Islamische Religionsgemeinschaften bilden ihre eigenen Imame aus, und zwar international. Diese sind jung und in Deutschland sozialisiert. Drei Portraits.
Imame sind Gegenstand politischer Diskussionen und Wahlkampfdebatten. Politiker fordern ein Ende der sogenannten „Import-Imame“ und der damit zusammenhängenden Auslandsfinanzierung. Deshalb sind junge Imame gefragt. Sie können nicht nur die religiösen Dienste innerhalb der Moschee abdecken, sondern sind oft auch die besseren Seelsorger, Berater und Erzieher. Dass sie in Deutschland sozialisiert sind und gezielt auf die Bedürfnisse der hiesigen Gesellschaft eingehen können, ist ein Vorteil. Darüber hinaus können junge Imame in einen längerfristigen Kontakt mit religiösen Vertretern und zivilen Akteuren treten.
Neben der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (DITIB), die ihre Imame und theologisch geschultes Personal z. B. aus dem „Internationalen Studiengang Islamische Theologie“ bezieht, bildet die Islamische Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG) ebenfalls ihre eigenen Imame aus.
Die IGMG hat ein breites Spektrum im Bereich der religiösen Bildung, angefangen bei Weiterbildungsseminaren bis hin zu einer Berufsausbildung zum Imam. Zudem unterstützt sie auch junge Imam-Anwärter, die ein Theologiestudium in einer der universitären Zentren in Deutschland, in die Türkei oder auch Kairo aufnehmen möchten. Regelmäßige Praktika in den Semesterferien erleichtern den Einstieg in die Arbeit des Imams.
Einer dieser jungen Imame ist Mustafa Macit Bozkurt. Schon in jungen Jahren brachte ihm sein Opa Sefer Ahmedoğlu die arabische Sprache und die Koranrezitation bei. Mit 15 Jahren wurde er Dritter im europaweiten Koranrezitationswettbewerb der IGMG. Der 26-Jährige studierte Sozialwissenschaften und Islamische Studien an der Goethe-Universität in Frankfurt. Nebenbei war er auch während dem Studium ehrenamtlich als Imam tätig.
„Die Aufgabe eines Imams besteht nicht nur darin, die Gebete zu leiten, sondern sich den Problemen und Bedürfnissen seiner Gemeinde zu widmen”, so Bozkurt. Gemäß der Überlieferung des Propheten, wonach der Beste unter den Menschen derjenige sei, der seinen Mitmenschen am nützlichsten ist, habe er sich entschieden, als Imam zu arbeiten. Junge Imame haben es oft leichter als ihre älteren Kollegen. „Wir kennen die Gesellschaft und sprechen selbstverständlich deutsch. Das ist eigentlich keine Besonderheit mehr, die man erwähnen müsste. So können wir auf die Bedürfnisse der muslimischen Gemeinden besser eingehen. Wir können helfen, ein klares und unmittelbares Islamverständnis zu vermitteln”, glaubt Bozkurt.
Ein weiterer junger Imam ist Hamza Kuri. Kuri ist gebürtiger Dortmunder und arbeitet seit Oktober 2017 als Imam in der Selimiye Moschee in Oberhausen. Seinen Bachelor absolvierte er an der Marmara Universität in Istanbul. In seiner Kindheit besuchte er den Koranunterricht in der Anadolu Moschee in Dortmund. Schon damals legten ihm seine Lehrer und sein Vater ein Theologiestudium nahe, doch Hamza wollte eigentlich ein erfolgreicher Unternehmer werden. „Doch wie es das Schicksal wollte, entschied ich mich am Ende doch für ein Theologiestudium“, sagt er. Das Gefühl, anderen Menschen zu helfen, ihnen etwas beizubringen und sie gegebenenfalls zu prägen, sei für den jungen Imam „unbeschreiblich“ und gibt ihm die Kraft unermüdlich weiter zu arbeiten.
Hamza Kuri zufolge ist der Vorteil eines jungen Imams, dass er alle Altersklassen innerhalb der Gemeinschaft ansprechen kann. Die jüngere Generation sehe in ihm einen großen Bruder, die Altersgenossen einen Freund und die Älteren einen Fachmann für religiöse Angelegenheiten.
Yunus Emre Yadigaroğlu absolvierte seine theologische Ausbildung in Deutschland an der Universität Osnabrück. Dort macht er nun auch seinen Master und arbeitet nebenbei als Imam in einer Moscheegemeinde in Mettmann. Es gebe einen großen Bedarf an jungen Imamen, die in Deutschland geboren sind, da die ältere Generation der Imame nur für eine begrenzte Zeit hierher kommt, meint Yadigaroğlu. Genau diese Lücke möchte er füllen. „Viele sind positiv überrascht, wenn sie erfahren, dass ich als Imam arbeite. Sie stellen sich einen Imam wesentlich älter vor“, so Yadigaroğlu. Auch bei Fragen um die Ehe und die Partnerwahl seien die jugendlichen Imame hilfreiche Ansprechpartner für ihre Altersgenossen, glaubt der junge Student und Imam.