In Deutschland leben mehr als fünf Millionen Muslime. Wie viele kennen Sie? In dieser IslamiQ-Serie stellen wir querbeet Menschen vor, die eine Gemeinsamkeit teilen: Sie sind Teil der Umma Deutschlands. Heute Bilal Erkin.
Bilal Erkin ist studierter Informatiker und Islamwissenschaftler. Mit dieser ungewöhnlichen Studienkombination bereichert er durch ehrenamtliches Engagement die muslimische Community in vielfältiger Weise. Der 31-jährige „Erfinder“ des „Muslim Planners“ war in der Start-Up Phase vieler sozialer und muslimischer Projekte involviert. Er ist verheiratet und lebt in der niedersächsischen Stadt Osnabrück. Hauptberuflich ist der gebürtige Kölner wissenschaftliche Hilfskraft an der Universität Osnabrück sowie Referent bei einem Begabtenförderungswerk. Im Interview lernt ihr ihn kennen: Bilal Erkin.
IslamiQ: Sie sind der Gründer des Muslim Planner? Worum handelt es sich bei diesem Produkt und was hat Sie dazu bewogen den Muslim Planner zu entwickeln?
Bilal Erkin: Als studierter Islamwissenschaftler und Informatiker war ich in der Start-Up Phase vieler sozialer und muslimischer Projekte involviert. Durch die Herausforderung, in kurzer Zeit viel zu erreichen, war ich selbst gezwungen, meine Zeit effektiv zu nutzen, ohne das Wesentliche aus den Augen zu verlieren. Durch zahlreiche Gespräche mit muslimischen Studierenden und Berufstätigen weiß ich, dass ich die Herausforderung mit vielen teile. Bisher habe ich die meisten erfolgsversprechenden Planner auf dem deutschen Markt analysiert und zum Teil selber genutzt. Leider konnte ich keinen Planner finden, der folgende Punkte vereint:
Aus diesem Grund habe ich den Muslim Planner entwickelt. Nebenbei unterstütze ich mit einem Teil des Ertrags verschiedene soziale Projekte.
IslamiQ: Wie ist die Resonanz auf den Muslim Planner, sowohl von Muslimen als auch von Nicht-Muslimen?
Erkin: Um das nötige Geld für den Druck zusammenzukriegen, habe ich im Januar 2017 eine Crowdfunding-Kampagne auf startnext.de gestartet und mit einer unglaublichen Endsumme von 13.800 € (von benötigten 8.000 €) im April 2017 erfolgreich abgeschlossen. Der große Erfolg in so kurzer Zeit zeigt mir, dass ich ein Bedürfnis der Muslime stille und mit der Vermutung richtig lag. Ich bin davon überzeugt, dass ich mit jedem Planner einer Person dabei helfen kann, das Leben zu strukturieren und produktiver zu werden. Auch Nichtmuslime, die den Planner in der Hand hielten, fanden ihn aus ästhetischen und konzeptionellen Gesichtspunkten sehr gut.
IslamiQ: Bereits in der Vergangenheit haben Sie sich für die muslimische Community engagiert, beispielsweise durch die Mitwirkung an „Study Coach 2.0“ oder in islamischen Hochschulgemeinden. Welche Motivation steckt hinter Ihrem Engagement und welche Ziele verfolgen Sie?
Erkin: Unser Prophet (s.a.w.) sagte einst: „Der Beste unter euch ist derjenige, der den Menschen am dienlichsten ist.“. Dabei unterschied er nicht zwischen Muslimen und Nichtmuslimen. Diesem Prinzip folgend denke ich auch, dass wir alle für ein besseres Miteinander und eine friedliche Zukunft arbeiten können, indem wir nicht isoliert für uns selbst leben und leben lassen, sondern uns aufopfern für Andere, die Hilfe benötigen. Wir alle besitzen eine Gabe, ein Talent und ein Wissen, was bei anderen Menschen nicht so ausgeprägt ist. Auch als Dankbarkeit gegenüber Gott sehe ich uns in der Verpflichtung, diesen Mehrwert für die Mitmenschen und für die Gesellschaft zur Verfügung zu stellen.
IslamiQ: Welche Hobbies haben Sie und wie gestalten Sie ihre Freizeit am liebsten?
