Die DITIB beschäftigt die deutsche Politik schon seit mehreren Wochen. Während das Bundesinnenministerium an der DITIB festhält, setzen Bundesländer Gespräche aus. Religionsvertreter kritisieren diesen Schritt.
Die Zusammenarbeit staatlicher Stellen in Deutschland mit der islamischen Religionsgemeinschaft DITIB steht auf dem Prüfstand. Der Sprecher des Bundesinnenministeriums sprach von DITIB als dem „mit Abstand größten Zusammenschluss von Moscheegemeinden in Deutschland“. Deshalb sei es „gerade in der derzeitigen Situation notwendig, im Gespräch zu bleiben“.
Das Bundesinnenministerium forderte die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (DITIB) auf, den gegen sie erhobenen Vorwurf der Bespitzelung und Denunziation aufzuklären. Man erwarte, dass sich der Verband „an der Aufklärung der Vorwürfe konstruktiv beteiligt und für Transparenz sorgt“, sagte ein Ministeriumssprecher dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Niedersachsen bricht die stockenden Gespräche über einen Staatsvertrag mit den Muslimen angesichts wachsender Kritik an der islamischen Religionsgemeinschaft DITIB vorerst ab. „Die Niedersächsische Landesregierung und die muslimischen Verbände nehmen mit Bedauern zur Kenntnis, dass sich die Rahmenbedingungen für die in Aussicht genommene Vereinbarung in den vergangenen beiden Jahren deutlich verschlechtert haben“, erklärte Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) am Freitag.
Die Verhandlungen über einen Staatsvertrag werden nun erst nach der Landtagswahl Anfang 2018 fortgesetzt, um zu vermeiden, dass sie zu einem Wahlkampfthema werden. Knackpunkt vor einem Neustart sei die Frage der Unabhängigkeit der DITIB von der Türkei, die intern geklärt werden müsse, hieß es in der Staatskanzlei.
Der DITIB-Landesvorsitzende Yılmaz Kılıç nannte die Entscheidung „enttäuschend und frustrierend“. Die Kritik an seinem Landesverband bezeichnete er als vorgeschoben. Mehrere Gutachten hätten DITIB in Niedersachsen eine vorbildliche Arbeit bescheinigt. Der Vorsitzende des Landesverbandes der Muslime (Schura), Recep Bilgen, kritisierte, an der Basis werde die Absage als Verweigerung von Anerkennung und Wertschätzung aufgefasst.
Auch gibt es erstmals massive Kritik an dem, seit 2013 bestehenden, Staatsvertrag in Hamburg. Die FDP in der Hamburgischen Bürgerschaft fordert die Auflösung des Staatsvertrags der Stadt mit den islamischen Religionsgemeinschaften
Obwohl die NRW-Regierung noch vor kurzem die weitere Zusammenarbeit mit der DITIB verkündete, will NRW-Integrationsminister Rainer Schmeltzer (SPD) die Zusammenarbeit mit der DITIB im Beirat für den islamischen Religionsunterricht vorerst aussetzen. Er reagiere damit auf die vermeintliche Bespitzelung von fünf Lehrern an allgemeinbildenden Schulen aus NRW. Diese seien von Predigern des Moscheeverbands als Anhänger der Gülen-Bewegung diffamiert und an die türkische Religionsbehörde Diyanet nach Ankara gemeldet worden.
In der SPD-Landtagsfraktion, so die Zeitung weiter, hatte es vorab großen Unmut über die Haltung von NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) gegeben, weil diese zunächst die Ermittlungen des Generalbundesanwalts in der Spionageaffäre abwarten wolle. Einen Koalitionsstreit mit den Grünen wolle man zwar vermeiden, heiße es aus SPD-Koalitionskreisen. Aber man müsse jetzt eine Lösung finden. Es sei zudem deutlich geworden, dass auch Innenminister Ralf Jäger (SPD) auf Distanz gehe.
Die DITIB bemühte sich bei der NRW-Landesregierung um die Körperschaft des Öffentlichen Rechts. Deshalb hat Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) unter anderem zur Staatsferne des umstrittenen Dachverbandes ein unabhängiges Gutachten in Auftrag gegeben. Dieses „religionswissenschaftliche Gutachten“ solle Ende 2017 vorliegen, erklärte ein Sprecher der Staatskanzlei.
In einem Interview plädierte Thomas Sternberg, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) dafür, den Dialog mit DITIB einstweilen fortzusetzen und nicht den gesamten Verband in Verruf zu bringen. Zugleich forderte er eine rasche und umfassende Aufklärung aller Vorwürfe. Wenn sich dabei aber herausstellen sollte, dass DITIB es nicht schaffe, unabhängiger von der Türkei zu werden, werde sich „die gesamte Dialogarbeit mit den Verbänden neu orientieren und sortieren müssen.“
„Die Aussetzungen der Gespräche über Staatsverträge mit den islamischen Religionsgemeinschaften richten großen Schaden an. Die Debatte ist geprägt von einer sehr kurzsichtigen Politik“, erklärt Bekir Altaş, Generalsekretär der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG), anlässlich der Entwicklungen in den Bundesländern um Staatsverträge mit den islamischen Religionsgemeinschaften.
Muslime in Deutschland haben bis dato ganz ohne ‚Staatsverträge‘ für eine organisierte und flächendeckende religiöse Grundversorgung aller Muslime in Deutschland gesorgt. „Die Frage im Kontext der aktuellen Entwicklungen um die Staatsverträge ist, ob Muslime diese Aufgaben auch in Zukunft komplett in Eigenregie durchführen werden oder ob eine konstruktive Zusammenarbeit mit dem Staat möglich sein wird“, so Altaş weiter. In Staatsverträgen gehe darum, dass der Staat signalisiert, dass er sie in ihrem Vorhaben, ein muslimisches Leben in Deutschland zu ermöglichen und zu etablieren, unterstützt.
Für Unverständnis auf Seiten der Muslime sorgen ebenfalls die Begründungen für die aktuellen Aussetzungen. Sofern es Vorwürfe gegenüber einzelnen Religionsgemeinschaften gebe, gehe das, was bisher bekannt sei, nicht über wenige Einzelfälle hinaus, die bereits Gegenstand laufender Ermittlungen seien. „Allerdings ist es beispiellos, gleich eine komplette Religionsgemeinschaft und sogar mehrere islamische Religionsgemeinschaften samt ihren Mitgliedern in Sippenhaft zu nehmen für mutmaßliche Taten Einzelner. Diese unzulässige Pauschalisierung muss aufhören, was wir brauchen ist eine vorausschauende und verantwortungsvolle Politik“, kritisiert Bekir Altaş weiter. (KNA, dpa, iQ)