Mit den Jahren werden islamische Bestattungen in Deutschland immer zahlreicher. Doch müssen die unterschiedlichen Bestattungskulturen dabei zusammenfinden. Ohlsdorf in Hamburg verfügt über das zweitälteste muslimische Gräberfeld.
Immer mehr Muslime lassen sich in Hamburg bestatten. Die Zahl der Beisetzungen auf den beiden großen Friedhöfen Ohlsdorf und Öjendorf stieg von 65 im Jahr 1995 fast kontinuierlich auf 323 im vergangenen Jahr. Wie aus der Statistik der Friedhöfe weiter hervorgeht, nimmt auch die Zahl der Begräbnisse ohne Sarg zu. Diese im Islam übliche Bestattungsart ist in Hamburg seit 1998 erlaubt. Im selben Jahr gab es neun Beerdigungen dieser Art. Im vergangenen Jahr waren es 127 und damit mehr als ein Drittel aller Begräbnisse auf den muslimischen Grabflächen. Mit gut dreimal so vielen Beerdigungen ist Öjendorf bei Muslimen deutlich beliebter als Ohlsdorf.
Muslime können in Hamburg auch auf anderen Friedhöfen bestattet werden. Die Zahlen der unter Aufsicht der Bezirke stehenden Friedhöfe werden aber nicht zentral erfasst. Ohlsdorf verfügt über das zweitälteste muslimische Gräberfeld in Deutschland. Es wurde im Jahr 1941 von Hamburger Kaufleuten iranischer Herkunft gekauft.
Anlass war der Tod des Großhandelskaufmanns Abbasali Pyrchard. Der Leichnam habe wegen des Krieges nicht wie üblich in das Heimatland gebracht werden können, erklärte der Geologe Firouz Vladi (68), dessen Vater Hassan Vladi zu den Käufern des Gräberfelds gehörte. Die damalige Iranisch-Mohammedanische Gemeinde erwarb für 15 300 Reichsmark 120 Grabstätten in Ohlsdorf. Mit den Nazi-Behörden habe es dabei keine Schwierigkeiten gegeben, denn nach der NS-Ideologie galten Iraner als „Arier“.
Nach dem Krieg sei das iranische Generalkonsulat für die Friedhofsverwaltung zuständig gewesen, sagte Vladi. Aus ganz Deutschland seien Muslime in Hamburg bestattet worden. Die 120 Grabstellen seien bald belegt gewesen, denn die Hinterbliebenen hätten nichts bezahlen müssen. Heute gebe es 144 Gräber auf diesem Feld, das aber nicht mehr erweiterbar sei. Seit vergangenem Jahr kümmert sich ein von Vladi gegründeter Verein um die Grabpflege.
Die deutschen Bestattungs- und Friedhofsregeln sind mit dem Islam in einigen Punkten nicht vereinbar. Gläubige Muslime lehnen die Feuerbestattung ab. Der Tote muss möglichst bald und in Leinentüchern beigesetzt werden. Wichtig sei, dass die Erde „jungfräulich“ ist, sagte der Sprecher der Hamburger Friedhöfe, Lutz Rehkopf. Der Boden dürfe nicht durch „Ungläubige“ verunreinigt sein. Tote müssten außerdem bis zum Jüngsten Tag ruhen können. Unter Muslimen sei allerdings eine Wiederbelegung des Grabes möglich, wenn die Überreste des Verstorbenen vollständig verschwunden seien, sagte Vladi.
Aus diesem Grund können Nachkommen der Toten auf dem historischen Gräberfeld in Ohlsdorf noch bestattet werden. Für andere Muslime gibt es in Ohlsdorf und Öjendorf neue Gräberfelder. Dass die Zahl der Bestattungen dort pro Jahr um etwa fünf Prozent steigt, hat mit der zunehmenden Verwurzelung der Einwanderer in Deutschland zu tun. Traditionell zahlten vor allem Türken in Sterbekassen bei den Moscheevereinen ein, die nach dem Tod die Überführung in die Türkei organisierten, erklärte Vladi. Die dritte oder vierte Generation der Einwanderer lasse ihre Verstorbenen nun auch in Deutschland begraben.
Für die Friedhöfe ist der neue Trend ein Gewinn. Sie hätten über Bedarf Land gekauft, dass jetzt wegen der vielen Urnenbestattungen nicht genutzt werde, sagte Vladi. Für die muslimischen Gräber gibt es genug Platz. „Die Friedhöfe freuen sich über die Entwicklung.“ Rehkopf beobachtet mit Interesse, wie Muslime bei der Grabpflege und der Gestaltung des Steins nordeuropäische Bräuche übernehmen. (dpa, iQ)