Erkin: Laut einer Theorie kommt das Wort „Hobby“ aus dem Arabischen „Hubbii“ und meint „meine Leidenschaft/Liebe“. In diesem Sinne klammere ich mich seit meiner Jugend nicht an bestimmte Hobbies fest. Ich versuche immer Neues zu lernen und anzuwenden. Das hält meine Kreativität auf Trab. Nebenbei kann ich diese Hobbies auch im Beruf und im Ehrenamt einsetzen. So übte ich mich phasenweise in Schnitzerei, Musik, Malerei, Computerreparaturen, Gesang, Reisen, Video-Editing, Digitales Design, Lesen, Bloggen etc.
IslamiQ: Lieblingsbuch? Lieblingsfilm?
Erkin: Ein Lieblingsbuch oder einen Lieblingsfilm habe ich nicht.
IslamiQ: Was bedeutet Familie für Sie?
Erkin: Familie ist für mich der Hafen, an dem Sie andocken können, wann Sie es möchten und brauchen, gleich auf welchen welligen Ozeanen und turbulenten Zeiten Sie sich befinden. Familie ist Sicherheit, Geborgenheit, Vertrautheit und Liebe. Manchmal können auch Freunde, Bekannte und Arbeitskollegen zur Familie gehören. Ganz besonders für diejenigen, die ihre Familie in Kriegen verloren haben oder ganz ohne Familie aufgewachsen sind.
IslamiQ: Wie würden Ihre Freunde Sie beschreiben?
Erkin: Die Selbstreflexion ist für einen Menschen sehr wertvoll, um sich ständig weiterzuentwickeln und seinen Charakter zu vervollkommnen. In diesem Prozess erkennt der Mensch viele positive und negative Eigenschaften von sich, die sich wandeln können. Um zu erfahren, wie mich meine Freunde beschreiben würden, müsste man sie direkt fragen.
IslamiQ: Ihr Lebensmotto?
Erkin: Frage immer nach dem „warum“ bei deinen Absichten und Taten und gehe deine Pläne strukturiert an.
IslamiQ: Der schönste Moment in Ihrem Berufsleben?
Erkin: Nach harter Arbeit, langen Vorbereitungen und viel Leidenschaft, die ersten Stipendiat/innen des muslimischen Begabtenförderungswerks in Berlin auf der Bühne gesehen zu haben. Dieser Moment war sehr rührend und historisch zugleich.
IslamiQ: Was ist Ihr größtes Ziel in diesem Leben und was tun Sie um dieses Ziel zu erreichen?
Erkin: Mein größtes Ziel ist es meinen Charakter zu vervollkommnen und für die Menschen nachträglich (auch nach meinem Tod) nützlich zu sein, so wie unser geliebter Propheten Muhammad (s.a.w.) es vorgelebt hat. Ich versuche bei jeder Tat meine Absicht entsprechend zu fassen, nach der Tat zu reflektieren und meine Pläne auf diesem Wege anzupassen.
IslamiQ: Können Sie sich an eine Situation erinnern, in der Sie erstmals mit der Identitätsfrage (Islam und Deutschland) konfrontiert waren?
Erkin: Es war keine bestimmte Situation, sondern die Zeit in der Schule – ganz besonders nach dem 11. September. Der Umgang der Lehrer und Mitschüler mit mir drängten mich dazu, nachzufragen, wer ich bin und wie ich mich als türkischstämmiger Muslim zu verhalten habe. Ich blicke nicht gern auf diese Zeit zurück, weil sie doch mit vielen negativen Erfahrungen verbunden ist.
IslamiQ: Was wünschen Sie sich für die Zukunft? Für sich selbst, für Ihre Familie, für alle Muslime in Deutschland.
Erkin: Frieden, Gegenseitiger Respekt und Gesundheit.
IslamiQ: Was muss passieren, damit Muslime hier als selbstverständlicher Teil Deutschlands angesehen werden?
Erkin: Ich kann nicht sagen, ob das je passieren wird und bin für die jetzige Zeit sehr skeptisch. Um meine Aussage besser nachzuvollziehen, lohnt sich ein Blick in die nahe Vergangenheit nach Bosnien und Herzegowina. Geschichte wiederholt sich und kann sich theoretisch auch in Deutschland wiederholen. Solange Menschen und Gesellschaften unzufrieden mit sich selbst, ihrer Identität und ihrer Situation sind, wird es auch Menschen geben, die ihren Frust und Ärger an Minderheiten auslassen und sie nicht als Teil des Landes sehen wollen. Wir alle sollten gemeinsam an der Besserung dieser Situation arbeiten, damit es keinen Grund gibt, Muslime nicht als Teil des Landes zu sehen. Das fängt ganz damit an, uns selbst zu verbessern und ein Vorbild zu werden. Wer die Herzen der Menschen ansprechen kann, wird nur dann auch dort bleiben können.