Fremdenfeindlichkeit

Fremdenfeinde suchen WM-Sündenböcke

Mesut Özil wurde nach der historischen WM-Pleite schnell zum Sündenbock erklärt. Für den renommierten Politikwissenschaftler Herfried Münkler nicht nachvollziehbar. Er kritisiert die fremdenfeindlichen Verbalattacken auf deutsche Nationalspieler.

08
07
2018
Mesut Özil
Mesut Özil © Facebook, bearbeitet by iQ.

Der renommierte Politikwissenschaftler Herfried Münkler hat fremdenfeindliche Verbalattacken auf deutsche Fußball-Nationalspieler mit Migrationshintergrund scharf kritisiert. Dahinter stehe „das Projekt, unsere Einwanderungsgeschichte zu leugnen“, sagte der Autor von Werken wie «Die Deutschen und ihre Mythen» oder „Die neuen Deutschen: Ein Land vor seiner Zukunft“ der Berliner „tageszeitung“ (taz) vom Wochenende.

Rechtspopulisten und Rechtsradikale planten indes, „ein Projekt der Remigration einzuleiten, anstatt die Ankömmlinge, und mögen sie die Kinder oder Enkel von Migranten sein, möglichst gut zu integrieren“.

Daher agiere etwa die AfD „auf der symbolischen Ebene gegen Spieler mit Vornamen wie Jérome oder Ilkay oder Mesut“, sagte Münkler (66), der an der Berliner Humboldt-Universität lehrt. „Wenn diese dann fußballerisch keinen guten Tag haben, wird das ausgenutzt – und sie werden zu Sündenböcken.“ Dabei seien die deutschen WM-Teams von 2006, 2010 und 2014 „eine Neuerfindung des deutschen Fußballs“, „eine Widerspiegelung der Vorstellung von gelingender Integration“ gewesen.

Angriffe auf deutsche WM-Fußballer aus Zuwandererfamilien wie Mesut Özil, Ilkay Gündoğan oder Jérome Boateng gibt es im Internet und auch von rechtspopulistischen Politikern schon länger. Nach den umstrittenen Fotos von Özil und Gündoğan mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan und den schwachen WM-Spielen der deutschen Nationalspieler nahmen diese Attacken nochmals zu. (dpa, iQ)

