Vorbilder, die uns positiv stimmen, sind heute wichtiger denn je. In dieser IslamiQ-Reihe möchten wir unsere Leser zu Autoren machen. Bahattin Akyol schreibt über sein Vorbild: Imam Nawawî.
Imam Abû Zakariyyâ Yahyâ b. Scharaf b. Murî an-Nawawî wurde im Jahre 1234 im Dorf Nawa in der Nähe von Damaskus geboren. Er galt als großer Gelehrter des 13. Jahrhunderts. Sein früher Tod im Alter von nur 43 Jahren im Jahre 1277 war ein großer Verlust für die muslimische Gelehrsamkeit. In seinem noch so kurzen Leben verfasste er zahlreiche und wertvolle Werke. Man kann nur erahnen, wie viele Werke er noch hätte verfassen können, wenn er noch weitere 43 Jahre gelebt hätte.
Im Alter von 18 Jahren brachte ihn sein Vater in die Rawahiyya-Madrasa nach Damaskus. Sein Ehrgeiz und sein ungestillter Durst nach Wissen ließen ihn, seinen eigenen Erzählungen nach, zwei Jahre lang nicht liegend schlafen. Wenn er müde wurde, lehnte er sich nur schlummernd an seine Bücher.
Es wird berichtet, dass er wenig aß und trank, um nicht müde und träge zu werden oder gar Zeit zu verlieren. Denn ihm zufolge heißt es: „Nach dem Wissen zu streben ist der beste Weg um das Wohlgefallen Allahs zu erlangen. Es ist ein höherer Verdienst als freiwilliges Fasten, Beten oder das Gedenken Allahs.“ Dieses Bewusstsein verhalf ihm dazu, innerhalb von nur zehn Jahren ein großer und anerkannter Gelehrter zu werden. Er führte ein sehr bescheidenes Leben, dass dem der Sahâbas, den Gefährten des Propheten, sehr ähnelte: Weltliches Ansehen, Ruhm und Reichtum hatten für Nawawî keine Bedeutung.
Imam Nawawî galt als jemand, der die Hadithwissenschaft wieder groß gemacht hat. Ihm folgten große Gelehrte wie Ibn Salâh, Zahabi und Ibn Hadschar al-Askalânî. Sein Kommentar zu „Sahih al-Muslim“ gilt bis heute als eines der bedeutendsten Werke muslimischer Gelehrsamkeit.
Zu seiner Zeit war Imam Nawawî die absolute Autorität unter den Gelehrten in der schafiitischen Rechtschule. Seine Werke, wie „Rawza“ und „Minhâdsch at-Tâlibîn“ standen in jedem Lehrplan der schafiitischen Schulen und gelten bis heute als die einführenden Quellen zum Erlernen der klassischen schafiitischen Normenlehre.
Heute ist in fast jedem muslimischen Zuhause Nawawîs Werk „Riyâd as-Sâlihîn“ (Gärten der Tugendhaften) zu finden, das die Überlieferungen des Propheten Muhammad (s) beinhaltet. Die Besonderheit dieses Buches ist die sorgfältige Auswahl an Versen und Überlieferungen, die insbesondere die Tugenden des Propheten thematisiert. Diese fördern die Bildung eines guten Charakters und vermitteln ethische Werte.
Gelehrte kommen und gehen, aber ihre Werke bleiben. Imam Nawawî und sein Werk „Riyâd as-Sâlihîn“ ist ein gutes Beispiel dafür. Noch heute werden an vielen Universitäten seine Werke studiert, kommentiert und ihr Einfluss, speziell in der Hadithwissenschaft, auf die nachkommenden Werke erforscht. Es ist beeindruckend, dass Imam Nawawî all seine Werke innerhalb von 25 Jahren verfasst hat.
Imam Nawawî begann sein Studium erst sehr spät, doch übertraf er viele zeitgenössische Gelehrte mit seinem Wissen und seiner Gelehrsamkeit. An seiner Persönlichkeit wird erkennbar, dass folgende drei Eigenschaften Zeichen für seine Gelehrsamkeit sind: eine reine und aufrichtige Absicht, Eifer, Selbstdisziplin und Opferbereitschaft und nicht zuletzt die aufrichtige Liebe zu Allah und dem Propheten.
Auch Jahrhunderte nach seinem Tod lernen Muslime die Sunna des Propheten durch seine Werke. Dies ist eine große Ehre. Ich selbst hörte zum ersten Mal von Imam Nawawî durch seine Werke, wodurch ich die Möglichkeit hatte, die Handlungsweise unseres Propheten zu erlernen. Er ist ein besonderes Vorbild für mich im Streben nach Wissen. Trotz eines späten Studienbeginns und seiner kurzen Lebenszeit leistet er mit seinen Werken einen großen Beitrag zur Wissenschaft.