Das junge Ehepaar Asmaa und Max Musa lebt nachhaltig, minimalistisch und umweltschonend. Dabei lassen sie alle über ihren Blog „greenukum“ daran teilhaben. Wie es dazu kam und warum sie damit einen Gottesdienst verrichten, erzählen sie uns im Interview.
IslamiQ: Wer steht hinter greenukum und wofür steht ihr?
Greenukum: Hinter greenukum stehen wir: Max Musa, 29 Jahre alt, BWLer, aktuell in der Unternehemsberatung, Taucher und Hobbyastronom, und Asmaa, 28 Jahre alt, promoviert zum Thema Tierethik im Islam, leidenschaftliche Seglerin und Tierliebhaberin.
Als Blogger setzen wir uns mit den Themen Nachhaltigkeit, Umwelt- und Tierschutz als auch Minimalismus aus einer muslimischen Perspektive auseinander. Das tun wir, indem wir parallel von unserer Reise als junges Ehepaar zu einem bewussteren und nachhaltigeren Lebensstil berichten, mit allen Erfolgen und Misserfolgen.
IslamiQ: Entstand die Idee für greenukum nach der Eheschließung oder brachte euch die Idee zusammen?
Greenukum: Tatsächlich entstand die Idee wenige Wochen nach unserer Heirat. Zusammen brachte uns aber sicher – unter anderem – die Leidenschaft für eben diese Themen. Bei Max Musa war das insbesondere seine frühe Auseinandersetzung mit Tierschutz und Green Economy, für Asmaa ihre Auffangstation für Katzen, ihr politisches Engagement und ihre theologisch-wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Themen Umwelt und Tieren.
IslamiQ: Und von wem kam diese Idee?
Greenukum: Eigentlich kann man das gar nicht so recht sagen, denn die Idee entwickelte sich eher durch Gespräche zu zweit und mit FreundInnen. In diesen stellten wir fest, dass es an muslimischen BloggerInnen fehlte, die die Themen „Umwelt“ und „Islam“ zusammenbringen. Eines Tages forderte uns ein Bekannter auf, dass doch selbst in die Hand zu nehmen: „Irgendjemand muss ja die Welt retten!“ – hieß es. Wir brauchten eine längere Nachdenkphase, denn wir waren weder großartige Social-Media Nutzer noch waren und sind wir Vorzeige-Umweltschützer. Doch wir entschieden uns dann, unsere Reise zu einem nachhaltigeren Lebensstil zu starten. Dass wir die Welt dabei nicht ändern können, war uns klar; aber zumindest wollten wir versuchen, uns und unsere direkte Umgebung zu beeinflussen.
IslamiQ: Empfindet ihr das nachhaltige Leben als eine Form des religiösen Dienstes?
Greenukum: Absolut! Nachhaltigkeit versteht sich ja als Gegenbegriff zur Verschwendung. Genau das ist koranisch nicht gewollt. So heißt es im Koran u. a. „…esst und trinkt, aber seid nicht maßlos“ (7:31), „und seid nicht verschwenderisch“ (17:26). Sich zu bemühen und nachhaltig(er) zu leben ist demnach in mehrfacher Hinsicht ein religiöser Dienst: Zum einen füge ich mich Gottes Willen, ein auf Balance hin ausgerichtetes Leben zu führen. Zum anderen bewahre ich den Lebensraum sämtlicher Mitgeschöpfe, sei es der von Mensch oder Tier. Und durch all dies kann ich stets in Reflexion mit mir selbst gehen, mich mit Fragen konfrontieren, wann Verschwendung bzw. Bequemlichkeit beginnt. Ziel dieser Reflexionen und dieses bewussten Lebens ist der von der Religion geforderte Frieden mit Gott, seiner Schöpfung und sich selbst.
IslamiQ: Welchen Stellenwert hat der Umweltschutz und die Nachhaltigkeit im Islam und sollte er in der Praxis der Muslime haben?
