23 Jahre nach dem Genozid in Bosnien dauert die Identifizierung der Toten noch immer an. Die Wunden des größten Kriegsverbrechens nach dem Zweiten Weltkrieg in Europa sind bis heute nicht verheilt. Büşra Delikaya schreibt über Srebrenica und seine Symbolik.
Ein Szenario legt sich zwischen meine Hirnwände, das sich mit dem Vernehmen bestimmter dreier Silben jedes Mal aufs Neue ausstreckt, mich und mein Tagdösen an gewissen Tagen dauerhaft begleitet. In diesem mentalen Schauspiel tanzt Gut und Böse aus der Reihe, Recht und Ordnung wirbeln bei ihrem Abgang noch mit dem letzten Staub einer Stadt der guten Tage. Dann bricht Hitze ein, zusammen mit einer Truppe, grün und geladen, mit Waffen in den Händen und Wahnsinn in den Augen. Sengende Sonnenstrahlen tanzen auf einer alten Batteriefabrik ihren letzten Aufgang, heute wird eine ewige Nacht in diesen Ort hineingetragen werden.
Aufeinander hockende Menschen warten auf Ungewisses, die Stimmung kaum benennbar. Verzweiflung und Furcht lugen aus jedem Winkel, sie mussten gespürt haben, was sie erwartet. Sie mussten gewusst haben, dass sie oder mindestens ihre Familien sterben werden. Wie muss sich das angefühlt haben?
Wahrscheinlich weinende Kinder, wahrscheinlich die Köpfe in die Schöße ihrer Mütter grabend, vermutlich alle Augen unentwegt auf den Blauhelmen haftend, nach Antworten wachend, harrten sie zwischen den kahlen Fabrikwänden aus. Der Tag schien womöglich unüberbrückbar bis die Nacht sie in eine Geräuschkulisse roher Brutalität einbettete. Ab und an kamen Schüsse, ab und zu Schreie, manchmal wurden Mädchen und Frauen mitgenommen, um unter eine spätere Ziffer der gezählten Massenvergewaltigungen zu fallen.
An diesen Tagen, da wurde versucht Schrecken zur Normalität zu formen. Gerechtigkeit wurde mit Füßen getreten, die Weltkugel über sie gerollt. Und dann wurden die Überbleibsel abgeschabt und das bisschen Restleben der Stadt unserer Weltgemeinschaft vorgeführt, um sie der Menschheit zu verfüttern, in dem Glauben lassend, es gäbe sowas wie Moral. In diesen Minuten, rings um die Enklave Srebrenica, fand ein Massaker statt, dessen Ausmaß Jahre danach anhalten sollte. Jungen und Männer wurden abgeführt, in Busse deportiert und absurd akkurat eingereiht. Die Jungen; sie waren teilweise 16, manche erst 10 Jahre alt. Es waren so viele junge Leben, so viele Kinder unter ihnen. Srebrenica wurde jegliches Anrecht auf Frieden genommen. Und was ist mit der Kindheit der Kleinen, die sich vor einer Bürde niedersanken, die konnte kein Ausgewachsener ansehen. Teilweise wird von Kindern berichtet, die sich niederknieten, um exekutiert zu werden. Was machen wir mit ihnen, ihrem Nachruf, ihrer unvollendeten Zukunft? Wie lässt sich so etwas jemals verarbeiten?
Diesen Jungen und etlichen Männern wurde vor Augen ihrer Mütter, Schwestern und Frauen befohlen, ihre Ausweise ins Feuer zu werfen, mit der Begründung: „Ihr braucht sie nicht mehr.“ In abgelegenen Orten Srebrenicas verteilt, wurden sie in abscheulicher Ordnung aufgestellt, in Reih und Glied, um anschließend nacheinander erschossen zu werden. Eine Exekution, wie ich es mir in dunkelsten Momenten nicht auszumalen vermochte, ein fein säuberlicher Akt von Unmenschlichkeit, den zu vergessen Mitschuld daran bedeuten würde.
