Auf Friedhöfen in Baden-Württemberg gibt es immer mehr muslimische Grabfelder. Anders als früher lassen sich viele Muslime heute in der neuen Heimat beerdigen. Wegen der unterschiedlichen Rituale müssen Kommunen und muslimische Verbände Kompromisse eingehen.
Nach wie vor wollen viele muslimische Einwanderer in ihren Herkunftsländern beigesetzt werden – gleichwohl steigt die Zahl derer, die sich in der neuen Heimat in Deutschland bestatten lassen. Wie Abdassamad El-Yazidi vom Zentralrat der Muslime (ZMD) sagte, zeigt sich in Baden-Württemberg ein ähnliches Bild wie in der gesamten Republik: „Wir haben zwar keine konkreten Zahlen, aber wir schätzen, dass sich mittlerweile mehr als die Hälfte der Muslime in Deutschland beerdigen lassen wollen.“
Der Sohn marokkanischer Eltern ist Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Hessen; kommissarisch kümmert er sich außerdem um das benachbarte Baden-Württemberg, wo es noch kein entsprechendes Pendant gibt. „Anders als die erste Generation der Muslime identifizieren sich ihre Nachkommen mit Deutschland“, sagte der Funktionär. Noch im Jahr 2000 seien muslimische Beerdigungen auch in Baden-Württemberg eine Ausnahme gewesen.
Das zeigt sich in Stuttgart. Auf dem Hauptfriedhof gibt es seit 1986 ein muslimisches Gräberfeld. Nach Angaben von Harald Aust, Leiter der Abteilung Friedhöfe und Bestattungen, sind dort aktuell etwa 650 Menschen bestattet. Während es in den ersten Jahren eine geringe Nachfrage gab – etwa 10 bis 20 Beerdigungen im Jahr – seien die Zahlen in der aktuellen Dekade auf etwa 40 Bestattungen im Jahr gestiegen. Langfristig sei davon auszugehen, dass mehr Menschen muslimischen Glaubens in Stuttgart zu Grabe getragen werden.
Auch in kleinen Städten, etwa in Mosbach, rechnet man damit, dass künftig mehr Begräbnisse nach islamischem Ritus abgehalten werden. So gibt es seit 2006 auf dem Hauptfriedhof eine entsprechende Fläche mit momentan sieben Gräbern, Platz gibt es für 30 Grabstätten. „Erweiterungsflächen sind bei Bedarf in der Zukunft bereits eingeplant“, sagte Rathaussprecherin Meike Wendt.
Auf dem Hauptfriedhof in Mannheim gibt es seit den 1980er-Jahren ein Gräberfeld für Muslime. Seit 2014 bietet die Stadt, in der etwa 30 000 Muslime leben, eine weitere Fläche für rituelle Bestattungen. Wie Andreas Adam, Betriebsleiter für die Friedhöfe, sagte, dauerte es etwa 30 Jahre, bis das erste Feld mit 150 Gräbern belegt war. Auf der neuen Fläche seien seit 2014 schon etwa 60 neue Gräber entstanden. Die meisten seien belegt, andere reserviert, sagte er.
„Ein guter Kontakt zu den muslimischen Gemeinden ist sehr wichtig“, sagte Adam. Weil es im Islam etwa nicht vorgesehen ist, dass ein Grab irgendwann abgeräumt wird – wie in Deutschland üblich – bietet die Stadt Mannheim nun auch Gräber für eine Dauer von 50 anstatt der üblichen 15 Jahre an. Ein solches Grab kostet 3000 Euro, die Pacht für einen Standardplatz beträgt 800 Euro.
„50 Jahre sind zwar keine Ewigkeit, aber für die Menschen ist das ein akzeptabler Weg“, sagte Adam. Auch in anderen Bereichen ist Feingefühl gefragt. Wie der Betriebsleiter sagte, ist in Baden-Württemberg zwar seit 2014 eine Bestattung ohne Sarg erlaubt, gleichwohl dürfe der Leichnam nicht ohne Sarg an die Grabstelle getragen werden. Erfahrene Bestatter müssten daher den in ein Leintuch gehüllten Toten aus dem Sarg nehmen und pietätvoll in das Grab legen. Auch die Wartezeit sei ein Thema. Die meisten Muslime akzeptierten es aber, wenn der Leichnam aus unterschiedlichen Gründen nicht innerhalb von 24 Stunden bestattet werden kann. „Beide Seiten müssen Kompromisse eingehen“, sagte Adam.
„Viele kommunale Friedhofsverwaltungen sind inzwischen mit den muslimischen Bestattungsritualen hinreichend vertraut“, sagte Rüdiger Homberg, Sprecher der Stadt Karlsruhe. Das trage letztlich auch dazu bei, dass die Zahl der muslimischen Bestattungen zunehmen werde. Nach Angaben der Stadt wurde das alte Gräberfeld im vergangenen Jahr erweitert und bietet nun für etwa 150 Gestorbene eine letzte Ruhestätte. (dpa, iQ)