Greenukum: Der Islam kennt das Konzept des Umweltschutzes als solches nicht, ist es doch ein Konzept der Moderne, das der großflächigen Umweltverschmutzung beginnend im 18. Jahrhundert geschuldet ist. Was der Islam hingegen kennt, sind viele ethische Implikationen, die uns hinsichtlich Umweltschutz und Nachhaltigkeit sensibilisieren können Diese Implikationen fasst man für gewöhnlich im Kontext islamischer Umweltethik in folgenden Prinzipien zusammen: Tawhîd (Einheit), Adl (Gerechtigkeit) Mîzân (Natürliches Gleichgewicht), Amâna (anvertrautes Gut). Soll heißen: Die ganze Schöpfung verfügt über einen gemeinsamen Nenner: Gott. Demnach stellt die Schöpfung solche eine Einheit (Tawhîd) dar, die sich gemeinsam ein Schöpfungshaus teilen. Das alles wurde in einem natürlichen Gleichgewicht erschaffen (Mîzân). Dieses Gleichgewicht zu wahren ist die Aufgabe des Kalifs, des Sachwalters, der über das von Gott anvertraute Gut (Amâna) in Gerechtigkeit (Adl) walten soll. Tut er dies nicht, entsteht Ungerechtigkeit und Unheil auf Erden (30:41).
Mehr noch: Der Mensch würde – wenn er seine Mitwelt willentlich vernachlässigen würde – dafür (mit-)verantwortlich sein, dass die Zeichen Gottes, die sich in der Natur erkenntlich machen, zerstört werden. Erstaunlich finden wir, dass die meisten Muslime innerlich erzittern würden, wenn jemand die schriftlichen Zeichen Gottes, den Koran, beschmutzt, aber tatenlos zusehen wenn Tag für Tag dutzende sichtbare Zeichen Gottes willentlich zerstört werden.
IslamiQ: Was sollte jeder tun, um auch nur geringfügig nachhaltig zu leben?
Greenukum: Das ist eine Frage, die uns sehr häufig gestellt wird. Doch gibt es nicht DEN Tipp für Nachhaltigkeit schlechthin, da Nachhaltigkeit im ersten Schritt in der Sensibilisierung für diese Themen beginnt und dann in der Reflexion des eigenen alltäglichen Verhaltens. Es geht darum, sich der Frage nach dem wie und wie viel zu öffnen, bspw: „Benötige ich tatsächlich die siebte blaue Jeanshose, made in India, für 19 Euro?“ oder: „Muss ich für die Kurzstrecke tatsächlich einen Flug buchen?“.
Demnach sollte man bewusster mit sich, seinen Mitmenschen aber eben auch mit allen anderen Mitgeschöpfen umgehen und sich für das Leid anderer sensibilisieren. Wer sich gerecht nennt, kommt nicht drum herum, diesen Weg zu gehen.
Unser persönlicher Tipp: Den eigenen Konsum in Hinblick auf tierische Produkte reflektieren! Schon gewusst, dass auf Platz 1 der weltweiten Klimakiller der Fleischkonsum liegt? Nicht nur ist dieser übermäßige Konsum für das massenhafte Tierleiden verantwortlich. Vielmehr trägt unser Fleischkonsum zum Welthunger bei, denn 50% der heute erwirtschafteten Ernten und demnach auch Flächen werden zur Fütterung von Masttieren verwendet. Zudem werden 70% des abgeholzten Amazonaswaldes für Viehweiden verwendet. Mehr noch: Durch den Überschuss an Fleisch in Europa, den wir zu Dumpingpreisen in Teile Afrikas und Asiens verschiffen, ruinieren wir nebenbei auch noch regionale Wirtschaft.
IslamiQ: Wo seht ihr euch in zehn Jahren mit greenukum?
Greenukum: So Gott will arbeiten wir in zehn Jahren weiterhin mit so tollen MitstreiterInnen zu dieser Thematik. Mehr noch: Hoffentlich werden es wesentlich mehr auf unserem Weg. Wir sehen uns in der Verwirklichung verschiedener Projekte, die noch in Planung sind und sehen uns als Teil eines weltweiten Netzwerks zu Umweltthemen, das für ein nachhaltiges, gerechtes Zusammenleben eintritt.
Das Interview führte Fatma Idris.