Die Gemeinschaft mit Muslimen ist längst reibungsloser Alltag in der gelebten Schulpraxis. Einen Leitfaden mit Empfehlungen zum Islamischen Religionsunterricht hat das Bildungsministerium nach sechs Jahren jetzt aktualisiert.
Im Parteienstreit schlagen die Wellen hoch, wenn es um islamischen Religionsunterricht an den Schulen geht – in der gelebten Praxis geht es meist viel entspannter zu. „Wir hören vor Ort, dass es keine Probleme gibt, dass alles gut funktioniert“, sagt Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD). „Deswegen wollen wir das auch ausbauen.“ Einen von der CDU wiederholt kritisierten Leitfaden mit Empfehlungen zum Schulalltag mit muslimischen Kindern und Jugendlichen hat das Ministerium nunmehr nach sechs Jahren neu aufgelegt.
Von den mehr als 415 000 Schülern an allgemeinbildenden Schulen in Rheinland-Pfalz sind im laufenden Schuljahr 9,6 Prozent Muslime. Von diesen 39 900 Kindern und Jugendlichen erhalten zurzeit rund 1700 islamischen Religionsunterricht, 300 mehr als im vergangenen Schuljahr.
Das Ministerium hält es für wünschenswert, dass dies weiter voran geht. „Dazu muss es das Interesse vor Ort geben. Wenn Eltern dies für ihre Kinder wünschen, prüft die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD), wie der Unterricht vor Ort ermöglicht werden kann.“ Dazu wird meist mit Elternvereinen vor Ort gesprochen. Die DITIB ist nach Angaben Hubigs kein Ansprechpartner bei der Aufnahme von islamischem Religionsuntericht.
Die DITIB war bislang ein Partner bei den von der Staatskanzlei initiierten Verhandlungen des Landes über einen Vertrag zur freien Religionsausübung und zu islamischem Religionsunterricht. Diese sind seit dem Sommer unterbrochen – nachdem die innenpolitische Lage in der Türkei nach dem gescheiterten Militärputsch vom Juli eskaliert war. Jetzt sollen zunächst weitere Gutachten zu DITIB und drei weiteren islamischen Gemeinschaften abgewartet werden – sie sollen voraussichtlich Mitte dieses Jahres vorliegen.
Die Lehrer, die islamischen Religionsunterricht geben, sind oft schon lange im Schuldienst des Landes; die meisten haben eine zusätzliche Fortbildung am Institut für Islamische Theologie der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe absolviert. Der Unterricht findet immer auf Deutsch statt, es ist ein normales und auch versetzungsrelevantes Unterrichtsfach. Insgesamt wurden nach Angaben des Bildungsministeriums bisher 28 Lehrkräfte für islamischen Religionsunterricht ausgebildet. Vor einer Klasse mit muslimischen Schülern stehen zurzeit 13 Lehrer in Ludwigshafen, Worms, Alzey und Mainz. An vier Grundschulen wird auch alevitischer Religionsunterricht erteilt.
Damit ist der islamische Religionsunterricht in Rheinland-Pfalz weit über den Stand des ersten Modellprojekts von 2004 im Ludwigshafener Stadtteil Pfingstweide hinaus gewachsen. Auch die beiden Lehrpläne für die Grundschule und die Sekundarstufe I hätten sich bewährt, sagt Ministerin Hubig: „Damit lässt sich gut arbeiten.“
Beim Lehrerverband VBE wird diese Einschätzung geteilt. „Wir hören nichts anderes, als dass es gut läuft und dass alle bemüht sind“, sagt der Landesgeschäftsführer des Verbands Bildung und Erziehung (VBE), Hjalmar Brandt, zum islamischen Religionsunterricht.
Das 2011 vorgelegte Faltblatt mit Empfehlungen zum Schulalltag mit muslimischen Kindern und Jugendlichen liegt nun in einer aktualisierten Fassung vor. Gestrichen ist der Vorschlag, bei Klassenfahrten auch „ältere Geschwister als Begleitpersonen mitfahren“ zu lassen – hier wurde kritisiert, dass Mädchen so an die Kandare eines älteren Bruders genommen werden könnten.
Den Burkini im Schwimmunterricht lehnt Oppositionsführerin Julia Klöckner als Verhüllung ab. Der Burkini taucht auch im neu gefassten Faltblatt weiter auf, wobei die neuere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vom 11.9.2013) und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (vom 10.1.2017) mit angeführt wird. Sport- und Schwimmunterricht sollte dem Lehrplan entsprechend möglichst nach Geschlechtern getrennt angeboten werden. „Außerdem können muslimische Mädchen auch auf speziell angefertigte Sport- oder Schwimmbekleidung wie zum Beispiel den Burkini verwiesen werden.“
„Uns ist es wichtig, dass die Mädchen nicht aus der Klassengemeinschaft ausgeschlossen werden und rausfallen“, erklärt Ministerin Hubig, die sich auch als Juristin mit Grundrechtsfragen beschäftigt. Dies wäre sonst die Konsequenz bei Kindern aus streng religiösen Familien. 2Wir wollen gleichzeitig auf der einen Seite dem schulischen Auftrag und dem Integrationsauftrag gerecht werden und auf der anderen Seite das Grundrecht auf freie Religionsausübung achten.“ (dpa, iQ)