Neutralitätsgesetz

Berliner Gericht entscheidet: Lehrerin mit Kopftuch im Klassenzimmer?

Immer wieder wird um das Kopftuch gestritten. In Berlin dürfen Lehrer an den meisten Schulen, Polizisten und Mitarbeiter der Justiz im Dienst keine religiösen Symbole zeigen. Wie ist die Situation in anderen Bundesländern?

08
05
2018
Symbolbild: Lehrerin mit Kopftuch in der Schule, CDU © Shutterstock, bearbeitet by iQ.
Symbolbild: Lehrerin mit Kopftuch © Shutterstock, bearbeitet by iQ.

Mit Spannung wird in einem neuen Berliner Kopftuch-Streit die Entscheidung des Arbeitsgerichts erwartet. Eine Grundschullehrerin will mit Kopftuch unterrichten. Mit ihrer Klage wandte sie sich gegen das Neutralitätsgesetz in der Hauptstadt, welches das Tragen von religiös geprägten Kleidungsstücken im öffentlichen Dienst untersagt. Die Entscheidung soll an diesem Mittwoch (13.00 Uhr) verkündet werden.

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) will an dem Gesetz festhalten und dafür kämpfen, wie er kürzlich der «Welt» sagte. Der Grünen-Koalitionspartner meint hingegen, das Gesetz sei nicht rechtskonform.

Wie ist die Situation in anderen Bundesländern?

Nach dem Deutschen Richtergesetz sowie dem Beamtenstatusgesetz ist es Beamten bundesweit untersagt, ihr Gesicht im Dienst zu verhüllen – es sei denn, dienstliche oder gesundheitliche Gründe erfordern das. Zudem gilt seit 2017 ein Bundesgesetz mit Vollverschleierungsverbot für alle Beamten.

Bundesverfassungsgericht hatte 2015 ein pauschales Kopftuchverbot an Schulen gekippt und die Bedeutung der Religionsfreiheit betont. Allein vom Tragen eines Kopftuches geht demnach keine Gefahr aus. Laut NRW-Innenministerium wird das Tragen religiöser Symbole immer im Einzelfall geprüft. Laut Schulgesetz gilt die Neutralitätspflicht. Bei Gericht sind keine Fälle anhängig.

Bayern und Thüringen

Im bayerischen Erziehungs- und Unterrichtsgesetz ist zwar kein ausdrückliches Kopftuchverbot formuliert, wohl aber eine indirekte Anti-Kopftuch-Bestimmung. Religiöse Symbole sind unzulässig, sofern sie bei Schülern oder Eltern «auch als Ausdruck einer Haltung verstanden werden können, die mit den verfassungsrechtlichen Grundwerten und Bildungszielen der Verfassung einschließlich den christlich-abendländischen Bildungs- und Kulturwerten nicht vereinbar ist». Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hatte diese Formulierung 2007 für rechtens erklärt. Der Freistaat hält weiter daran fest, auch nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2015. Das Kabinett hat aber auch klargestellt, dass künftig jeder Einzelfall geprüft werden soll.

Konfliktfälle sind laut dem thüringer Bildungsministerium nicht bekannt. Im Schulgesetz ist ein Neutralitätsgebot verankert, Werbung für Religionsgemeinschaften ist dort nicht erwähnt. Kopftücher bei «richterlichen Amtshandlungen mit Öffentlichkeitsbezug» sind ausschließbar, so das Justizministerium.

Saarland und Schleswig-Holstein

Die saarländische Landesregierung plant ein Kopftuchverbot für Angehörige der Justiz, sagte ein Ministeriumssprecher. Das Schulordnungsgesetz schreibt vor, der Erziehungsauftrag sei so zu erfüllen, «dass durch politische, religiöse, weltanschauliche oder ähnliche äußere Bekundungen» weder die Neutralität des Landes noch der Schulfrieden gefährdet oder gestört werden. Ein pauschales Kopftuchverbot gibt es nicht.

Schleswig-Holstein richtet sich nach dem Bundesrecht. Darüber hinaus gehende Regelungen – wie zum Tragen eines Kopftuches – seien nicht geplant, hieß es. Laut Justizministerium trägt eine Rechtsreferendarin Kopftuch. Ein Verbot, in Gerichtsverfahren Kopftuch zu tragen, gibt es nicht.

In Bremen dürfen Lehrerinnen und Schülerinnen ein Kopftuch tragen, so die zuständige Senatsbehörde.

Baden-Württemberg und Hessen

Beamte und Angestellte müssen sich laut Hessens Innenministerium religiös und politisch neutral verhalten. Das Tragen eines Kopftuchs im Unterricht sei möglich, solange der Schulfrieden nicht beeinträchtigt wird. Das Kopftuch kann aber bei konkreter Gefahr für die staatliche Neutralität untersagt werden. Ein sogenanntes Burkaverbot im Dienst ist im Tarifvertrag für die Angestellten des Landes verankert.

Laut Bundesverfassungsgericht ist es Lehrerinnen in Baden-Württemberg nicht generell verwehrt, ein Kopftuch zu tragen, so das Kultusministerium. Ein Verbot käme nur bei konkreter Gefährdung des Schulfriedens in Betracht. Eine noch von Grün-Rot angestrebte Änderung des Schulgesetzes wurde ad acta gelegt. Aus Sicht des CDU-geführten Kultusministeriums gibt es keinen dringenden Handlungsbedarf. Landesweit gilt ein Gesetz für das Verbot von religiösen und politischen Symbolen in Gerichten. Kritiker bemängeln, dass ehrenamtliche Richter von dem Verbot ausgenommen sind.

