Der Hamburger Staatsvertrag besteht seit 2013. Nun gibt es erstmals massive Kritik bis hin zur Forderung nach Annullierung der Vereinbarung.
Die FDP in der Hamburgischen Bürgerschaft fordert die Auflösung des Staatsvertrags der Stadt mit den islamischen Religionsgemeinschaften. Der Vorstoß, über den die Bürgerschaft am 18. Januar beraten soll, richtet sich insbesondere gegen die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (DITIB) und das Islamische Zentrum Hamburg.
„Die DITIB steht im begründeten Verdacht als verlängerter Arm des türkischen Geheimdienstes in Deutschland tätig zu sein und hat auf Initiative der türkischen Regierung im Dezember 2016 in Deutschland sogar Weihnachten und Silvester als Teile der westlichen Kultur verächtlich gemacht“, erklärte am Dienstag die FDP-Abgeordnete Anna von Treuenfels-Frowein.
Ein Sprecher des Senats sagte dazu: „Wir sehen derzeit keine Veranlassung, die Verträge auf den Prüfstand zu stellen oder neu zu verhandeln.“ Es gebe zu DITIB Gesprächsverbindungen, „die wir in der letzten Zeit auch genutzt haben.“
Der DITIB-Vorsitzende von Hamburg und Schleswig-Holstein, Sedat Şimşek, hatte ähnliche Vorwürfe der CDU-Bürgerschaftsfraktion vor wenigen Tagen „nicht nachvollziehbar“ zurückgewiesen. „Unser Verband ist geleitet von dem Gedanken des Miteinanders und des Füreinanders“, sagte Şimşek. „Gegenseitiger Respekt und Anerkennung sind unsere gemeinsamen Werte, die unserer Gesellschaft eine besondere Bereicherung verleihen.“
Zeichnungen „von vereinzelnden DITIB-Jugendgruppen in einigen sozialen Netzwerken“, auf denen ein muslimisch aussehender Mann einem Weihnachtsmann einen Faustschlag ins Gesicht versetzt, seien diffamierend, erklärte die DITIB auf ihrer Internetseite.
Das Islamische Zentrum Hamburg (IZH) soll sich nach FDP-Angaben regelmäßig an antiisraelischen Demonstrationen in Berlin beteiligen. Das schiitische Zentrum, das die Blaue Moschee an der Alster betreibt, ist Mitglied der SCHURA Hamburg, des Rates der Islamischen Gemeinschaften in Hamburg, und damit ebenfalls seit 2013 Vertragspartner der Staat.
„Hamburg kann und darf keine staatsvertraglichen Beziehungen mit Organisationen pflegen, die möglicherweise als verlängerter Arm des Geheimdienstes eines autokratischen Systems fungieren oder schlimme antisemitische Verirrungen pflegen“, sagte Treuenfels-Frowein dem „Hamburger Abendblatt“ (Dienstag). Die Mehrzahl der Liberalen hatte 2013 den Vertrag abgelehnt. Sie waren gegen Verträge des Staates mit Religionsgemeinschaften.
Als die Bürgerschaft im Juni 2013 den Vertrag absegnete, hatte ihn Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) von „Vereinbarungen auf Gegenseitigkeit“ gesprochen. Das gelte für den Respekt, den der Staat gegenüber den religiösen Überzeugungen seiner Bürger zu bieten hat. „Das gilt auch für den Respekt, den der Staat von all seinen Bürgerinnen und Bürgern – unabhängig von Religion oder Weltanschauung – erwarten darf: mit einem Bekenntnis zur Verfassung, zum Grundgesetz, zum Rechtsstaat, zu Gleichberechtigung und Diskriminierungsfreiheit.“
Vor vier Jahren unterzeichnete Hamburg als erstes Bundesland den Staatsvertrag mit Muslimen, auch in Bremen besteht er schon seit zwei Jahren. Welche Auswirkungen sie hatten, erklärte SCHURA-Vorstandsvorsitzender Norbert Müller in einem Gastbeitrag für IslamiQ. (dpa, iQ)