch in Hamburg werden sie nach Angaben betroffener Frauen beschimpft, bespuckt oder gar angegriffen.
Muslimische Frauen, die sich mit Kopftuch in der Öffentlichkeit bewegen, müssen auch in Hamburg vermehrt mit Beleidigungen und Übergriffen rechnen. Betroffene und eine Beratungsstelle sagten der Deutschen Presse-Agentur übereinstimmend, die Zahl der Anfeindungen habe zugenommen. „Viele Musliminnen fahren nur noch Auto, weil sie Angst haben im öffentlichen Nahverkehr“, sagte die Frauenbeauftragte der Schura Hamburg, Özlem Nas.
Eine 26-Jährige Konvertitin berichtete über einen Vorfall am U-Bahnhof Jungfernstieg. „Eine Frau kam von hinten, hat mich gepackt. Sie wollte mein Kopftuch runterreißen, aber sie hat auch meine Haare runtergerissen.“ Die junge Muslimin erlitt eine Art Schleudertrauma, die schmerzhafte Entzündung zwischen den Halswirbeln müsse sie noch mit Medikamenten behandeln. Am Jungfernstieg anwesende Polizisten nahmen eine Anzeige gegen die etwa 50 Jahre alte Angreiferin auf. Die Staatsanwaltschaft leitete ein Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung ein, wie Sprecherin Nana Frombach bestätigte.
Wie viele Verfahren dieser Art in Hamburg geführt werden, konnte die Oberstaatsanwältin nicht sagen. Die Ermittlungen würden wegen Beleidigung oder Körperverletzung geführt, das islamfeindliche Motiv der Tat werde nicht statistisch erfasst. Birte Weiß von der Beratungsstelle Amira für Opfer von Diskriminierung sagte auf die Frage nach einer möglichen Zunahme anti-islamischer Vorfälle: „Das ist etwas, was wir deutlich feststellen.“
Nach Angaben der Bundesregierung sank die Zahl der Anschläge auf Moscheen sowie tätlicher Übergriffe auf Muslime im ersten Halbjahr 2016 im Vergleich zu den sechs Monaten davor. Die Sicherheitsbehörden zählten von Januar bis Juni 2016 bundesweit 29 islamfeindliche Anschläge. Im zweiten Halbjahr 2015 waren es noch 44 Vorfälle. Das geht aus einer Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage der Linken-Fraktion hervor.
Für die 26-jährige Hamburger Konvertitin ist das Maß inzwischen voll. „Ich werde tagtäglich beleidigt. Mein Sohn wird beleidigt und angerempelt. Wir werden angespucktQ, sagte die Pädagogikstudentin unter Tränen. Ihr vierjähriger Sohn werde als „kleiner Kanake“ beschimpft und bekomme Sprüche zu hören wie: „Das Problemvolk vermehrt sich.“ Ein älterer gehbehinderter Mann habe sich im Dammtorbahnhof geweigert, zusammen mit ihr und dem Kind in einen Aufzug zu steigen. „Er ging lieber die Treppe hoch.“
Nas, die auch im Vorstand des Bündnisses der islamischen Gemeinden in Norddeutschland sitzt und in der Centrum-Moschee im Stadtteil St. Georg Fortbildungen für Lehrer macht, betonte, Frauen trügen das Kopftuch aus religiösen Gründen. Sie könnten es nicht einfach abnehmen. „Es hat nichts mit dem Ehemann zu tun, es geht um die Beziehung des Menschen zum Schöpfer“, erklärte Nas. Sie fügte hinzu: „Mit Kopftuch ist man nicht besser als ohne Kopftuch. Es gibt keinen Zwang im Islam.“
Auch die Frauenbeauftragte der mehr arabisch geprägten Al-Nour-Gemeinde, Olfa Elouardi, berichtete von Beleidigungen und „negativen Blicken“, die sie als Kopftuchträgerin häufig in der S-Bahn erdulden müsse. „Abends bin ich möglichst mit dem Auto unterwegs“, sagte sie. Angesichts der vielen Terroranschläge, über die das Fernsehen berichte, könne sie die Anfeindungen in gewisser Weise sogar verstehen. „Aber als Muslimin sage ich: Hier herrscht Religionsfreiheit.“ Elouardi wirbt für direkte Begegnungen. Die Feiern zum Fastenbrechen oder der Tag der offenen Moschee am 3. Oktober seien eine gute Gelegenheit, ins Gespräch zu kommen. (dpa, iQ)