Berlin

Verwirrung um antisemitischen Vorfall

In Berlin wurde ein Israeli gewalttätig angegriffen. Dass der Angegriffene kein Jude ist, ändere laut Experten jedoch nicht die Tatsache, dass es sich um einen antisemitischen Vorfall handelt. Der Täter hat sich der Polizei gestellt.

20
04
2018
Der Angegriffene hat den antisemitischen Vorfall aufgenommen. © screenshot/stern.tv
Der Angegriffene hat den antisemitischen Vorfall aufgenommen. © screenshot/stern.tv

Nach dem antisemitischen Angriff auf einen jungen Israeli und seinen Begleiter in Berlin ist gegen den mutmaßlichen Täter Haftbefehl wegen gefährlicher Körperverletzung erlassen worden. Das teilte die Staatsanwaltschaft am Donnerstagabend mit. Der 19-Jährige befindet sich laut Polizei in Untersuchungshaft. „Er hat sich zur Sache nicht eingelassen.“ Der Beschuldigte hatte sich zuvor der Polizei gestellt. Der mutmaßliche Täter ist ein Flüchtling aus Syrien, der seit 2015 in Deutschland ist. 

Außenminister Heiko Maas verurteilte die jüngsten antisemitischen Vorfälle in Deutschland als „beschämend“. „Das zeigt, wir müssen auch heute noch gegen jede Form von Antisemitismus sehr klar Stellung beziehen“, sagte er in Berlin bei einer Festveranstaltung zum 70. Gründungsjubiläum Israels. „Unsere Verantwortung, uns schützend vor jüdisches Leben zu stellen, die endet nie.“

Für Antisemitismus gebe es keine „Bagatellgrenzen“, betonte der SPD-Politiker. „Solange jüdische Schulen und die Synagogen in Deutschland von der Polizei geschützt werden müssen, solange junge Männer auf offener Straße verprügelt werden, nur weil sie eine Kippa tragen, und solange Preise für judenfeindliche Provokationen verliehen werden, ist das beschämend.“

Empörung aus der Politik

Der 21-jährige Israeli und sein Freund waren am Dienstagabend im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg unterwegs, dabei trugen sie Kippas – die traditionellen jüdischen Kopfbedeckungen. Auf der Straße wurden sie von drei arabisch sprechenden Männern antisemitisch beschimpft. Einer der Männer schlug mit einem Gürtel auf den 21-Jährigen ein und versuchte, ihn mit einer Flasche zu schlagen. Schließlich flohen der Angreifer und seine Begleiter. 

Der Angriff hatte empörte Reaktionen von Politikern und Vertretern anderer Institutionen ausgelöst. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach von einem „schrecklichen Vorfall“ und betonte: „Der Kampf gegen antisemitische Ausschreitungen muss gewonnen werden.“

Die Kriminalpolizei hatte den mutmaßlichen Angreifer bereits identifiziert, bevor er sich stellte. Zeugen hatten sich bei der Polizei gemeldet und Hinweise zu dem Mann gegeben. Auf dem Video, das der angegriffene Israeli gefilmt und ins Internet gestellt hatte, war das Gesicht des Täters gut zu erkennen. Wo der Beschuldigte lebt, teilte die Polizei bislang nicht mit. Auch zu möglichen Vorstrafen und seinen beiden Begleitern gab es keine Informationen. 

Verwirrung um die Religionszugehörigkeit

Das 21-jährige Opfer ist nach eigener Aussage kein Jude. Der Mann sagte aber in der Fernsehsendung „Stern TV“: „Ich bin unter Juden aufgewachsen, meine ganzen Freunde in Israel sind Juden, ich habe auch Juden unter meinen Verwandten. Es hat etwas mit mir zu tun, und es ist sehr wichtig für mich.“ Die Kippa habe er erst vor ein paar Tagen in Israel von einem Freund geschenkt bekommen, erzählte er an anderer Stelle. Trotz Warnungen habe er in Berlin die Erfahrung machen wollen, eine Kippa zu tragen und ein „Experiment“ durchzuführen, indem er mit der Kippa durch Berlin läuft. 

Mike Samuel Delberg, Repräsentant der Jüdischen Gemeinde, sagte, an dem Angriff ändere sich nichts durch die Tatsache, dass das Opfer kein Jude sei. „Die Tat richtete sich gegen jüdische Symbole und gegen Juden.“ 

Antisemitismus ist ein rechtes Problem

Antisemitische Vorfälle sind nach wie vor präsent. Laut Kriminalstatistik gehen über 90 Prozent der antisemitischen Straftaten in Deutschland von Rechtsradikalen aus. Genauer: Im ersten Halbjahr 2017 beispielsweise gab es insgesamt 681 antisemitische Delikte und damit 27 Taten mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Nach den Angaben des Bundesinnenministeriums wurden 632 der 681 Straftaten von Rechtsextremisten begangen. Bei 23 Fällen wird ein ausländisch motivierter Hintergrund angenommen, ausgelöst von dem Nahost-Konflikt. (dpa, iQ)

