Das Bundesverfassungsgericht lehnt ein erneutes NPD-Verbot ab. Doch wie kam es überhaupt zu einem solchen Parteiverbotsverfahren, was waren die wesentlichen Entscheidungsgründe des BVerfG? Ein Gastbeitrag von Halit Baş.
Die rechtsextreme Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) wird nicht verboten. Das hat das BVerfG mit seinem Urteil vom 17.01.2017 (Az.: 2 BvB 1/13) einstimmig abgelehnt. Das Gericht stellte dabei fest, dass das politische Konzept der NPD gegen die Menschenwürde aus Art. 1 GG und das Demokratieprinzip verstoße und die NPD die freiheitlich demokratische Grundordnung beseitigen und einen an der ethnisch definierten „Volksgemeinschaft“ ausgerichteten autoritären Nationalstaat errichten will. Jedoch fehle es derzeit, an konkreten Anhaltspunkten von Gewicht, die es möglich erscheinen lassen, dass dieses Handeln zum Erfolg führe.
Doch wer ist die NPD, wie kam es zu einem solchen Parteiverbotsverfahren, was waren die wesentlichen Entscheidungsgründe des BVerfG und was sind die rechtspolitischen Folgen dieses Urteils?
Die NPD wurde 1964 gegründet und zog zwischen 1966 und 1968 mit 5,8 % und 9,8 % in die Landtage von Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein ein. Bei den Bundestagswahlen 1969 scheiterte sie jedoch mit 4,3% an der Fünf-Prozent-Hürde. In den darauffolgenden 35 Jahren hat sie bei Landtags- oder Bundestagswahlen kein Mandat mehr errungen. Erst 2004 konnte sie mit einem Wahlergebnis von 9,2 % in den sächsischen Landtag und 2006 mit einem Wahlergebnis von 7,3 % in den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern einziehen. Aufgrund des Wegfalls der Sperrklausel, konnte sie es 2014 mit einem Abgeordneten in das EU-Parlament einziehen. Zurzeit ist sie weder im Bundestag noch in den Landtagen vertreten.
2013 erreichte sie bei der Bundestagswahl einen Zweitstimmenanteil von 1,3%. Jedoch verfügt die NPD seit den Kommunalwahlen 2014 über 467 Mandate, vor allem in den neuen Ländern. Zumv31.Dezember 2013 betrug die Mitgliederzahl 5.048, wobei die Tendenz aufsteigend ist. Zudem verfügt die NPD über eine Jugendorganisation („Junge Nationaldemokraten“ (JN)), über eine bundesweite Interessenvertretung der kommunalen Mandatsträger („Kommunalpolitische Vereinigung der NPD“ (KPV)) und über die Unterorganisation „Ring Nationaler Frauen“ (RNF), die sich als „Sprachrohr und Ansprechpartner für alle nationalen Frauen, unabhängig von einer Parteimitgliedschaft“ versteht.
Einen ersten Versuch die NPD zu verbieten, gab es schon 2001. Damals hatten Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat gemeinsam einen Antrag auf Parteiverbotsverfahren gegen die NPD gestellt. Dieser wurde jedoch durch einen Beschluss des 2. Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 18. März 2003 eingestellt. Grund dafür war, dass eine Minderheit von drei Richtern, des aus insgesamt acht Richtern bestehenden Senats, der Auffassung war, dass infolge mangelnder Staatsfreiheit der NPD auf der Führungsebene sowie des zur Antragsbegründung ausgebreiteten Bildes der Partei ein nicht behebbares Hindernis für die Fortführung des Verfahrens bestehe.
Diese sog. mangelnde Staatsfreiheit resultierte daraus, dass ein Funktionär der NPD, dessen Äußerungen mehrfach zur Stützung der Verbotsanträge herangezogen worden waren, V-Mann eines Landesamts für Verfassungsschutz war. Und da die Fortführung des Verfahrens von einer Zustimmung von zwei Drittel der Richter abhing und diese Mehrheit aufgrund der Mindermeinung der drei Richter nicht gegeben war, kam es zur Einstellung des Verfahrens.