Leserkommentare

Manuel sagt:
Mesut Özil und Ilkay Gündoğan habe sich mit einem Islamisten, Antidemokraten und Diktator fotographieren lassen und auch noch so getan, als wäre er ihr Präsident. Das allein reicht schon!
08.07.18
14:08
Ute Fabel sagt:
"Nach den umstrittenen Fotos von Özil und Gündoğan mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan nahmen diese Attacken zu" Es äußerst positiv zu bewertet, wenn platte politische Propaganda von Sportlern für Politiker mit autoritärem Führungsstil eine negative Resonanz auslöst. Die österreichisch-russische Opernsängerin Anna Netrebko wurde auch heftig dafür kritisiert, dass sie im Jahr 2012 dem Prominentenkomitee für Putin angehörte. Mit Rassismus und Ausländerfeindlichkeit hatte das rein gar nichts zu tun. Im Jahr 2018 hat sie ihre Lehren daraus gezogen und sie wohlweislich im russischen Wahlkampf Position zu beziehen. Die Herrn Özil und Gündoğan sollten sich an ihr ein Vorbild nehmen. Ein weises, altes Sprichwort lautet: "Schuster, bleib bei deinen Leisten!"
09.07.18
9:09
Oezcan sagt:
Schreiben an den Präsidenten des DFB Herrn Reinhard Grindel. Sehr geehrter Herr Grindel, Ihre unbedachte und reflexartige Vorgehensweise in der Causa Özil wird in die deutsche Fußballgeschichte als Paradebeispiel für Entfremdung und Diskriminierung, fatalerweise mit einer negativen Signalwirkung für junge Menschen in Deutschland, eingehen. Sie stehen einem Fußballverband mit über 7 Millionen Mitgliedern vor und tragen deshalb eine große Verantwortung für die Gesellschaft und den Sport, der Sie bei der inszenierten Auseinandersetzung um Özil leider nicht gerecht geworden sind. Bei der Dämonisierung von Menschen, die in einer freiheitlich demokratischen Grundordnung offen ihre Standpunkte vertreten, haben Sie leider mit Ihrem unentschuldbaren Beitrag Vorschub geleistet. Und das, obwohl Sie in Ihren Statements regelmäßig charakterstarke Persönlichkeiten und keine weichgespülten Fußballspieler fordern. Nachdem Özil sich mit dem demokratisch gewählten türkischen Staatspräsidenten hat ablichten lassen, haben Sie und Herr Bierhoff den verdienten 92-maligen Nationalspieler den Löwen (Medien) zum Fraß vorgeworfen. Nach dem Motto „Der Mohr hat seine Arbeit getan, der Mohr kann gehen“. Man hätte sich gewünscht, dass Sie diesem Rassismus entgegenstehen und die Spaltung der Gesellschaft nicht auch noch begünstigen. Wie sowas nachhaltig funktioniert, hat die schwedische Nationalmannschaft eindrucksvoll demonstriert. Es war in der Vergangenheit kein Problem die Nationalhymne nicht mitzusingen, es war kein Thema, wenn sich deutsche Nationalspieler wie Klose und Podolski in polnischer Sprache auf dem Platz unterhalten haben, es war unerheblich, wenn andere deutsche Nationalspieler sich mit Politikern von anderen Ländern haben ablichten lassen. Bei Özil setzt man aber zu Unrecht einen anderen Maßstab an und zeigt dabei die ganze Doppelmoral in der Debatte und fördert noch die geheuchelte und nicht nachvollziehbare Medienschelte. Selbst nach über 57 Jahren der jüngsten Migrationsgeschichte fehlt es Ihnen immer noch an Sensibilität bei der Beurteilung von Aussagen Ihrer Spieler mit Migrationshintergrund. Spieler wie Özil, die in Deutschland bilingual und mit einer doppelten Identität aufgewachsen sind, was definitiv eine kulturelle Bereicherung für unser Land darstellt, sehen den Bundespräsidenten Herrn Steinmeier als ihren Präsidenten und die Bundeskanzlerin Merkel als ihre Kanzlerin an. Es gebührt aber auch der Respekt gegenüber den Eltern und Vorfahren sowie der türkischen Community, dass man dem Präsidenten des Herkunftslandes ihrer Familie auch ehrlichen Respekt entgegenbringt. Zur Erinnerung: Mit den Schlagwörtern „Respekt“ und „Gegen Rassismus“ wirbt die FIFA regelmäßig in ihren Videobotschaften. Das Signal, was Sie den jungen aufstrebenden türkischstämmigen Spielern in Deutschland senden, mutet bisweilen befremdlich an. Sie werden sich in der Zukunft zweimal überlegen, ob sie für die deutsche Nationalmannschaft antreten und damit das