Die Zukunft des islamischen Religionsunterrichts ist in Hessen seit nunmehr fast zwei Jahren ungewiss. Ein Experte mahnt eine baldige Lösung an – und sieht noch andere Defizite.
Im Jahr 2013 hat Hessen bei der Einführung des islamischen Religionsunterrichts den Landesverband der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (DITIB) als Partner ausgewählt. Der damalige Integrationsminister Jörg-Uwe Hahn (FDP) sprach von einem „verlässlichen Partner“. Sechs Jahre später sieht die Lage ganz anders aus.
Die Entscheidung, ob das Land seine Kooperation mit DITIB endgültig aufkündigt, will Kultusminister Alexander Lorz (CDU) „in den nächsten Wochen“ fällen, wie ein Sprecher des Kultusministeriums in Wiesbaden sagt. Die Zeit drängt, denn seit fast zwei Jahren hängt nun die Zukunft des Islamunterrichts in Hessen in der Luft.
Lorz gab zuerst drei Gutachten in Auftrag. Dann wurde der DITIB zur Auflage gemacht, bis Ende vergangenen Jahres ihre Unabhängigkeit zu beweisen. Der Landesverband änderte inzwischen seine Satzung.
Ob dies zur Fortsetzung der Kooperation ausreicht, ist völlig unklar. Ohne Beteiligung von DITIB ist nach Angaben des Kultusministeriums auch ein alternatives Angebot für muslimische Schüler vorstellbar. Im neuen Koalitionsvertrag hat Schwarz-Grün auch als Möglichkeit vorgesehen, dass das Land den Islamunterricht in alleiniger Verantwortung anbietet, was allerdings gegen die Neutralitätspflicht verstoße.
Doch Hessen ist in der Bredouille. Es hat für seinen bekenntnisorientierten Religionsunterricht eine besondere Konstruktion gewählt. Während andere Länder wie Nordrhein-Westfalen dazu einen Beirat gründeten, hat Hessen die DITIB sowie die Ahmadiyya-Gemeinde als feste Partner eingebunden. Damit sollte der Unterricht – im Sinne des Grundgesetzes – verfassungsrechtlich sauber verankert werden.
Dieses Konstrukt, auf das die die schwarz-gelbe Regierung vor sechs Jahren stolz war, macht jetzt aber eine Trennung von der DITIB sehr kompliziert. Denn die DITIB kann gegen die mögliche Aufkündigung der Partnerschaft vor Gericht ziehen. Ein Verfahren könnte sich jahrelang hinziehen – letztlich zum Schaden für die Schulen im Land.
Schon jetzt sind die Auswirkungen des Konflikts spürbar. Im laufenden Schuljahr 2018/2019 werden zwar rund 3100 Schüler von knapp 100 Lehrern unterrichtet – aber nur an 56 Grundschulen und zwölf weiterführenden Schulen der insgesamt 1800 Schulen. Die Lehrpläne (Curricula) für die höheren Schulen liegen derzeit auf Eis. Dies gilt auch für die geplante Fortbildung für das neue Fach von Lehrern an den Universitäten Frankfurt und Gießen. Diese sind für die Aus- und Weiterbildung beim islamischen Religionsunterricht zuständig.
Der Frankfurter Islamwissenschaftler Bekim Agai hat deshalb eine schnelle Lösung des Konflikts angemahnt. „Die Politik ist in der Pflicht“, sagt Agai. Die derzeit fehlende klare Perspektive für den Unterricht bringe für Studenten und auch muslimische Schüler eine hohe Unsicherheit mit sich.
In Frankfurt werden Lehrer für den Unterricht an weiterführenden Schulen, während an der Uni Gießen der Unterricht an den Grundschulen abgedeckt wird. In Frankfurt studieren derzeit rund 600 Studenten Islamwissenschaft, rund 120 fürs Lehramt. In Gießen gibt es derzeit rund 120 Lehramts-Studierende.
Im Kultusministerium wird eingeräumt, dass der Konflikt mit DITIB die 2013 vorgesehene flächendeckende Umsetzung des islamischen Religionsunterrichts ausgebremst hat. „Wir wollen eine grundsätzliche Klärung herbeiführen“, sagt Sprecher Philipp Bender zum derzeitigen Schwebezustand. (dpa, iQ)