Islamische Theologie

Darf sich der religiös-neutrale Staat so einmischen?

Ministerialrat Michael Oberkötter nimmt Prof. Mouhanad Khorchide demonstrativ in Schutz. Engin Karahan stellt heraus, dass mit einem solchen „Basta“ die religionsverfassungsrechtliche Ordnung oder die betreffende Theologie in Frage gestellt wird. Die Frage steht im Raum: „Wie weit darf sich der Staat einmischen?“

07
12
2013

„Das Land … lässt sich diese Schmähung seines Professors nicht gefallen. Wir stehen zu Ihnen.“

Eine Aussage, die in einem anderen Zusammenhang als staatliche Fürsorge verstanden werden könnte, entfaltet eine fatale Wirkung, wenn sie sich auf einen Theologieprofessor bezieht.

Diese Aussage soll die eines hochrangigen Wissenschaftsbürokraten eines Bundeslandes sein. Getätigt wurde sie in einem Umfeld, in dem eine heftige Debatte um die Inhalte der islamischen Theologie läuft. Aber auch ohne diese Debatte müsste gefragt werden, seit wann sich der religiös-neutrale Staat eigene Theologieprofessoren hält und diese auch noch gegenüber Widerständen der muslimischen Gemeinschaft und der breiten muslimischen Basis als „meinen Professor“ in Schutz nehmen darf?

Mit solch einer Aussage wird entweder die religionsverfassungsrechtliche Ordnung delegitimiert oder der betroffene Theologe. Mit diesem „Basta“ hat der betreffende Staatsdiener beiden Seiten keinen Gefallen getan.

Der Diskurs um islamische Theologie wird mit dieser Aussage nun immer mehr in einen anderen (und unterschwellig wohl von Beginn an gewollten, den „eigentlichen“) Diskursbereich verlagert: Was hat der Staat eigentlich in meiner islamischen Theologie verloren? Auf welcher Autorität außer seiner hoheitlichen Macht baut er eigentlich auf, wenn er mir als Muslim vorschreiben will, welche islamische Theologie ich als gut und welche als schlecht anzusehen habe?

Ist es doch gerade der eigene Anspruch von Pluralität und Religionsfreiheit des Grundgesetzes, der den Staat in dieser Hinsicht „unmusikalisch“, also neutral lässt. Können dann Staatsvertreter „in Sorge um die Muslime“ diesen vorgeben, wie sie ihren Glauben zu verstehen und auszugestalten haben?

Diese Aussage macht einen an dem Standort bisher als inner-theologisch geführte Debatte zu einem Streit darüber, wieweit sich der Staat eigentlich in den Glauben der Muslime einmischen darf. Eine Debatte, die vor der Etablierung der theologischen Standorte hätte geführt werden müssen und nicht wie jetzt erst gegen Ende eines Prozesses.

Was manche staatlichen Vertreter in ihrer „Sorge um die Muslime“ vergessen:

Ohne die muslimischen Gemeinschaften dürfen sie weder eine islamische Theologie an den Universitäten, noch einen Islamischen Religionsunterricht in der Schule „anbieten“.

Der verfassungsrechtlich neutrale Staat weiß weder wie eine „richtige“ islamische Theologie aussieht, noch wer diese vertritt. Deswegen muss er ja auf Religionsgemeinschaften zurückgreifen, wenn er Theologie „anbieten“ will.

Wenn staatliche Vertreter nun meinen „ihre“ Theologen gegenüber den muslimischen Gemeinschaften und der breiten muslimischen Basis in Schutz nehmen zu müssen, dann läuft dort verfassungsrechtlich etwas ganz heftig schief.