Risiko eingehen, auch als verdienter Spieler in der Zukunft diskriminiert und verraten zu werden oder für die türkische Nationalmannschaft, wo es alleine auf die sportliche Qualität und nicht auf die politische Gesinnung ankommt. Als Deutschland im Jahre 1990 Weltmeister wurde, habe ich „nur“ mit meinen deutschen Freunden ausgiebig gefeiert. Als Deutschland im Jahre 2014 mit Özil und Co. Weltmeister wurde, waren wir alle Weltmeister! Dieser Zusammenhalt der Gesellschaft/Mannschaft wurde jetzt durch die unsägliche Diskussion über Özil, die Sie auch noch angeheizt haben, massiv in Mitleidenschaft gezogen. Es stellt sich in der Konsequenz die Frage, welche langfristigen Ziele Sie verfolgen. Wer Integration will, aber Assimilation meint, darf sich nicht wundern, wenn er in der Vorrunde einer Weltmeisterschaft rausfliegt. Wenn der grassierende Rassismus größer ist als der Gewinn einer Weltmeisterschaft, stehen uns in der Zukunft unruhige Zeiten bevor. Es bleibt ihre gesellschaftliche Aufgabe, wie Sie sich zukünftig positionieren wollen. M. Teyfik Oezcan Freier Journalist
09.07.18
14:41
Andreas B sagt:
Özil und Gündoğan wurden vom türkischen Präsidenten eingeladen und haben zugesagt. Daran ist nichts auszusetzen. Vor allem stellt dies noch keine Parteinahme für die Politik Erdoğans dar. Im übrigen schmücken Staatsführer sich gerne mit Sportlern. Und mit sportlichen Veranstaltungen. Der größere Skandal ist, dass die Fußball-WM in Russland stattfindet und Infantino sich zu den Musterdemokraten aus Russland und Saudi Arabien setzt. Da hält sich die Kritik allerdings in Grenzen. Rumgehackt wird da lieber auf Fußballspieler, weil man da auch gleich noch seinem Rassismus freien Lauf lassen kann.
09.07.18
16:41
Johannes Disch sagt:
Die Aktion von Gündogan und Özil vor der WM war sicher nicht sehr intelligent. Aber was der DFB nun mit Özil macht, das ist eine Schweinerei! Da wird-- vor allem von Oliver Bierhoff-- auf ganz billige Art und Weise nach einem Sündenbock gesucht.
10.07.18
11:01
Johannes Disch sagt:
@Andreas B. (09.07.18, 16:41) Was ihre Kritik an die Vergabe der WM nach Russland betrifft, da bin ich ganz ihrer Meinung. Das ganze wird noch getoppt durch die Tatsache, dass die nächste WM in Katar stattfindet. -- Özil und Gündogan wurden vom türkischen Präsidenten eingeladen und haben zugesagt. Daran ist nichts auszusetzen. Vor allem stellt dies noch keine Parteinahme für die Politik Erdogans dar." (Andreas B.) Ganz so einfach ist die Sache meines Erachtens nicht. Eine Einladung muss man nicht annehmen. Emre Can-- ebenfalls deutscher Nationalspieler türkischer Herkunft-- hat diese Einladung abgelehnt. Keine Parteinahme für die Politik Erdogans??? Nun, zumindest bei Ilkay Gündogan sind da Zweifel angebracht. Gündogan unterschrieb sein Shirt mit: "Für meinen verehrten Präsidenten Erdogan." Der von Gündogan so verehrte Erdogan tritt die Werte, für die die deutsche Nationalmannschaft steht-- und deren Repräsentanten auch die Spieler Gündogan und Özil sind-- seit Jahren mit Füßen! Wie müssen sich die in der Türkei noch immer inhaftierten deutschen Staatsbürger gefühlt haben bei diesem Statement?? Der Präsident von Ilkay Gündogan hat niemand anderes zu sein als Frank-Walter Steinmeier! Angesichts von Gündogans Statement muss man im Falle Gündogans bescheinigen: Integration gescheitert! Allerdings muss man im Fall Gündogan auch die Hintergründe kennen: Der Junge hat in seiner türkischen Heimatregion sage und schreibe 7 Millionen Euro in Bauprojekte investiert. Angesichts des Einflusses der AKP sind solche Investments dort nur sicher und rentabel, wenn man sich mit den örtlichen AKP-Funktionären gut stellt. Gündogan wird sich gedacht haben: Pfeif doch auf die schlechte Presse zu Hause. Hauptsache, meine Kohle geht nicht den Bach runter! Vom ökonomischen Standpunkt her betrachtet ist das sogar nachvollziehbar. Bei Özil war es einfach nur unglaubliche Naivität. Bei Gündogan hingegen ökonomisches Kalkül. Entschuldbar ist das Verhalten beider nicht. Als Teil einer Mannschaft, die gewisse Werte vertritt, kann man sich nicht mit einem Politiker fotografieren lassen, der diese Werte seit Jahren mit Füßen tritt. Und die Signatur von Gündogan setzt dem ganzen die Krone auf! Alles konzentriert sich auf Özil. Dabei ist der eigentliche Skandal die Widmung von Gündogan! Dennoch: Das momentane Verhalten des DFB gegenüber Özil ist unmöglich! Man hatte vorher nicht das Rückgrat, die beiden zu Hause zu lassen. Und nun sucht man mit Özil einen Sündenbock für die total verunglückte WM. Das ist nicht besser, als der Leichtsinn von Özil und Gündogan.
