Muslime in Deutschland heiraten religiös und standesamtlich – genauso wie Christen und nichtreligiöse Menschen. Rukiye Gül bietet einen Überblick zum Thema Ehe und Heirat aus muslimischer Perspektive.
In Deutschland sind Ehen grundsätzlich erst mit der Volljährigkeit erlaubt, jedoch in Ausnahmefällen auch schon mit 16 Jahren. Im Ausland geschlossene Ehen werden laut Gesetz in Deutschland anerkannt, auch wenn einer der Partner minderjährig ist. Nun möchte die Bundesregierung Ehen von minderjährigen grundsätzlich für ungültig erklären.
Staatliche und/oder religiöse Ehe?
In Deutschland wird neben der standesamtlichen Ehe je nach Religionsangehörigkeit meist auch eine zusätzliche religiöse Form der Eheschließung durchgeführt. Zum Beispiel entscheiden sich manche Christen dazu, auch kirchlich zu heiraten; andere Religionsangehörige wählen eine andere, besondere religiöse Form der Eheschließung.
Die kirchliche Trauung in Deutschland hat grundsätzlich keine rechtliche Wirkung und darf erst nach der standesamtlichen Eheschließung vorgenommen werden. Die Statistik besagt, dass bei beinahe einem Drittel der 380.000 jährlich in Deutschland geschlossenen Ehen anschließend auch eine religiöse bzw. kirchliche Trauung vollzogen wird. Unter Muslimen wird meist zuerst die religiöse Trauung vollzogen und im Anschluss daran die standesamtliche Ehe durchgeführt. Rechtlich verbindlich ist allein die standesamtliche Eheschließung – nur dann handelt es sich um eine gültige Ehe mit den gegenseitigen Rechten und Pflichten der Ehepartner, welche in den familienrechtlichen Bestimmungen vor allem im Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) geregelt sind.
Wieso eine religiöse Eheschließung?
Wieso eine zusätzliche religiöse Trauung vollzogen wird, hängt allein vom Glauben ab. Sie betont die bewusste Entscheidung für beispielsweise eine katholische oder muslimische Ehe mit den (Wert-)Vorstellungen, die mit dem jeweiligen religiösen Eheverständnis verbunden sind. Daher können diese zusätzlichen Zeremonien für die Ehepartner und ihre Angehörigen sehr wichtig sein. Dass in Deutschland Religionsfreiheit gilt und keine Eheinhalte vorgegeben werden, bietet Raum für eigene Werte und Vorstellungen, den die Ehepartner entsprechend ihrem eigenen religiösen oder weltanschaulichen Verständnis füllen können. Für Muslime hat die religiöse Trauung eine andere Dimension der Spiritualität: Sie wird als eine genuin islamisch-theologische Institution gesehen – ein Bündnis, dem Gott sein Wohlgefallen zugesichert hat.
Wie wird eine islamische Ehe geschlossen?
Was genau sind die islamrechtlichen Richtlinien bei einer religiösen Trauung und wie kommt sie zustande? Die Eheschließung zwischen einem Mann und einer Frau im Islam kommt nicht wie im Christentum als Sakrament zustande, sondern durch den Abschluss eines zivilrechtlichen/privatrechtlichen Vertrags, der in Deutschland ohne staatliche Mitwirkung geschlossen wird. Demzufolge ist es ein eher schlichter Akt und nur ein schriftlicher Vertrag, welcher durch Angebot des Mannes und Annahme der Frau bzw. durch die übereinstimmende Willenserklärung beider Ehepartner meistens vor einem religiösen Würdenträger zustande kommt.
Religiöser Würdenträger ist hier jeder, der in der Lage ist, den Vertag abzuschließen – es wird jedoch vornehmlich ein Imam aus der Moschee oder jemand mit guten islamischen Kenntnissen bevorzugt. Die Beteiligung eines religiösen Würdenträgers hat jedoch nur eine fakultative Funktion. Eine Person – ein religiöser Würdenträger oder ein Imam – muss für die Rechtsgültigkeit einer Eheschließung nicht notwendigerweise anwesend sein.
Im Ehevertrag wird die Höhe der Brautgabe festgehalten. Darüber hinaus gilt bezüglich der Eheschließung der Öffentlichkeitsgrundsatz, wonach die Ehe vor Zeugen geschlossen werden muss. Der Abschluss des Ehevertrages ist das eigentliche Element der Eheschließung und ausschlaggebend für das Gefühl religiös orientierter Muslime, verheiratet zu sein.
Heiratsalter?
Was das Heiratsalter betrifft, so hat ein Muslim, sobald er aus islamischer Sicht volljährig ist und als geistig gesund gilt, die Möglichkeit, eine volljährige, geistig gesunde Frau zu heiraten. Meist gilt das Mädchen ab dem siebzehnten und der Junge ab dem achtzehnten Lebensjahr als volljährig.
In den letzten Jahrzehnten aber hat sich in der Praxis das durchschnittliche Heiratsalter erhöht. Zu den Gründen zählen insbesondere das hohe Bildungsniveau sowie die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Untersuchungen belegen, dass das Alter der Frau bei der Eheschließung entsprechend dem Bildungsgrad steigt; z. B. heiratet eine ungebildete Frau durchschnittlich mit achtzehn, eine Frau mit einer Hochschulausbildung jedoch mit etwa sechsundzwanzig Jahren.