Es ist in der Tat zwecklos die damalige Pein auch nur annähernd vor mein bildliches Auge zu zeichnen, kein Deut an Vorstellungskraft würde genügen, um sich in die damalige Lage Potočaris und Srebrenicas hineinzuversetzen, gar einzufühlen. Denn allein die Tatsache, dass 8372 unschuldige Menschen unter den Augen derer starben, die kamen, um sie zu schützen, den Frieden zu sichern, und dies nicht etwa vor 2 Jahrhunderten geschah, als man meinen könnte, die Menschen seien vor lauter Kriegsperioden der unsäglichen Barbarei verfallen, sondern vor 23 Jahren inmitten Europas, die reicht irgendwie doch aus, um sich im Dickicht der Fassungslosigkeit, des Unverständnis, der Wut wiederzufinden. Jenes Europa, das nun Vorbild für all die anderen Flecken der Erde sein soll. Das Europa, das seine vergoldeten Sterne auf seiner Flagge in selbstverständlicher Autorität über uns wehen lässt. Ein Kontinent, das sich als normative Richtlinie zivilisatorisch-bürgerlicher Werte dünkt. Viel mehr noch: Unser Europa, das mir vor 23 Jahren Heimat, ihnen vor 23 Jahren Grab wurde. Ich hatte das Privileg die Welt zu erblicken, fünf Monate bevor andere ihre zu schließen gezwungen wurden, einfach weil die militärische Generalität das so beschloss.
Es war das Jahr 1995, als ich auf eine Welt kam, die sich langsam rüstete, um für Tausende ein Massengrab zu werden, ganz in alter Manier. Ein Ort, der einen gesamten Kontinent im Morden übte und seine anderen mit vollkommener Passivität lähmte. Ich muss sagen, Srebrenica war schon immer mehr Gefühl statt Begriff für mich. Glasige Augen und schluckende Stimmen erzählten von einem Bruchteil des Leides, von einem Kriegsverbrechen, das auf globaler Schaubühne von Statten ging. Es berührte mich seit jeher auf eine Weise, wie sie es der Name Ruandas, Halabjas, Nankings oder Gazas tat. Jedes Mal da horchte ich bei dem Namen unwillkürlich auf, es jagt mir damals wie heute mit jeder seiner Silbe eine Gänsehaut hoch und ich halte auf den darauffolgenden Momenten inne, um die Qual, die dieser Begriff noch heute auf seinem Klang trägt, aufzufassen, zu halten. Ich wollte Srebrenica verstehen, ich wollte begreifen, was vor einer solch relativ kurzen Zeitspanne nur 1.300 km von mir entfernt geschah.
Während meiner Abiturzeit habe ich zum ersten Mal die Gelegenheit bekommen, in Form einer Präsentationsprüfung, mich mit diesem Thema intensive auseinanderzusetzen. Es war eine Chance, mich von allen Vorerzählungen abzunabeln, durch Nächte voller Augenzeugenberichte, Fotografien, Dokumentationen und Sekundärliteratur auf ein bewusst neutrales Feld zuzusteuern. Mich selbst in dieses Verbrechen hineinzufinden und auf persönliche Weise zu verarbeiten. Ich schaltete all die Emotionen mühselig aus, las mich in die komplexe Materie hinein, versuchte politische Kontexte mit regionaler Geschichte zu verbinden, Geopolitik mit geschichtlichen Hintergründen zu verknüpfen. Am Ende, als ich den letzten Punkt setzte, die letzte Probe der Präsentation durchführte und mein mäßiges Wissen sich nun eingebrannt hatte, da merkte ich, wie ich eine Wut und Trauer verspürte, die vorher nicht ansatzweise da war. All die außen vor gelassenen Emotionen, die ich zu unterdrücken versuchte – denn ich wollte ja Neutralität wahren, ich wollte auf wissenschaftlicher Basis erkennen – die kamen hoch und streiften meine Naivität ab.