Spätestens nach dem NSU-Skandal beschloss der Bundesrat 2012 nahezu einstimmig, ohne die Bundesregierung und den Bundestag vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen, um einen erneuten Antrag auf Parteiverbotsverfahren gegen die NPD zu stellen. Dieses Mal hat der Bundesrat die Richter des Bundesverfassungsgerichts davon überzeugen können, dass alle V-Männer auf den Führungsebenen der NPD spätestens zum Zeitpunkt des Bekanntmachens der Absicht, einen Verbotsantrag zu stellen, abgeschaltet waren und eine informationsgewinnende Nachsorge unterblieben ist. Außerdem wurde die Prozessstrategie der NPD nicht mit nachrichtendienstlichen Mitteln ausgespäht, sodass weder ein Verstoß gegen das Gebot strikter Staatsfreiheit noch eine Verletzung des Grundsatzes des fairen Verfahrens zur Durchführung des Parteiverbotsverfahrens entgegenstanden.
Maßstab der Verfassungswidrigkeit einer Partei ist der Art. 21 II 1 GG. Danach sind Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, verfassungswidrig.
Das Gericht habe in seinem Urteil zunächst einmal festgestellt, dass das politische Konzept der NPD auf Beseitigung der freiheitlich demokratischen Grundordnung gerichtet sei. Dies werde im Urteil an drei Punkten festgemacht. Zum einen verletzt der von der NPD vertretene Volksbegriff die Menschenwürde aus Art. 1 GG, weil dieser Volksbegriff die elementarer Rechtsgleichheit für alle, die nicht der ethnisch definierten „Volksgemeinschaft“ in ihrem Sinne angehören, verweigere und somit auf eine Ausgrenzung von gesellschaftlichen Gruppen wie z.B. Ausländern, Migranten etc. abziele. Des Weiteren verstöße die Forderung der NPD das bestehende System abzuschaffen und es durch einen am Prinzip der „Volksgemeinschaft“ orientierten Nationalstaat zu ersetzen gegen das Demokratieprinzip, weil in einem solchen Nationalstaat für ethnisch Nichtdeutsche keine Beteiligungsmöglichkeit an der politischen Willensbildung vorhanden ist. Schließlich weist der Senat des Bundesverfassungsgerichts auch daraufhin, dass Konzepte der NPD wie z.B. das der „Volksgemeinschaft“ deutliche Parallelen zum Nationalsozialismus erkennen lassen und die NPD deshalb eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus aufweise.
Trotz dieser Feststellungen ist das Bundesverfassungsgericht der Auffassung, dass einem Parteiverbot die Nichterfüllung des Tatbestandsmerkmals des „Darauf Ausgehens“ im Sinne von Art. 21 II 1 GG entgegensteht. Unter „Ausgehen“ verstehe das Bundesverfassungsgericht nicht ein Gesinnungs- oder Weltanschauungsverbot. Vielmehr gehe es darum, dass sich eine Partei aktiv und planvoll zur Verwirklichung ihrer verfassungswidrigen Ziele einsetze.
Abweichend von der Definition im KPD-Urteil (BVerfGE 5, 85 (143)) müssten konkrete Anhaltspunkte von Gewicht vorliegen, die es zumindest möglich erscheinen lassen, dass das Handeln der Partei erfolgreich sein kann (Potentialität). Zwar bekenne sich die NPD zu ihren verfassungswidrigen Zielen und arbeite auch planvoll auf deren Verwirklichung hin, jedoch fehle es an konkreten Anhaltspunkten von Gewicht, die eine Durchsetzung der von ihr verfolgten verfassungsfeindlichen Ziele möglich erscheinen lassen. Denn weder stehe eine Durchsetzung dieser Ziele im Rahmen der Beteiligung am Prozess der politischen Willensbildung in Aussicht, noch sei der Versuch einer Erreichung dieser Ziele durch eine der NPD zurechenbare Beeinträchtigung der Freiheit der politischen Willensbildung in hinreichendem Umfang feststellbar.