10.07.18
16:07
grege sagt:
Erdogan ist ein autokratischer Politiker, der unliebsame Menschen schlichtweg drangsalieren und sogar einsperren lässt. Aus dem Grunde ist das Verhalten von Özil und Gündogan scharf zu verurteilen, die freiwillig dieser Einladung gefolgt sind und sich in dieser Pose abbilden ließen. Emre Can hat sich einer ähnlichen Einladung beispielsweise widersetzt. Aber natürlich ist es wieder einmal sehr verführerisch, Kritik an diesen beiden Spielern mit Rassismus gleichzusetzen.
10.07.18
21:46
Charley sagt:
@Johannes Disch 10.07.18 16:07: Bin ganz Ihrer Meinung. Das Problem hinter dem ganzen Theater ist die Frage: Wie "deutsch" muss ein Nationalspieler der "Deutschen Nationalmannschaft" sein. Wer Erdogan als "seinen Präsidenten" bezeichnet, bekennt sich wohl nicht mehr zu seiner deutschen Staatsbürgerschaft.. und richtig: das Geld zählt hier (Gündogans Investments in der Türkei). Das Ganze wird dann ein Theater für die naiven nationalen Gefühle der Bevölkerung, während der DFB, die FiFa usw.. längst auf einem kalten, pekuniären Niveau arbeiten und denken, ... gern auch an der Grenze der Legalität (Vergabepraktiken der WMs). Etwas ähnliches spielt sich auch in der Bundesliga ab, denn was haben die vielen ortsfremden, "eingekauften", "ausgeliehenen" Bundesligafußballer mit den "örtlichen" Vereinen zu tun, die ganz an die naiven Identifkationsgefühle der Ortsansässigen appellieren ("Mia san mia" in München, "eine Liebe" in Dortmund (BVB))... Der Skandal lliegt im Fußballsystem.
11.07.18
3:55
Johannes Disch sagt:
@Charley (11.07.18, 3:55) -- "Der Skandal liegt im Fussballsystem." (Charley) Ganz ihrer Meinung. Und keiner der Herren vom DFB ist bisher zurückgetreten. Man hat zwar ein historisches WM-Desaster zu verantworten-- aber deshalb zurücktreten? Nicht beim DFB. So kurz vor einer wegweisenden Wahl in der Türkei so ein Foto zu machen-.- noch dazu mit Gündogans unseliger Widmung-- ist keineswegs "privat", sondern unverhohlene Wahlkampfhilfe. Und wer -- wie Gündogan-- den Autokraten Erdogan als "seinen (verehrten) Präsidenten" bezeichnet-- dem möchte man zurufen: "Dann geh doch rüber!" (In die Türkei). Das ist sowieso der Punkt, wo mir die Galle hoch kommt: Dass die hier lebenden "Auslandstürken" überwiegend Erdogan wählen! Hier bei uns die Freiheiten genießen, die Erdogan dort abschafft! Aber ihn wählen. Diese "Auslandstürken" müssen ihre Wahl nicht ausbaden! Die müssen nicht mit den Folgen ihrer Wahl leben. Die Bevölkerung in der Türkei hingegen schon. Und wer sich jetzt über die Reaktion des DFB echauffiert ("Rassismus"): Es ist kein Rassismus. Es ist nur die billige Suche nach einem Sündenbock; der sollte eines bedenken: Erdogans unzählige Eingriffe in Deutschland ("DITIB") und seine unseligen Wahlkampfauftritte in Deutschland, beispielsweise 2008 in Köln, wo er die hier lebenden Türken unmissverständlich aufforderte, die Integration zu verweigern! Bleibt Türken, war seine Botschaft! Dagegen verblasst der aktuelle unfaire Umgang mit Özil zu einer Petitesse.
11.07.18
15:47
Johannes Disch sagt:
Ich bin immer dagegen, Dinge gegeneinander aufzurechnen. Also sollte ich das auch nicht tun. Gewisse Wahlkampfauftritte Erdogans in der Vergangenheit in Deutschland waren nicht okay. Das Verhalten von Gündogan und Özil war einfach töricht. Aber der Umgang, den der DFB im Augenblick mit Mesut Özil pflegt, ist auch nicht okay.
13.07.18
14:30
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