Es ist eine kleine Minderheit, die über das Internet und Soziale Medien Krawall macht und Andersdenkende beeinflussen oder mundtot machen will. So beschreibt die Tübinger Gastprofessorin Strube im Interview neurechte christliche Strömungen und spricht auch über die AfD und Pegida.
Frau Strube, warum haben Sie sich als eine der ersten dem Themenfeld Rechtspopulismus und Christentum zugewandt?
Strube: Es war Zufall. Ich stolperte 2011 im Internet über eine Vielzahl von politisch der Neuen Rechten zuzuordnenden Internetseiten, die sich extrem negativ mit dem Theologen-Memorandum für Reformen in der katholischen Kirche befassten. Außerdem fand ich viele sich christlich nennende Websites, die zugleich extrem rechte Inhalte verbreiteten und auch mit politisch rechten Medien zusammenarbeiteten. Ab 2013 konnte ich meine Forschungen zum Thema dann auf einer Projektstelle an der Uni Osnabrück vertiefen.
Wo macht sich dieses Milieu bemerkbar?
Strube: Vor allem online. Das schlimmste Beispiel war die rechtsextreme und antisemitische Internetseite „kreuz.net“, die mittlerweile nicht mehr existiert. Aber auch auf deutlich gemäßigteren Portalen zeigt sich in den Leserspalten eine Radikalisierung in Richtung menschenfeindlicher Einstellungen und Abwertung Andersdenkender. Das Weltbild in solchen Foren wird immer abgeschlossener: Der Islam gilt ihnen nicht als Religion, sondern als eine Ideologie. Außerdem geht es um den Kampf gegen eine vermeintliche Genderideologie, um Fremden- und Frauenfeindlichkeit. Offener Antisemitismus wird indes meist eher abgelehnt.
Ich beobachte, dass politisch Rechtsgerichtete versuchen, sich mit kirchlich Engagierten zu vernetzen. So hat die Gruppe „Demo für alle“ auch eine Werbefunktion für die AfD, wenn deren Protagonisten beispielsweise neben dem emeritierten österreichischen Weihbischof Andreas Laun auf der Rednerbühne stehen. Auf diese Demos gehen auch Mitglieder der Identitären Bewegung, die von Verfassungsschutzämtern als rechtsextrem eingestuft wird, sich aber gerne ein intellektuelles und Greenpeace-mäßiges Image geben. Rechte Gruppierungen wollen auf diese Weise den Eindruck erwecken, sie gehörten zum bürgerlichen Lager und es ginge ihnen um christliche Werte.
Sehen Sie Kontakte zu Pegida?
Strube: Mit ihren schrillen Parolen hat sich Pegida selbst ins Abseits befördert. Im bürgerlich-christlichen Milieu lässt sich damit schlecht fischen. Krawall stößt ab.
Dann dürfte es bei neurechts orientierten christlichen Milieus auch keine Gewaltbereitschaft geben?
Strube: Die sehe ich hierzulande bislang nicht. Es gibt verbale Angriffe und vor allem Forderungen nach harten kirchlichen Strafen wie der Exkommunikation für die, die anders denken. Die Einstellungen sind stark autoritär geprägt.
Wo stehen diese Neurechten innerkirchlich?
Strube: Was Frömmigkeitsformen angeht, so besteht eine Nähe zu Traditionalismus und Antimodernismus. Diese Menschen tun sich mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil sehr schwer, wollen aber auch nicht unbedingt zu den Piusbrüdern.
Wie groß ist das Milieu?
Strube: Das ist sehr schwer einzuschätzen, weil es keine quantitativen Untersuchungen dazu gibt, wie verbreitet traditionalismusaffine oder antimodernistische Einstellungen unter Katholiken in Deutschland sind. Meine These ist: Es geht um eine kleine Minderheit, die viel Krach schlägt, im Internet sehr aktiv ist und intensiv den Kontakt mit Bischöfen und Ordinariaten sucht. Sie wollen den Anschein erwecken, eine große Menge zu repräsentieren. So was geht online sehr gut.
Durch die Spitzenvertreter der Kirche kann sich dieses Milieu aber nicht bestärkt fühlen…
Strube: Natürlich nicht. Deshalb werden jetzt Papst und Bischöfe selbst zu Angriffszielen und als häretisch gebrandmarkt. Sehr deutlich ist, dass Papsttreue nur solange eingefordert wurde, wie man die eigenen Meinungen von Rom gedeckt empfand. Das zeigt: Es geht den Wortführern dieses Milieus um Kirchenpolitik. Sie möchten den Kurs der gesamten römischen Weltkirche allein in ihrem Sinne unveränderbar festgelegt wissen. Es geht ihnen nicht allein darum, ob der alte Messritus erbaulich ist, oder darum, dass er neben anderen Gottesdienstformen bestehen darf.
Was empfehlen Sie für den Umgang mit solchen Kreisen?
Strube: Die Wortführer solcher Kreise sind oft durch Gegenargumente nicht mehr zu erreichen. Das macht einen echten Dialog, der vom gegenseitigen Bemühen um Verstehen geprägt ist, meist unmöglich. Damit müssen wir leben. Aber es ist wichtig, sich mit den Strategien und der Hartnäckigkeit zu befassen, mit denen sie Positionen vertreten. Bei öffentlichen Äußerungen lohnt es sich trotzdem auch, dagegen zu argumentieren – schon mit Blick auf zuhörende Dritte, die ideologisch nicht verhärtet sind.
Was empfehlen Sie den angehenden Seelsorgern?
Strube: Die Studierenden sind, soweit ich sehe, froh, dass das Thema behandelt wird. Sie lernen, Strategien neurechter politischer Akteure zu durchschauen. Die direkte Kommunikation mit Christen in diesen Milieus ist sehr anspruchsvoll, wenn es darum geht, eine seelsorgliche Beziehung zu eröffnen und zugleich klar in den eigenen Wertehaltungen zu bleiben. Gleichzeitig gilt es, immer darauf zu achten, dass neurechte Aktivisten nicht Gruppen in der Gemeinde zu manipulieren beginnen. (KNA/iQ)