Heute frage ich mich: Was nur hatte ich erwartet? Wie hätte ich angesichts der Bilder von so vielen Frauen, Kindern und alten Menschen, eingepfercht in Busse wie wertlose Ware, menschliche Würde jedem Einzelnen von ihnen auf grausamste Art abgesprochen, ein erhitztes Gemüt verhindern sollen? Wie hätte ich keine Tränen vergießen können, als ich über die Kinder, die aus den zahllosen Massenvergewaltigungen geboren wurden, las und als mich die Zahlen der vergewaltigten Mädchen und Frauen in ihrer Größe mental abschnürten. Die junge Frau, die sich an einem Baum erhängte, nachdem ein serbischer Offizier sie vergewaltigte und das Abbild ihres tragischen Schicksals in Form eines gebrochenen Frauenkörpers am Aste eines Baumes baumelnd, ließen mich tagelang nicht schlafen. Vielleicht, weil ich es immer wieder unentwegt anstarrte und mir dabei ausmalte, was für eine Person sie war, was ihre letzten Gedanken waren. Warum ich das tat, weiß ich nicht. Ich schätze, es ging mir wieder nur um das Begreifen.
Und ich weiß noch, wie ungläubig ich das Video von dem Treffen Thomas Karremans‘ mit Ratko Mladić ansah, das unmittelbar vor dem Massaker stattfand, wieder und wieder auf meinem Monitor abspielte, bei jedem Mal auf eine andere Sache fixiert war. Aber ich kann mich bis heute nicht entsinnen, vielleicht aber auch nicht entscheiden, was mich damals mehr in Schockstarre versetzte. Der Blick von Karremans, dem Befehlshaber der niederländischen UN-Einheit „Dutchbat III“, seine jämmerliche Ergebenheit und devote Unterordnung, wie er dastand, einfach nur da stand, und einem Mörder in vollem Bewusstsein zuprostete, um verängstigt sein eigenes Leben zu sichern.
Oder Ratko Mladić, ehemaliger Oberbefehlshaber der bosnischen Serben, der ihm lachend versprach, ihn und seine Soldaten sicher zurück zu ihren Frauen und Kindern zu schicken. Hier ein unerbittlicher Mörder, der Menschenleben mit Macht aufwog. Dort ein jedem Buchstaben dieses Wortes gerecht werdender Feigling, der sich aus dem Weg zurückzog, um Platz für den Tod massenweiser Unschuldiger zu machen. Mladić beorderte den Tod, Karremans fügte sich dem. Sekt wurde für zur Hinrichtung Verdammte gehoben. Zwei klirrende Gläser, die das Schicksal von Tausenden besiegelten. Und ich, ich begriff noch immer nicht, vielleicht sogar noch weniger als vorher. Wie Augen in kaltblütiger Freude blitzen, wie ein Mund sich so enorm glaubhaft gelassen in verschmitztes Lachen formen konnte, wenn Leben auf dem Spiel standen. Tausende von Leben. In dem Video fiel aber ein Satz von vielen, der in seiner Symboltracht herausstach, mich fortan den unvorstellbaren Schrecken Srebrenicas nicht vergessen ließ:
„Ich bin bloß der Klavierspieler, erschießen sie keinen Klavierspieler.“
– Thom Karremans zu Ratko Mladić
Kein einziger Satz begegnete mir seitdem, der in seiner Banalität fähig war, so viel Sprachlosigkeit auszudrücken, diese Ungerechtigkeit zusammenzufassen. Sei es die Niedertracht der Blauhelme, die nun nichts anderes anvisierten, als das Erretten ihrer eigenen Haut und dies um jeden Preis erkämpften, wie eben auch mit jener dumpfen und fast schon flehenden Anmerkung Karremans. Oder die taktisch durchdachte Schwächung der niederländischen Soldaten und ihrem Befehlshaber, die Mladić systematisch und gleichzeitig unerschütterlich mit Geiselnahmen, Drohungen und dezidierten Forderungen, aber vor allem durch seine eiskalte Attitude heraufbeschwor. Wohl auch, weil er als apodiktische Obrigkeit der Streitkräfte all die Macht zugesprochen bekam, diese aufsog und sich seiner Stärke, die in falsche Hände gelegt wurde, überaus bewusst war. Er agierte, wie er fühlte: Hasserfüllt. Noch heute werden diese Hände reingewaschen und das an ihnen klebende Blut, mit patriotischem Propaganda übermalt. Einige seiner Landsleute, die sich vor seiner Festnahme im Jahr 2011 dafür aussprachen, seinen Aufenthaltsort geheim zu halten, stoßen auf unnachvollziehbar viel Zuspruch. Vor knapp drei Jahren erst, schrieb eine serbische Zeitung, es hätte dieses Massaker nie gegeben.
