Die #metwo Kampagne war ein großes Thema in den sozialen Medien. Doch wie sieht es in der Realität aus? Nadire Y. Biskin ist in Berlin als Autorin und Lehrerin tätig und hat das Gefühl, dass diskriminierungsfreie Schulen auch weiterhin eine Utopie bleiben werden.
Auf Twitter lese ich, die AfD-Bayern möchte Deutsche Leitkultur und islamfreie Schulen. Sie deklariert somit die Abwesenheit des Islams als ein Bestandteil der Deutschen Leitkultur. Ich mache mir Sorgen darüber, was das für mich und andere Lehrer*innen bedeutet, aber vor allem, was das für meine muslimischen Schüler*innen bedeutet. Ich denke in dem Moment an den Hashtag #metwo, unter dem so viel über (anti-muslimischen) Rassismus und anderen Formen von Diskriminierung berichtet wurde. Was ist jetzt die Folge davon? Was passiert nach #metwo?
Es passiert auf jeden Fall was, doch die nächste Frage ist: wie effektiv ist es? Ein Beispiel ist die Einladung der CDU-Politikerin Annette Widmann-Mauz. Sie hat am 7. September mit dem Initiator des Hashtags #Metwo um 11 Uhr die „Friedenauer besucht und ein Gespräch geführt. Die Presse darf mit dabei sein. So weit, so gut. Doch, was ist mit uns Lehrer*innen? Wie kann ich dabei sein? Wie erfahre ich über solche Veranstaltungen, wenn ich keinen Twitter-Account hätte? Eine entsprechende E-Mail von der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie habe ich nicht erhalten und selbst wenn, bin ich um die Uhrzeit in der Schule und unterrichte. Auch dieser Diskurs, von dem ich mehrfach betroffen bin, findet ohne mich statt.
Die Gemeinschaftsschule wurde 2017 aufgrund von Antisemitismus unter den Schüler*innen in den Medien mehrfach erwähnt. Kritik am Umgang mit dem Thema und Verharmlosung wurden Lehrer*innen und Schulleitung vorgeworfen. Um so mehr, freut es mich, dass die Schule daraus gelernt hat und Annette Widmann-Mauz und Ali Can zum Gespräch einlädt. Ob es sich nur um eine Image-Kampagne handelt oder wirkliches Interesse sei dahingestellt. Denn zuerst zählt nicht die Absicht, sondern ganz utilitaristisch der Nutzen für alle Beteiligten. Es gab auch viele Stimmen, die davon berichten, wie es ist muslimisch und arabisch oder türkisch zu sein und in Deutschland zur Schule zu gehen. Sicherlich wurde das auch in Friedenau thematisiert. Jedoch ist Friedenau eben Friedenau.
Daher wünsche ich mir einen weiteren Besuch in Neukölln. Einen Besuch, bei dem nicht nur die Gewalt, die von muslimischen Schüler*innen ausgeht, im Mittelpunkt steht. Denn dazu hat sich Neuköllns Schulpersonal schon bereits genug geäußert.[1] wird Zeit, dass in Neukölln, welches stellvertretend für andere Bezirke mit hohem People of Color Anteil steht, Schüler*innen arabischer und türkischer Herkunft, die Diskriminierung im Schulsystem erfahren, zur Wort kommen. Denn nur so können wir die vielfältigen Erfahrungen und Wünsche, die unsere Gesellschaft ausmacht, kennenlernen und verstehen. Es braucht also einen Polylog zum Thema „Diskriminierung“ an verschiedenen Schulen, wenn wir Schulen nicht frei vom Islam oder Muslim*innen, sondern frei von Diskriminierung haben möchten.
Ansonsten befürchte ich, dass noch viele weitere Tweets unter #metwo folgen werden und die AfD ihren Wunsch nach einer islamfreien Schule genau mit solchen Fällen wie die an der Friedenauer-Gemeinschaftsschule begründen wird.
[1] https://www.freitag.de/autoren/maxi-leinkauf/schule-der-angst