Kassel

Muslimische Notfallbegleiter ausgebildet

In Notfallsituationen vertrauen Menschen eher auf Bekanntes – sei es die Sprache, die Kultur oder die Religion. In Kassel wurden deshalb Muslime zu Notfallbegleitern ausgebildet. Sie sollen den Betroffenen in schweren Stunden zur Seite stehen.

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02
2017
Hilfe
Notfallseelsorge in Kassel © by Maik Meid auf Flickr (CC BY-SA 2.0), bearbeitet islamiQ

Stirbt ein Kind oder gibt es einen Selbstmord in der Familie, kommen Notfallbegleiter und unterstützen die Betroffenen. In Kassel sind nun 14 Muslime für die Aufgabe qualifiziert worden. Sie können die etablierten Dienste unterstützen, um insbesondere andere Muslime nach traumatischen Ereignissen zu betreuen. Die 14 Notfallbegleiter kommen alle aus Kassel, ihre Wurzeln haben sie in Albanien, Ägypten, Kosovo, Somalia, Tunesien, Türkei, Marokko und Mazedonien.

„Ich habe Lebenserfahrung, deshalb ist es für mich sinnvoll, das weiterzugeben“, sagt Sümeyra Koc. „Ich bin in Kassel aufgewachsen, ich möchte etwas zurückgeben“. Die Familientherapeutin und -beraterin hat den Kurs abgeschlossen und wartet nun auf ihren ersten Einsatz. Sinnvoll sei eine muslimische Notfallbegleitung vor allem wegen der Sprache, sagt sie. So werde schneller Vertrauen gefasst. Zu deutschstämmigen Christen gebe es auch kulturelle und religiöse Barrieren. „Da ich die richtigen Zeremonien kenne, kann ich empathisch auf die Menschen zugehen. Jede Kultur bringt den Trauerschmerz anders zum Ausdruck. Das Leid hat eine andere Farbe“, sagt Koc.

„Das ist ein großartiges Projekt“, sagt der in Somalia geborene Vorarbeiter Ali Abokar, der seit 15 Jahren in Deutschland lebt. «Ich mag es, anderen zu helfen.»

Pfarrerin Sabine Kresse ist als Kirchenkreisbeauftragte für Notfallseelsorge im Stadtkirchenkreis Kassel seit Jahren in der Notfallbegleitung und Krisenintervention tätig und hat das Projekt mit durchgeführt. „Inhalte waren psychosoziale Notfallversorgung, Einsatzszenarien oder Gesprächsführung“, erzählt sie. Im Kurs sei auch ein Imam gewesen, der muslimische Theologie vermittelt habe. „Wir wurden vermehrt zu muslimischen Familien gerufen und haben überlegt, wie man sie bestmöglich unterstützen kann“.

„Das Leiden steht im Vordergrund“

Die Notfallbegleitung hat eine Sieben-Tage-Bereitschaft und wird als Teil der Rettungskette von der Rettungsleitstelle mit alarmiert. Das passiere etwa zwei bis drei Mal pro Woche, sagt Kresse. Die muslimischen Notfallbegleiter werden nun im Bedarfsfall hinzugerufen.

Auch in anderen Kommunen gibt es nach Auskunft der Stadt muslimische Notfallbegleiter. In Kassel allerdings seien alle Beteiligten eingebunden worden. „Das ist einmalig“, sagt die städtische Integrationsbeauftragte Katrin Rottkamp. Koordiniert wurde die Fortbildung vom städtischen Zukunftsbüro, finanziert vom Arbeitskreis der Muslimischen Gemeinden in Kassel. An dem Konzept waren auch die Evangelische Landeskirche, das Polizeipräsidium Nordhessen und das Deutsche Rote Kreuz beteiligt.

Es sei die Pflicht eines jeden Muslims, Menschen zu helfen, ob gläubig oder ungläubig, sagt Bekir Kizilkaya vom Arbeitskreis der Muslimischen Gemeinden. Er habe in dem Kurs gelernt, dass man die Menschen in Notfällen nicht mit Religiösem konfrontierten solle. Die Religion sei zwar ein Bindeglied zwischen dem Notfallhelfer und dem Betroffenen, aber: „Das Leiden steht im Vordergrund“.

Die Stadt hat das Projekt mit ihren Partnern allein auf die Beine gestellt. Das hessische Integrationsministerium fördere die muslimischen Notfallbegleiter nicht, teilte eine Sprecherin mit. Es handele sich um ein länderübergreifendes Projekt der christlich-islamischen Gesellschaft. (dpa, iQ)

Leserkommentare

Ute Fabel sagt:
Nicht alle Österreicher gehen auf Fronleichnamsprozessionen, nicht alle Österreicher und Deutschen bewältigen den Verlust naher Anhöriger durch das Besuchen einer Totenmesse oder Rosenkranzbeten. Ich halte es für eine große religiöse Arroganz, wenn relgiöse Rituale einer Religionsgemeinschaft gleichgesetzt werden sollen mit der "Kultur" ganzer Staaten und Sprachräume. In Albanien, Ägypten und dem Kosovo leben auch Atheisten, Agnostiker, praktizierende Moslems und Christen und solche, die es nur auf dem Papier sind, weil sie in diese Religionsgemeinschaften im Frühkindalter, als sie noch religionsunmündig waren, aufgenommen wurden.
13.02.17
14:51
www sagt:
Aber die begleiter werden doch nur Bei Bedarf hinzugezogen - somit erübrigt sich Ihr Kommentar.
15.02.17
14:29
Ute Fabel sagt:
@www: Der Staat sollte besser für alle Bürger - unabhängig von Religion und nicht religiöser Weltanschauung - ausreichend professionell ausgebildete Psychologen bereitsstellen. Wer lieber einen Notfallbegleiter von einer Religionsgemeinschaft möchte, kann sich ja direk an eine solche wenden.
16.02.17
11:00