Die sogenannten Türkentaufen waren im Zeitalter des Barock, also im 17. und 18. Jahrhundert gesellschaftliche Großereignisse. Die Sieger brachten ihre „Kriegsbeute“ mit. Durch ihre Taufe wollte man nochmals den „Sieg über die Ungläubigen“ in aller Öffentlichkeit demonstrieren. Das Paradox ist, das dabei die Religion eigentlich kaum eine Rolle spielte.
Bisher galten Türkentaufen besonders in Kreisen von Genealogen, Volks- und Heimatkundlern als sammelbare Kuriositäten. Nur wenige Historiker haben sich mit diesem Thema beschäftigt. Ein Grund dafür liegt in der Schwierigkeit sie zu finden. Denn wir finden sie meist nur kurz in Kirchenbüchern und noch seltener in den darüber hinausgehenden Quellenbeständen. Schwierig ist die Weiterverfolgung der betreffenden Personen, die, nun einen christlichen Namen tragend, in den Quellen nur noch schwer auszumachen sind. Aus Hassan wurde Christian, aus Suleika Susanne, aus Aly wurde Friedrich.
Meist kamen sie als Kriegsgefangene oder „menschliche Beute“ aus den Kriegen gegen das Osmanische Reich. Ihrer Heimat und gewohnten Umgebung entrissen, mussten sie sich schnell dem ungewohnten Umfeld anpassen. Ihre neuen Lebensumstände in der Kriegsgefangenschaft unterschieden sich nicht viel von denen ihrer christlichen Leidensgenossen im Osmanischen Reich. Nach islamischem Recht wandelten sich christliche Kriegsgefangene im Moment ihrer Gefangenschaft zu Sklaven. Dies galt ebenso im römischen Recht, allerdings hieß hier der juristische Terminus für den Gefangenenstatus „Leibeigener“.
Eine wirkliche Hilfestellung im eigentlichen Integrationsprozess waren Pfarrer und Hauslehrer, die ihnen Deutsch und gewisse Umgangsformen beibrachten. Doch sie bereiteten die meist noch jungen Kinder, Jugendlichen, Frauen und Männer auch auf die Taufe vor. Dies sollte aber nicht als Zwangsmissionierung per se verstanden werden! Es zeigt sich, dass es die Sprache war, welche den Schlüssel in die Gesellschaft darstellte. Denn in einer Welt, die noch keine nationalen Grenzen kannte, in der unterschiedliche Konfessionen und auch Religionen und kulturelle Herkünfte nebeneinander existierten, war die Sprache das verbindende Element. Das Schicksal dieser Menschen wurde also bestimmt durch die Notwendigkeit, sich einer neuen Umgebung, Sprache und Kultur anpassen zu müssen. Der Integrations- und auch Assimilierungsprozess im Ganzen lässt sich stark vereinfacht in mehrere Phasen unterscheiden:
Bisher konnten für Brandenburg-Preußen 68 namentliche Taufen ermittelt werden. Diese Zahl erscheint im ersten Augenblick gering. Werden allerdings Vergleichszahlen aus anderen Gebieten herangezogen, die wesentlich häufiger in die Türkenkriege durch Soldatengestellungen involviert waren, so ist diese Zahl als „Ausschnitt“ einer vermutlich um einiges höher liegenden Gesamtzahl recht beachtlich. Besonders viele Türkentaufen datieren im Zeitraum des Entsatzes von Wien 1683, der Befreiung von Budapest 1686 sowie der folgenden kriegerischen Auseinandersetzungen bis hin zum Frieden von Karlowitz 1699.
„Türcken, Mohren und Tartaren. Muslime in Brandenburg-Preußen“
Sonderausstellung im Brandenburg Preußen Museum Wustrau
Vom 23. März bis 5. Oktober 2014
Dienstag bis Sonntag geöffnet von 10 bis 18Uhr
Eichenallee 7a
16818 Wustrau
Telefon 03 39 25 – 7 07 98
Telefax 03 39 25 – 7 07 99
E-Mail wustrau(at)brandenburg-preussen-museum.de
Homepage http://www.brandenburg-preussen-museum.de/muslime-in-brandenburg-preussen.html
Während die Türkentaufen zur Mitte des 18. Jahrhunderts zahlenmäßig zurückgingen, verstärkte sich in Brandenburg-Preußen die Übernahme türkisierender Elemente in das militärische Zeremoniell. Bewusst wurden Exotismen als Element der Selbstinszenierung genutzt, so in Gestalt von Kammermohren und Kammertürken hochrangiger Offiziere. Auf der anderen Seite galt das orientalisch Fremde nicht mehr als Bedrohung apokalyptischen Ausmaßes. In Potsdam stellte Friedrich Wilhelm I. ein Janitscharenbataillon auf, das er, nach dem Vorbild des im Zeithainer Lagers 1730 von August dem Starken aufgestellten, zu repräsentativen Anlässen aufmarschieren ließ. Muslimische Soldaten dienten in Potsdam, ohne zum Christentum übergetreten zu sein, in der „Riesengarde“.
Dass dieser Umstand nicht allen gefiel, belegt der Missionseifer Johann Heinrich Callenbergs und seines, 1728 gegründeten Institutum Judaicum et Muhammedicum in Halle. Im Jahre 1739 ließ er eigens für die muslimischen Soldaten in Potsdam Bücher christlichen Inhalts ins Türkische und Arabische übersetzen um die Konversion zum Christentum voranzutreiben. Mit Friedrich II. setzte sogar die Aufstellung muslimisch-christlicher Reiterabteilungen ab 1741 ein. Eine Steigerung erfuhr diese Entwicklung mit der Aufstellung eines preußischen Tatarenkorps im Jahre 1795 in Neuostpreußen, das rein muslimisch zusammengesetzt war.
Es ist diese Geschichte von Muslimen in Brandenburg-Preußen und dem Umgang mit diesen, die uns heute interessieren sollte. Anfangs mussten sie sich durch Taufe in die Gesellschaft integrieren, wobei diese dem heutigen „Einbürgerungstest“ sehr nahe kommt. Andererseits änderte sich im Zuge der Aufklärung auch das Verhältnis von Christentum und Islam zueinander. Die Religionen wurden nun nicht mehr allein als teilend, sondern auch als verbindend betrachtet. Ein Gott, aber verschiedene Arten des Zugangs zu ihm.
Neugier, Angst, Unkenntnis, Fremdheit, Begeisterung, Toleranz … die Facetten der Geschichte von Muslimen in Brandenburg-Preußen sind vielfältig und bis heute zu großen Teilen unbekannt. Auch wenn die ersten Muslime, welche nach Brandenburg-Preußen kamen und hier ihre neue Lebenswelt fanden, Kriegsgefangene waren und häufig getauft wurden, so entwickelte sich eine interessante und größtenteils noch unbekannte Kontaktgeschichte zwischen Menschen. Aus Feinden und Fremden wurden preußische Staatsbürger. Das Brandenburg-Preußen Museum in Wustrau wird daher vom 23. März bis zum 5. Oktober 2014 die Sonderausstellung „Türcken, Mohren und Tartaren. Muslime in Brandenburg-Preußen“ präsentieren, zusammen mit einer einzigartigen Sammlung von in Deutschland gedruckten Koranen aus dem 16. bis 20. Jahrhundert, darunter der erste 1701 in Berlin gedruckte Koran.