Europäische Gerichtshof für Menschenrechte

Zeugen dürfen religiöse Kopfbedeckung tragen

Einem Urteil des EuGH zufolge dürfen Zeugen vor Gericht eine religiöse Kopfbedeckung tragen. Grund dafür war die Klage eines Muslims aus Bosnien, der nicht als Zeuge aussagen durfte, weil er seine Kopfbedeckung nicht ablegen wollte.

05
12
2017
Religiöse Kopfbedeckung
Symbolbild: Religiöse Kopfbedeckung © by Luigi Torreggiani auf Flickr (CC BY 2.0), bearbeitet islamiQ

Zeugen dürfen vor Gericht eine religiöse Kopfbedeckung tragen. Dies hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte am Dienstag in Straßburg entschieden. Die Richter gaben damit der Klage eines Muslims aus Bosnien-Herzegowina Recht. Er war als Zeuge in einem Verfahren geladen worden, vom Richter dann aber des Saals verwiesen worden, weil er sich weigerte, seine Gebetsmütze abzusetzen. Dies verbiete ihm seine Religion, so der Mann.

Straßburg sah in dem Verweis und der später verhängten Geldstrafe eine „für eine demokratische Gesellschaft unnötige Einschränkung der Religionsfreiheit“. Der Mann habe keineswegs aus mangelndem Respekt vor dem Gericht, sondern nur aufgrund seiner religiösen Überzeugung die Mütze aufbehalten.

Zugleich betonten die Straßburger Richter, dieser Fall unterscheide sich grundlegend von Situationen, in denen Personen in öffentlichen Ämtern religiöse Kopfbedeckungen oder andere Zeichen ihrer Religion tragen wollten. Hier hatte der Gerichtshof für Menschenrechte bereits mehrfach entschieden, dass der Staat zur Wahrung weltanschaulicher Neutralität das Tragen religiöser Symbole einschränken könne, etwa bei Richtern, Professorinnen oder Lehrerinnen. Der Staat habe hier großen Gestaltungsspielraum.

Die aktuelle Entscheidung erging mit sechs zu eins Richterstimmen. Der muslimische Kläger erhielt eine Entschädigung in Höhe von 4.500 Euro zugesprochen. (KNA, iQ)

Leserkommentare

Ute Fabel sagt:
Mich würde interessieren, wie die Höchstgerichte entscheiden würden, wenn ein Zeuge argumentiert, dass ihm seine Religion verbiete Kleidung zu tragen. Religiös motivierte Nacktheit ließe sich meiner Meinung nach sogar weit überzeugender argumentieren. Schließlich waren ja Adam und Eva im noch sündenfreien paradiesischem Stadium nackt.
06.12.17
7:53
Rerun sagt:
Ach ja, Kopfbedeckungen und lustige Hüte waren Religionen ja schon immer besonders wichtig. Man kann im konkreten Einzelfall vielleicht tatsächlich davon ausgehen, dass ein Verbot unnötig ist und in der Tat ist Zeuge eine völlig andere Rolle als Richter oder Lehrer. "Der Mann habe keineswegs aus mangelndem Respekt vor dem Gericht, sondern nur aufgrund seiner religiösen Überzeugung die Mütze aufbehalten." Woran will man erkennen, dass nicht seiner religiösen Überzeugung mangelnden Respekt vor dem Gericht immanent ist? Es ist ja nicht so, dass Religionen und religiöse Regeln nicht durchaus in einem gewissen Spannungsverhältnis zu weltlichen Gerichten stehen. Der Wunsch nach einer eigenen Gerichtsbarkeit und die Ablehnung weltlicher Gerichte und ihrer Urteile ist ja durchaus bei vielen Religiösen vorhanden. Wo ist da die Grenze zum mangelnden Respekt? Ich denke aber auch, die hier von Islamiq gemachte Verallgemeinerung ist unzutreffend. Ich habe das Urteil nicht gelesen, aber es scheint mir so zu sein, dass es hier um den konkreten Einzelfall ging. "Zeugen dürfen religiöse Kopfbedeckung tragen". Die Grenze, wo mangelnder Respekt beginnt ist wohl fließend und durchaus subjektiv. Das Gericht hat festgestellt, dass es nicht die Kopfbedeckung ist, sondern der mangelnde Respekt, der hier ausschlaggebend ist. Wenn die Kopfbedeckung mangelnden Respekt ausdrückt, dürfte sie wohl weiter unzulässig sein. Es ist nur, logischerweise, kein Automatismus, der das Tragen einer Kopfbedeckung zu einem Zeichen mangelnden Respekts macht. Aber ganz ehrlich, ich glaube, die meisten Europäer sind es leid, über religiöse Befindlichkeiten zu diskutieren. Das Leben ist an sich ja schon eine Zumutung. Da kommt es auf die eine, mal die Mütze abzusetzen vermutlich auch nicht mehr sonderlich an. Ab jetzt nur noch mit Nudelsieb oder Basecap...
06.12.17
10:44
Frederic Voss sagt:
Warum ist das Tragen religiöser Kopfbedeckungen überhaupt so wichtig? Will man als Träger solcher Kopfmode-Teile andere beeindrucken, belehren, provozieren oder moralisch maßregeln? Eine bunte, vielfältige Folklore-Tracht würde mir viel besser gefallen als getragene Herrschaftssymbole einer Religion, die von vielen Menschen als bedrohlich, autoritär und rechthaberisch wahrgenommen wird. Eine belehrende Religion, die eigenmächtig Recht und Unrecht definiert, die ständig durch Prediger moralische Urteile fällt und Strafen verhängt, ist eine lebensentfremdende Herrschaftsform, die mit echten Menschenrechten nicht konform geht bzw. Menschen deformieren und krank machen kann.
08.12.17
15:19