Der „Moscheereport“ von Journalist Constantin Schreiber erhitzt derzeit die Gemüter. Was Moscheen für Muslime wirklich bedeuten und warum die Titel der Sendungen ungerechtfertigt sind, erklärt IslamiQ-Redakteurin Esra Ayari.
Moschee. Ein Wort, das unterschiedlichste Assoziationen hervorruft – oft leider negative. Geschuldet ist dieser Umstand momentan auch dem „Moscheereport“ des ARD-Journalisten Constantin Schreiber, der sich die Freitagspredigten von 13 Moscheen angehört und sie zu deuten versucht. Dabei stößt er bei vielen auf Kritik.
Was ist überhaupt eine Moschee und welche Bedeutung hat sie für einen Muslim, eine Muslimin? Als Kind habe ich – wie viele andere – am Wochenende in einer umgebauten Lagerhalle in einem Hinterhof, ähnlich wie die Hamburger Moschee in der Reportage, mit sieben Jahren angefangen das arabische Alphabet zu lernen. Dort lernte ich die ersten Suren auswendig und das richtige Beten. Ich erfuhr, warum Muslime fasten, warum sie die Pflicht haben, ihre Mitbürger zu respektieren und den Bedürftigen zu helfen. In der Woche ging ich nach der Schule in diese Moschee, um bei der kostenlosen Hausaufgabenhilfe meine Schulaufgaben zu machen.
In dieser Moschee nahm ich an Theaterspielen, Spendenaktionen, Tanz- und Kulturveranstaltungen, Vernissagen, Hochzeiten und Sportveranstaltungen teil. In dieser Moschee brach ich gemeinsam mit Hunderten mein Fasten und betete danach mit ihnen Schulter an Schulter. In dieser Moschee fand ich Ruhe, ich fand Freunde.
In meiner Zeit als Studentin lernte ich manchmal in dem Gebetsraum der Moschee und die lieben „Teyzes“ (Tanten) sprachen ein Bittgebet für mich, damit ich die Prüfungen bestehe. Als kleines Kind ging ich an der Hand meines Großvaters zu dieser Moschee, wo ich meinen ersten Koran von ihm geschenkt bekommen hatte. Auch war es diese Moschee, in der wir Jahrzehnte später das Totengebet für ihn beteten. Von solchen tagtäglichen Erfahrungen erfährt man in dem „Moscheereport“ nichts.
So richtig die anfangs gestellten Fragen von Constantin Schreiber auch sind, so falsch ist die Herangehensweise. Als Ergebnis seines „Moscheereports“ fasst der Journalist zusammen, dass es ihn „enttäuscht, teilweise entsetzt“ hat. Dabei lässt mich der Eindruck nicht los, dass eingangs konstruierte Urteile über Moscheen und Muslime bestätigt werden wollen. Dies ist vor allem auch an der Diskussionsrunde im Studio, die den Aufnahmen aus der Moschee folgt, bemerkbar. An dem Wort Gerechtigkeit festhaltend, da dieser in der gezeigten Freitagspredigt eine zentrale Rolle spielt, möchte Schreiber von seinen Studiogästen, dem Vorsitzenden der Schura Hamburg Daniel Abdin und der Ethnologin Susanne Schröter, wissen, ob es gerecht sei, dass muslimische Frauen oft nicht die Möglichkeit hätten, in Moscheen zu beten. Doch ist es gerecht diese Frage ohne eine betroffene Muslimin zu diskutieren? Kann der besorgte Unterton des Journalisten bei diesem Umstand ernst genommen werden? Es gibt genügend muslimische Frauen, die sich dieser berechtigten Thematik gewidmet haben.
Die Freitagspredigten sollen in dem „Moscheereport“ die zentrale Rolle spielen, doch ist es gerecht, dass die Beziehung zum Nachbarn, die der Imam in dem Auszug aus seiner Predigt schwerpunktmäßig behandelt, in der besagten Diskussionsrunde überhaupt nicht zur Sprache kommt?
Ist es außerdem gerecht, Schreibers Buch „Inside Islam“ zu nennen, wenn nur 20 von 2750 Moscheen besucht wurden? In diversen Interviews gab der 37-Jährige Journalist zudem an, dass er durch den bevorstehenden Applaus von rechter Seite sich dennoch nicht davon abbringen lassen möchte, die wichtigen Fragen anzusprechen. Doch ist es nötig von populistischen Phrasen Gebrauch zu machen, die exakt diese Wählerschaft anspricht?
Moscheen sind oftmals Gegenstand vieler Debatten. Dabei wird oft kritisiert, dass sie in erster Linie als potenzielle Radikalisierungsstätte gesehen und oftmals problematisiert werden. Dieser Eindruck wird durch den „Moscheereport“ bestätigt. Um tatsächlich Gebrauch von Titeln wie „Inside Islam“ und „Moscheereport“ zu machen, hätte Schreiber sich ausgewogener und ausführlicher an die Thematik nähern müssen. Doch er möchte die „Reise durch Deutschlands Moscheen“ als eine Odyssee in das „Fremde“ vermarkten. Doch sind Moscheen wirklich so fremd? Denn immerhin kann man die Freitagspredigten der vier großen islamischen Religionsgemeinschaften seit langen Jahren auf ihren Internetseiten nachlesen. Jedes Jahr laden über 1000 Moscheen zum „Tag der offenen Moschee“ ein, abgesehen von unzähligen Begegnungs- und Gesprächsmöglichkeiten.
Ein Format mit dem Titel „Moscheereport“ kann nur gelingen, wenn ein ganzheitlicher Blick in die Moscheen gewährleistet wird. Eine Moschee ist nicht nur eine Gebetsstätte, sondern ein Ort der Besinnung, der Begegnung und ein Ort voller Erinnerungen. Warum erntet der Report so viel Kritik? Weil all dies nicht berücksichtigt wird. Es mag sein, dass er stichprobenartig wiedergibt, was in einzelnen Moscheen gepredigt wurde, doch er gibt nicht die Geschichte hinter den Menschen wieder, die diese Moscheen zu dem machen, was sie sind.