Das ging schnell: Österreichs Wahlsieger Sebastian Kurz hat sich schon gut eine Woche nach der Wahl für die rechte FPÖ als möglichen Bündnispartner entschieden.
In Österreich sind die ersten Weichen für ein künftiges Regierungsbündnis zwischen konservativer ÖVP und rechter FPÖ gestellt. Die Konservativen und die Rechtspopulisten verabredeten den Beginn von Koalitionsverhandlungen. Die Verhandlungsteams sollen sich nach Angaben von ÖVP-Chef Sebastian Kurz und des FPÖ-Vorsitzenden Heinz-Christian Strache bereits am Mittwoch treffen. Beide Seiten gaben sich betont selbstbewusst.
„Es soll niemand glauben, dass wir es der ÖVP leicht machen“, kündigte Strache an. Eine Regierungsbeteiligung sei für die FPÖ kein Selbstzweck. Die Gespräche, die ohne Zeitdruck geführt werden sollten, könnten auch scheitern. Am Anfang müssten beide Parteien erst einmal einen Kassensturz machen.
Der 31-jährige Wahlsieger Kurz hatte die FPÖ zuvor offiziell zu Koalitionsgesprächen eingeladen. Bei der FPÖ sei trotz mancher inhaltlicher Unterschiede zu den Konservativen ein starker Gestaltungswille zu spüren, meinte Kurz am Dienstag. „Österreich hat sich eine rasche und schnelle Regierungsbildung verdient.“
Zugleich nannte er einen „anderen Stil“ in der Politik, die Kraft zu nötigen innenpolitischen Veränderungen sowie eine klare proeuropäische Ausrichtung einer künftigen Regierung als Voraussetzung für den erfolgreichen Abschluss von Koalitionsverhandlungen. Der ÖVP-Chef verzichtete in seiner kurzen Rede darauf, das Wahlkampf-Thema Migrationskrise zu strapazieren.
Die FPÖ legte die Latte auch für das Klima der Verhandlungen hoch. „Wir erwarten ein Verhandeln in einem Klima des Respekts, des gegenseitigen Vertrauens und auf Augenhöhe“, betonte FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl. Nur so ein Verfahren gewährleiste ein tragfähiges Fundament für eine künftige Zusammenarbeit.
Die FPÖ hat als bisher einzige Koalitionsbedingung das Amt das Innenministers gefordert. Das könnte Strache selbst übernehmen. Außerdem wollen die Freiheitlichen die direkte Demokratie nach Schweizer Vorbild ausbauen.
Es wäre die dritte Regierungsbeteiligung der Freiheitlichen, die vor rund 30 Jahren mit der sozialdemokratische SPÖ und vor 15 Jahren mit der ÖVP ein Bündnis auf Bundesebene gebildet hatten.
Mehrere antifaschistische Gruppen kündigten am Dienstag ihren Widerstand im Fall einer ÖVP-FPÖ-Regierung an. „Es wird auch Proteste auf der Straße geben“, sagte Alexander Pollak von der Organisation SOS Mitmensch. Er machte auf angebliche Verstrickungen der Freiheitlichen in „Rechtsextremismus und neonazinahe Kreise“ aufmerksam. Das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) betonte, dass fast die Hälfte der 51 FPÖ-Abgeordneten aus Kreisen völkisch gesinnter Burschenschaften stamme.
Gemeinsamkeiten von ÖVP und FPÖ sind unter anderem der Wille, die illegale Migration auf Null zu begrenzen, die Zuwanderung in die Sozialsysteme weniger attraktiv zu machen sowie eine Steuersenkung speziell für untere Einkommen.
Die Sozialdemokraten unter dem amtierenden Kanzler Christian Kern hatten zuvor entschieden, sich auf die Oppositionsrolle einzurichten. In den 72 Jahren seit 1945 waren die Sozialdemokraten nur rund zehn Jahre nicht in der Regierung. Die Partei schloss nicht aus, die ÖVP in einer Minderheitsregierung zu unterstützen. Auch Kurz ließ sich diese politische Hintertür offen. Ein Koalitionsvertrag müsse die von ihm skizzierte Handschrift haben. „Wenn das nicht möglich ist, ist eine Minderheitsregierung definitiv eine Variante.“
Kurz steht dem von der FPÖ geforderten Ausbau der direkten Demokratie positiv gegenüber, plädiert aber für eine „behutsame“ Nutzung von Volksabstimmungen. „Die Regierung soll nicht versuchen, Verantwortung an die Bevölkerung abzugeben, um selbst keine Entscheidung treffen zu müssen. Aber es muss für die Bevölkerung auch Möglichkeiten geben, Einspruch einzulegen“, sagte Kurz dem Magazin „Profil“.
Bundespräsident Alexander Van der Bellen will inhaltliche wie personelle Vorschläge der Koalitionspartner genau prüfen. Österreichs Präsident hat nach Wahlen zumindest theoretisch freie Hand bei der Nominierung des Kanzlers und darf Minister ablehnen, die er für ungeeignet hält.
Bei der Wahl am 15. Oktober hatte die ÖVP 31,5 Prozent erzielt – ein Plus von 7,5 Prozentpunkten. Auf Platz zwei kam die SPÖ mit 26,9 Prozent, die damit ihren Negativ-Rekord von 2013 bestätigte. Die FPÖ erreichte mit 26 Prozent ein Plus von 5,5 Prozentpunkten. (dpa, iQ)