Über Mladić lässt und ließ sich nicht selten streiten. Auf der einen, kleineren Seite, da wurde er als verkannter Nationalheld und tapferer Volkskämpfer gefeiert, auf der anderen verflucht und gehasst. Doch eine Sache kann von keiner der beiden Standpunkte geleugnet werden: Ratko Mladić war gut in seinem Kalkül. Ein unerbittlicher Verbrecher, jeglichen Sinn für Menschlichkeit im Keim erstickend, Emotionen vom Weg räumend, nur mit roher Gewalt vertraut, nahm er in berechnendem Vorgehen Leben, als würde er vor einem Strategiebrett sitzen und Schiffe versenken. Gelassen und grausam. Empfindungslosigkeit und Gefühlsarmut trieben ihn an, mit hartgesonnener Mimik und als unmenschlich entpuppender Rhetorik an dem Urteilskennzeichen IT-09-92, das im Internationalen Gerichtshof für Verbreitung von Terror, Geiselnahme und Verbrechen gegen die Menschlichkeit steht, reuelos vorbeizuziehen. Ein Vater, der sich trotz des offensichtlich durch seine Tat erzeugten Selbstmordes der eigenen Tochter und ein Mensch, der sich im Schatten einer gigantischen Totenzahl wie 8372, unter der andere vermutlich zusammenbrechen würden, keiner Schuld bewusst ist – bei all den Verhandlungssitzungen gar als vorlaut und unsäglich beschrieben wurde, Aussagen wie „Ich bin Ratko Mladić, die ganze Welt weiß, wer ich bin“ und „Ich will eine ordentliche Verteidigung. Nicht bloß irgendeinen Mann“ traf, die die Dimension seines Geltungsdranges nur allzu gut erahnen lassen. Ratko Mladić– ein Monstrum, das einer krankhaften Profilneurose erlegen ist. Die Bürde, die er zu tragen lebt, ist für ihn allem Anschein nach nicht schwerer, als sein Gewissen taub ist.
Srebrenica ist offiziell Schauplatz eines blutigen Massakers, parallel aber auch einstiger Ort von verhandlungssicheren Uniformierten hinter verschlossenen Türen, die ihre Verantwortung ihrer Ämter unter diesen ließen und ein Fechtkampf um Leben und Tod, um Rettung und Mord ausführten. Lange hielt der Widerstand der UN-Soldaten nicht. Wenn er denn überhaupt da war, dann kaum merklich. Denn schon nach wenigen Monaten überließ die niederländische Truppe mit der Begründung, ihr Mandat und ihre Ausstattung reiche nicht aus, das von ihnen eigens als Schutzzone deklarierte Srebrenica, der bosnisch-serbischen Truppe. Die Dutchbat-Einheit forderte kurz vor dem Massaker unverzüglich Hilfe von Seiten der NATO in Form von Luftangriffen gegen die Armee Mladics ein. Diese wurde nach einem Mal und der darauffolgenden Drohung der serbischen Truppe eingestellt, all die internierten UNPROFOR-Soldaten, die als Geiseln festgehalten wurden, zu ermorden. Ein weiterer Versuch ernsthafter Intervention blieb bis zum Ende des Massakers aus, sodass die UN-Soldaten am 14. Juli nicht einen einzigen lebenden Bosniaken in Srebrenica auffanden. In der gesamten Stadt. Keine einzige Lunge, die atmete. Kein Mensch, der sich regte und kein Bewohner, der seines Lebens nicht beraubt wurde.