Sachsen und Brandenburg

Laut Kultusministerium in Sachsen können die Schulen selbst beurteilen, ob das Tragen eines Kopftuches den Schulfrieden beeinträchtigt. Generelle Vorgaben gebe es nicht. Das gilt auch für die Justiz.

In Brandenburg gibt es im öffentlichen Dienst keine Regelungen für den Umgang mit Kopftüchern als auch weitergehend mit Vollverschleierungen für Arbeitnehmerinnen, teilte das Innenministerium mit. Bislang werde keine Notwendigkeit gesehen, Regelungen zum Zeigen religiöser Symbole im Schulgesetz zu verankern.

Mecklenburg-Vorpommern und Rheinland-Pfalz

Laut Regierungssprecher gibt es in Mecklenburg-Vorpommern keine zentrale Regelung zum Kopftuch und anderen religiösen Symbolen im öffentlichen Dienst. Dafür gebe es aktuell keinen Bedarf. Streitfälle seien nicht bekannt.

Das Dienstrecht Rheinland-Pfalz kennt kein pauschales Kopftuchverbot, betont ein Sprecher des Innenministeriums. Auch in der Justiz gibt es keine Vorschrift, die das Kopftuch bei Richterinnen oder Staatsanwältinnen ausdrücklich erlaubt oder untersagt, so ein Sprecher. Es gebe keinen juristischen Streit um das Kopftuch als Bekenntnis zum muslimischen Glauben. (dpa, iQ)

Leserkommentare

Ute Fabel sagt:
Warum pickt man immer nur das Kopftuch heraus? Nur weil es gerade von manchen Regierungen wie der iranischen oder der saudische staatlich zwingend angeordnet wird, und andere Regierungen wie die türkische es politisch aktiv fördern, darf gerade diesem Kleidungstück in Deutschland und Österreich keinesfalls ein Sonderrechtsstatus gegenüber den vielen anderen religiösen, politischen und weltanschaulichen sichtbaren Zeichen eingeräumt werden. Das wäre gemäß Artikel 3 Absatz 3 Grundgesetz verfassungswidrig und ein Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Es gibt zwei rechtliche korrekte Möglichkeiten: Entweder man erlaubt alle auffällige sichtbaren religiösen, weltanschaulichen oder politischen Kleidungsstücke und Symbole bei Lehrern oder keines. Da ich nicht will, dass Lehrer mit PEGIDA-Shirt, kommunistischem Blauhemd oder Salafistenbärten (mit dem markant abrasierten Oberlippenbereich, wie ihn Pierre Vogel und Sven Lau zum Ausdruck ihres unverfälschten religiösen Bekenntnisses zur Scharia tragen), sollte der Berliner Bürgermeister das Berliner Neutralitätsgesetz mit Zähnen und Klauen gegen ideologische Attacken verteidigen, die in Wahrheit auf eine Sonderbehandlung abzielen.
08.05.18
13:19
Johannes Disch sagt:
@Ute Fabel (08.05.18, 13:19) Man pickt das Kopftuch nicht heraus. Das ergibt sich daher, dass von dem Berliner Neutralitätsgesetz nun mal vor allem Musliminnen betroffen sind. Und weil der immer wieder erholte Vergleich mit PEGIDA-Shirts und ähnlichem völlig schief ist, das wurde hier nun schon so oft erläutert, dass ich mir das Hamsterrad hier spare. Musliminnen wollen auch keine Sonderbehandlung. Sie wollen nur etwas, das eigentlich selbstverständlich sein sollte: Die Wahrnehmung ihres Grundrechts auf Religionsfreiheit. Das Urteil dürfte bald da sein. Für 13 Uhr hat das Gericht die Urteilsverkündung angesetzt. Es scheint sich etwas zu verzögern. Es ist bisher noch nicht da. Aber es wird bald kommen. Und danach geht es wohl dahin, wo das Gesetz längst hingehört hätte: Vor das Bundesverfassungsgericht nach Karlsruhe. Das Berliner Neutralitätsgesetz ist verfassungswidrig. Ein pauschales Kopftuchverbot verstößt gegen die Verfassung, so Karlsruhe in seinem Grundsatzurteil 2015.
09.05.18
13:22
Johannes Disch sagt:
@Urteil verkündet: Lehrerin darf nicht mit Kopftuch unterrichten. So entschied das Berliner Arbeitsgericht heute in erster Instanz. Nun dürfte es durch die Instanzen gehen bis hin nach Karlsruhe. Jedenfalls hatten das beide Seiten vorher angekündigt, sollten sie beim Arbeitsgericht unterliegen.
09.05.18
14:20
Sven Anatoli sagt:
Islamische Kopfverhüllungs-Tücher wirken auf viele Menschen provokativ und abstoßend. Kluge Frauen berücksichtigen dies und vermeiden provozierende Verhüllung.
10.05.18
9:27
Johannes Disch sagt:
@Sven Anatoli (10.05.18, 9:27) Genau. Miniröcke wirken auf manche Männer sexuelle erregend. Kluge Frauen vermeiden einen Minirock, da er auf manche aufreizend wirken und zu sexuellen Übergriffen führen könnte. Kluge Frauen berücksichtigen dies und vermeiden solche provozierende Entblößungen.
10.05.18
12:59