Frauen mit Kopftuch sind immer häufiger Diskriminierungen ausgesetzt – vor allem auf dem Arbeitsmarkt. Mitursächlich dafür sind laut Antidiskriminierungsstelle des Bundes die gesetzlichen Kopftuchverbote.
Vor genau zehn Jahren beschäftigte sich das Bundesverfassungsgericht mit der Frage, ob eine Lehrerin mit Kopftuch an einer Schule unterrichten darf. Das Urteil fiel eindeutig aus: Es gibt keine gesetzliche Grundlage, um Lehrerinnen das Unterrichten mit Kopftuch zu verbieten.
Noch heute sind die Auswirkungen dieses Richterspruchs zu beobachten. Mehrere Bundesländer (Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Bremen, Hessen und Nordrhein-Westfalen) erließen „Neutralitätsgesetze“ oder „Kopftuchverbote“ für Beamtinnen und Lehrerinnen. Doch die Gesetze entfalteten ihren Einfluss – wenn auch indirekt – nicht nur auf staatliche Bedienstete, sondern auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Gerade Frauen mit Kopftuch sehen sich heute im Alltag und in der Berufswelt immer wieder Anfeindungen, Diskriminierungen und Vorurteilen ausgesetzt.
Der aktuelle Bericht der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) belegt, dass Frauen mit Kopftuch stärker von Diskriminierung betroffen sind, als andere Gruppen. Frauen mit Kopftuch werden zum einen wegen ihres Geschlechts und zum Anderen wegen ihrer religiösen Entscheidung in der Arbeitswelt diskriminiert. Der Bericht hebt hervor, dass private Arbeitgeber Frauen mit Kopftuch auch deshalb diskriminieren, weil staatliche Stellen Kopftücher verbieten.
Die Antidiskriminierungsberatungsstellen beobachten „insgesamt eine Zunahme von Beratungsanfragen und Beschwerden von kopftuchtragenden Frauen im Hinblick auf den Arbeitsmarktzugang.“ Frauen mit Kopftuch werden nach Erfahrung der Beratungsstellen nahegelegt, „das Kopftuch abzulegen, um die Stelle antreten zu können.“ Dies deckt sich auch mit den „Erfahrungen von Musliminnen, die sich lange erfolglos bewarben, aber nach Ablegen des Kopftuchs einen Arbeitsplatz fanden.“
Benachteiligungen von Muslimen erfolgt laut ADS „zum Teil aufgrund rassistischer, antimuslimischer Ressentiments oder verbreiteter Stereotype.“ Als eine „Ursache für Diskriminierung von Personen mit islamischer Religionszugehörigkeit ist daher auch die negativ konnotierte Darstellung des Islam“ in den Medien zu sehen.
Heute diskutieren alle Religionsgemeinschaften über die Kopftuchverbote mit den Landesregierungen und unterstützen Betroffene. Das Thema taucht auch immer wieder in einem anderen Zusammenhang auf: Dem Islamischen Religionsunterricht. Da dieser bekenntnisorientiert erteilt werden muss, dürfen Religionslehrerinnen dabei auch das muslimische Kopftuch tragen. Dadurch ergibt sich eine Spannung – denn was im normalen Unterricht und oftmals auf Schulhöfen nicht erlaubt ist, ist plötzlich ok. Einige Landesregierungen sprechen mittlerweile über die Probleme und denken auch über eine Aufhebung der erlassenen Verbote nach.
Der Vorsitzende des Islamrates, Ali Kızılkaya erklärt gegenüber IslamiQ: „In der Tat gibt es eine Dauerdiskriminierung von muslimischen Frauen in der Gesellschaft. Kopftuchverbote kommen Berufsverboten gleich und Musliminnen bleibt so der Weg zu einigen Berufen gezielt verschlossen.“ Und Kızılkaya kritisiert scharf: „Das ist natürlich eine Schande für den Rechtsstaat, wenn Muslime anders als Angehörige anderer Religionsgemeinschaften behandelt werden.“
Dabei spielt der Islamratsvorsitzende auch auf Bundesländer an, die explizit nur das muslimische Kopftuch verboten haben, während andere religiöse Zeichen erlaubt blieben. „Das soll nicht bedeuten, dass alle religiösen Zeichen jetzt verboten sollen, sondern dass endlich das Tragen von religiösen Zeichen grundsätzlich erlaubt werden sollte. Der Rechtsstaat zeichnet sich durch seine Vielfalt aus und sollte diese Vielfalt als Bereicherung sehen und nicht als Bedrohung. Ausgrenzung von Muslimen bedeutet auch immer ein Integrationshindernis“, so Kızılkaya.
Es gibt nur wenige Statistiken über Diskriminierungen von Frauen mit Kopftuch. Das Netzwerk gegen Diskriminierung von Muslimen in Berlin ist ein solches Projekt und dokumentiert Fälle, in denen Musliminnen in Berlin diskriminiert wurden. Zwischen 2010 und 2012 wurden laut Mitarbeiterin Amine Taşdan 342 Fälle von Diskriminierungen in Berlin registriert. Allein im Jahr 2012 wurden in Berlin 69 Fälle gemeldet, davon 23 wegen einer Diskriminierung aufgrund des Merkmals Kopftuch.
Das Netzwerk hilft Betroffenen, dokumentiert die Fälle, führt Interviews und gibt ihre Daten auch weiter an die ADS. Sie kooperiert zudem für die Hilfe von Betroffenen auch mit dem Türkischen Bund in Berlin-Brandenburg. Diese begleitet Betroffene und gibt ihnen rechtliche Hilfe. Sollte es jedoch zu einer Klage kommen, müssen die Kosten für die Klage von den Betroffenen selbst aufgebracht werden.
Wie zermürbend so eine Klage sein kann, zeigt sich gleich an mehreren Beispielen. Zwar gewann Fereshta Ludin damals vor Gericht, aber hatte die schwerste Zeit ihres Lebens zu überstehen. Die Gewerkschaft für Lehrer hatte eine Unterstützung von Ludin abgelehnt. Nur der Islamrat und Zentralrat der Muslime in Deutschland standen ihr bei.
Ähnlich zermürbend verlief der Rechtsstreit auch für eine weitere Lehrerin. Sie resignierte kurz vor einem wichtigen Urteil und wanderte aus Deutschland aus, um in Österreich eine Anstellung zu erhalten und als Lehrerin mit Kopftuch unterrichten zu dürfen. Zwei weitere Klagen sind mittlerweile in Karlsruhe anhängig.
Die Verfahren werden aus der Sicht der Klägerinnen verschleppt. Sie müssen geduldig sein und über mehrere Instanzen und über viele Jahre hinweg ausharren, bevor es ein Urteil gibt.