So versagten meinen Gedanken die Stimme, mit jeder neugewonnenen Zahl und jedem erworbenem Fakt, meine Emotionen sprachen aber ohne Halt. Und ich wusste, ich war naiv zu glauben, am Ende Srebrenica und sein Leid wirklich verstehen zu können. Niemand wird das jemals können, niemals. Es sind nun 23 Jahre vergangen und noch immer suhlt sich die UN in Schmach. So viele Jahre des Hin-und-Hers gebaren nichts, als gescheiterte Resolutionen, wie die Srebrenica-Resolution damals, und das ausgerechnet kurz vor dem 20. Jahrestag. Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag klassifizierte das Massaker als Völkermord, das UN-Kriegsverbrecher-Tribunal für das frühere Jugoslawien bestätigte dieses Urteil und Großbritannien brachte den Entwurf für die UN-Resolution ein. Russland hingegen weigerte sich dem zuzustimmen und legte Veto ein. Just missglückte die Resolution. Ein erneuter Rippenstoß für die internationale Gerechtigkeit, ein gewaltiger Schlag für die Hinterbliebenen.
Die Tränen der Mütter Srebrenicas sind in diesen Jahren nicht um ein Maß getrocknet, ihr Schmerz nicht um einen Grad gemildert, ersehnten sie nach ihren unwiderruflichen Verlusten nur nachträgliche Gerechtigkeit für etwas, das ohnehin hätte nie passieren dürfen. Gerechtigkeit ist also nur Mindestanforderung für Menschen, die teilweise ihre ermordeten Angehörigen nicht einmal beerdigen lassen konnten, weil die Überreste nicht auffindbar waren. Und sie waren auch dort, mitten im Krieg. Auch das darf nicht vergessen werden. Neben den Opfern, lebten auch die Überlebenden all die Kriegsstunden mit, wurden unfreiwillig zu Zeugen des Untergangs ihrer Stadt. Bis heute müssen sie neben dem Tod ihrer Nahestehenden, auch die Bilder eines Genozids verarbeiten.
Ich setzte nie einen Fuß auf die Erde Bosniens, trotzdem liebe ich sie, wie die Erde meiner Heimat. Einfach weil die Stärke, mit der die neue Generation die grauenvolle Geschichte ihres Landes verarbeitet, eine Tugend ist, die ein großes Bestreben ist. Aber auch der würdevolle Umgang dieses Volkes mit den Opfern des Massakers jedes Jahr, formte sich für mich zu einem allgegenwärtigen Mahnmal. Wie das heutige Srebrenica, das heutige Bosnien, die Mütter Srebrenicas mit ihrer Geschichte umgehen, das zeugt von Edelmut, von tiefer Verbundenheit, deren Mangel unsere Gesellschaft in einen Zustand lockt, der eben Gräueltaten wie die in Srebrenica zuließ und es heute noch, zum Beispiel in Syrien, zulässt.
Ich weiß, ich war naiv zu glauben, ich wäre fähig, Srebrenica zu verstehen. Zu begreifen, welches Ausmaß das Leid noch heute trägt. Doch ich versuchte. Und das allein genügte, um in Schwermut zu versinken. Und trotzdem irgendwie zu begreifen, auf eine Art und Weise, die mit Emotionen spricht. Die bosnisch-serbische Truppe hat nicht allein die Schuldlast zu tragen, die Vereinten Nationen und all die stummen Staaten, können sich unter die Schwere dieses Vergehens stellen. Srebrenica wird noch viele weitere Jahre seine Toten bergen, die Angehörigen ihre Familienmitglieder identifizieren müssen. Potočari wird viele weitere Begräbnisse aushalten und viele Mütter weitere Tage ohne ihre Söhne verbringen müssen. Und die Steintafel, die zum Gedenken der Opfer des Völkermordes errichtet wurde, ist gezwungen, bis zum Ende der weltlichen Existenz all die Namen der Getöteten in sich gemeißelt zu tragen. Welcher Stein verdient das?
Nichts ist fähig, diesen Schmerz vergänglich zu stimmen und es würde wohl an Ignoranz grenzen, zu glauben, es könnte. Aber wir können viel lernen, als Gesellschaft und als Weltgemeinschaft, können wir unendlich viel von Srebrenicas Schicksal und vor allem dem Umgang der Hinterbliebenen damit lernen. Es bleibt wohl nur noch zu sagen: Ich würde alles geben, Srebrenica ungeschehen zu machen.