Leserkommentare

Walter Bornholdt sagt:
Islamische Vertreter berufen sich auf die Verfassung und mischen sich nahezu tagtäglich in Befindlichkeiten der deutschen Nichtmuslime ein - mit Wünschen und Forderungen wegen irgendwelcher religiöser Erfordernisse. Hält man dagegen ist man Rassist und Fremdenfeindlich. Erst ist dieser Khorchide genehm, dann wieder nicht ... Und Sie wollen doch alle ernst genommen werden?! "Wie kann ich Respekt vor Lug und Trug und der Dummheit anderer haben", sagte schon der große Schopenhauer
09.12.13
8:16
Ali M. sagt:
Alles braucht seine Zeit. Insofern hat der Herr Bornholdt mit seinem Kommentar durchaus recht. Auch ich stelle fest, dass inzwischen fast täglih Forderungen an die Politik durch Islamverbände gestellt werden. Wenn wir ernst genommen werden wollen, müssen wir auch Geduld haben. Es ist ja umgekehrt kein Geheimnis das Christen z.B. selbst in der Türkei immer noch einige Probleme haben. Das bleibt auch den Nichtmuslimen hierzulande nicht verborgen und fördert damit oft bekannte Vorbehalte. Wollen wir bessere Verhältnisse für die Muslime hier, sollte auch den Christen in diesen Ländern mehr entgegenkommen gewährt werden.
11.12.13
19:38
Tariq sagt:
Der Autor des obigen Artikels gibt die Aussagen von Ministerialrat Herr Oberkötter in seiner Eröffnungsrede zur Tagung "Islam in Deutschland" völlig falsch und verzerrt wieder und muss sich anscheinend verfassungsrechtlich fortbilden: 1. Ministerialrat Oberkötter sagte laut der Facebook-Seite von Prof. Mouhanad Khorchide dies: "Ich darf das auch im Namen der Landesregierung ganz ausdrücklich sagen: die am Sonntag dem 1. Dezember von den im KRM zusammengeschlossenen Verbände unter der Leitung ihres derzeitigen Sprechers Herrn Bekir Alboga gelebte Verantwortung hat Weitsicht, großes Geschick und eine zutiefst akademische Vorgehensweise offenbart. Hierfür mein ganz herzlicher Dank! Es ist in diesem Zusammenhang allerdings bedauerlich, welch zum Teil völliges Unverständnis in den Medien zu Tage trat. Mag es an unzureichender Recherche liegen oder doch vielleicht an einer Überforderung durch die Vielschichtigkeit der Sachverhalte? Ganz und gar unhaltbar und völlig unangemessen ist aber das zu bewerten, was sich in verschiedenen Blogs und sozialen Foren ausgetobt hat. Hier wurden alle Register der Desinformation, Verleumdung, Hetze und Stumpfheit gezogen, die wohl aufzutreiben waren. So einem respektlosen, intoleranten und von großem Nichtwissen geprägten Verhalten gilt es mit aller Entschiedenheit entgegenzutreten. Und dies geschieht am besten mit Bildung, Bildung und nochmals Bildung. Ich möchte an dieser Stelle Herrn Prof. Dr. Mouhanad Khorchide versichern: Das Land Nordrhein-Westfalen lässt sich diese Schmähung seines Professors nicht gefallen. Wir stehen zu Ihnen. Wir wollen den Erfolg dieses Zentrums für islamische Theologie an unserer Universität in Münster! Davon bringt uns so schnell keiner ab, und schon gar nicht diejenigen, die mit dieser "Story" nur eins im Sinn haben: zu hetzen, zu schmähen und zu zerstören. Respekt ist diesen Menschen fremd." 2. Prof. Khorchide ist Beamter des Staates. Art. 33 Abs. 5 GG sichert mit den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums einen Kernbestand von Strukturprinzipien des Beamtenrechts, hierzu zählt insb. die Schutz- und Fürsorgepflicht des Staates als Dienstherrn ggü. seinen Beamten. Der Ministerialrat hat also nicht nur das Recht, sondern auch die verfassungsrechtliche Pflicht, die Beamten des Staates vor Beleidigungen und Hetze in Schutz zu nehmen, die v.a. von salafistischer Seite ("Kaafir", etc.) aktuell gegen Prof. Khorchide stattfindet. Nur weil der Staat also seinen Beamten vor Beleidigungen und Hetze in Schutz nimmt, kann daraus doch mitnichten der Schluss gezogen werden, der Staat greife in die inner-islamische/theologische Debatte ein. Diese Schlussfolgerung ist unlogisch und erschließt sich mir also in keinster Weise. Ministerialrat Oberkötter wollte in der zitierten Rede offensichtlich lediglich Prof. Khorchide vor Hetze in Schutz nehmen und hat sich in keinster Weise zur theologischen Debatte geäußert. Die religiöse Neutralität des Staates ist und bleibt offensichtlich gewahrt, sodass m.E. der Autor im Artikel einen künstlichen Streit konstruiert hat.
26.12.13
13:36
Tariq sagt:
Dass der Herr Ministerialrat darauf hinweist, die Debatte sachlich und frei von Beleidigungen zu führen, ist doch kein Eingriff in die theologische Debatte...
26.12.13
14:02