Leserkommentare

Andreas B sagt:
Ich teile die Auffassung von Mike Samuel Berg, dass es sich um eine antisemitische Tat handelt, da die Angreiffer davon ausgingen, dass es sich bei den Opfern um Juden handelt. Und dass die Angreiffer die Opfer angegriffen haben, weil es (anscheinend) Juden waren, kann man daran erkennen, dass es antisemitische bzw. judenfeindliche Beschimpfungen gab. Allerdings kann man jetzt nicht gleich wieder behaupten, dass die mögliche Religion der Täter daran schuld ist. Zur Zeit ist es noch immer so, dass die meisten antisemitischen Straftaten in Deutschland von rechtsextremen Deutschen verübt werden. Entsprechend haben wir auch keinen Grund mit dem Finger auf andere zu zeigen.
20.04.18
18:46
Sven Anatoli sagt:
Islamisch motivierte Judenfeindlichkeit gibt es leider überall. Darüber gibt es keinerlei Verwirrung. Die Verhaftung des Täters ist ein sinnvolles Signal an alle.
20.04.18
22:31
grege sagt:
auch die Überschrift suggeriert ein Zerrbild. Tatsächliche Religion und Herkunft des Opfers sind völlig irrelevant. Entscheidend ist das antisemitische Motiv des Täters. Schrecklich, wie sich hier die Geschichte wiederholt.......
20.04.18
23:16
Harousch sagt:
Dieser politisch motivierte und erst durch die Austreibung des jüdischen Volkes aus den verschiedensten Regionen unserer Erde, unter anderem auch Deutschland, ist ein beschämendes Beispiel für jegliche Art von Völkerverständigung und Diplomatie. Tagtäglich werden dutzende Menschen in den Grenzregionen und auf palästinensischem Boden übelst zugerichtet und eiskalt ermordet. Anstatt den Konflikt zu lösen, werden zusätzliche Waffenlieferungen an die Israelis, die aus Ihrer Sicht sich „nur“ verteidigen möchten und hierzu auch jedes Recht haben und dennoch oftmals zu aggressiv und ungerecht vorgehen. Eine Zweistaatenlösung ist laut Edward Said, und seiner sehr plausibel erklärten Orientalismustheorie, keine wirkliche Lösung. Möge der Messias den Krieg endlich beenden, denn die Menschen sind augenscheinlich nicht dazu fähig.
21.04.18
8:41
Harousch sagt:
....Nachtrag Möge in erster Linie Allah ta‘ ala uns Menschen den eisernen Willen und die Kraft zur Lösung dieses unersättlichen und blutrünstigen Krieges geben.
21.04.18
8:46
Johannes Disch sagt:
@Harousch Der Palästina-Konflikt und die aktuelle Situation im Gazastreifen sind sicher eine Erklärung für den Antisemitismus unter vielen muslimischen Flüchtlingen. Das darf aber keine Entschuldigung sein. Dass der Antisemitismus aber auch bei vielen "Biodeutschen" noch immer virulent ist, das zeigte ein entlarvender kurzer Beitrag in den Nachrichten zu dem Vorfall. Da wurde ein älterer "Biodeutscher" zu dem im Artikel geschilderten Vorfall befragt. Und er äußerte sich folgendermaßen: "Eine Synagoge hat hier in Deutschland eigentlich nichts zu suchen. Das ist für mich ein Fremdkörper." Auch die Zahlenspiele, dass ca. 90% der antisemitischen Straftaten von Rechtsextremen ausgehen und "nur" 10% von Muslimen führen nicht weiter. Jede Art von Rassismus-- von der der Antisemitismus eine Variante ist-- gehört bekämpft. Und vor einer Tatsache sollte man die Augen nicht verschließen: In vielen Staaten des Nahen Ostens ist der Antisemitismus seit Jahrzehnten eine Konstante. Und den bringen viele Flüchtlinge mit. Hier gilt es, gegenzusteuern. -- Zu Edward Said und seiner berühmten "Orientalismus-These": Das ist ein abendfüllendes Thema, das jetzt den Rahmen sprengen würde. Bei aller Popularität von Saids Abhandlung; die Kritik daran ist Ihnen sicher auch bekannt.
24.04.18
13:46
Manuel sagt:
@Andreas B: Ja genau schon weiter Relativieren und Verharmlosen, der islamische Antisemitismus ist leider in unseren Land auch eine Tatsache geworden, wie der Vorfall eindeutig beweist, also hören Sie hier auf ständig zu Beschwichtigen, weil es nicht in rosarotes Weltbild passt.
24.04.18
18:34
grege sagt:
die Palis im Gazastreifen, deren Regierung die Juden ins rote Meer schmeißen möchte, sind ganz gelinde ausgesprochen auch nicht unschuldig. Im Gegenteil, diese sind sogar der Urheber dieses Konfliktes. Das hat ebenso nichts mit dem beschämenden Vorfall in Berlin zu tun, über den sich jetzt noch die Vertreter der islamischen Verbände ausschweigen.
24.04.18
21:52
Andreas B sagt:
@Harousch Wenn die Zweistaatenlösung keine wirkliche Lösung ist, was wäre denn dann die wirkliche Lösung? Du Araber vertreiben die Juden ins Mittelmeer? Oder die Israelis vertreiben die Araber in die Wüse?
25.04.18
11:55
grege sagt:
Im Artikel wird behauptet, der Antisemitismus sein ein rechtes Problem. Diese Aussage belegt wieder einmal das mangelnde Verantwortungsbewußtsein führender Muslime. Die Vielzahl von Vorfällen hierzulande und auch in den anderen europäischen Ländern belegt die besorgniserregende Verbreitung dieses Problems. Aber wieder einmal wird nur abgestritten. Dass antisemitisches Gedankengut unter ararbischen und türkischen Jugendlichen verbreitet ist und in Studien nachgewiesen wurde,ist ebenso bekannt. Heitmeyer, wahrlich nicht für Islambashing bekannt, lässt grüßen. Selbst hat Herr Mazyek musste zugeben, dass Juden einer erhöten Gefahr ausgesetzt sind, wenn sie sich als solche in bestimmten Stadtteilen zu erkennen geben. Wenn man diese Gefahr thematisiert, zeigt man mit dem Fingen auf niemanden, sondern spricht ein Problem, das wir aufgrund unserer historischen Verantwortung lösen müssen.
25.04.18
22:06
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