Akademiker widmen sich den wichtigen Fragen unserer Zeit. IslamiQ möchte zeigen, womit sich muslimische Akademiker aktuell beschäftigen. Heute Zishan Ghaffar über die Kriterienfrage zur historischen Forschung zum Leben des Propheten Muhammad (s).
IslamiQ: Können Sie uns kurz etwas zu Ihrer Person und ihrem akademischen Werdegang sagen?
Zishan Ghaffar: Ich stamme ursprünglich aus Pakistan und bin in Deutschland aufgewachsen. Nach meinem Hochschulabschluss habe ich an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel Philosophie, Islamwissenschaft und evangelische Theologie studiert. Daran anschließend habe ich meine Promotion am Zentrum für Islamische Theologie der Universität Münster in 2017 abgeschlossen. Seit zwei Jahren arbeite ich beim Akademievorhaben „Corpus Coranicum“ der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und bin dort für den Kommentar des Korans verantwortlich. Dabei versuchen wir insgesamt aufzuzeigen, in welches religionsgeschichtliche Milieu hinein der Koran gewirkt hat.
IslamiQ: Können Sie uns Ihre Dissertation kurz vorstellen?
Ghaffar: Meine bisherige Forschung und akademische Laufbahn zeichnet sich durch einen komparativ-theologischen Ansatz aus. In meiner Dissertation zur „Kriterienfrage in der Leben-Muhammad-Forschung“ bin ich der Frage nachgegangen, inwiefern sich die methodischen und theologischen Herausforderungen in der islamischen und christlichen Theologie bei der historischen Forschung zu den eigenen Ursprüngen ähneln. Ganz konkret ging es mir darum aufzuzeigen, welche Methodik für die historische Forschung zu Muhammad besonders vielversprechend ist und welche Implikationen diese für die islamische Theologie hat.
IslamiQ: Warum haben Sie dieses Thema ausgewählt? Was treibt Sie voran?
Ghaffar: Meine Forschung zeichnet sich durch die tiefe Verbundenheit zum Koran als heiligen Text und dessen exegetischer Durchdringung aus. Ich verstehe dabei die historische Forschung als einen bescheidenen Weg, sich dem Sinn der Verkündigung des Korans zu nähern und zu seinem Verständnis beizutragen.
IslamiQ: Haben Sie positive/negative Erfahrungen während Ihrer Doktorarbeit gemacht?
Ghaffar: Während meiner Promotionsphase war ich Kollegiat beim Graduiertenkolleg für Islamische Theologie. Es war besonders schön, sich mit muslimischen Kollegen und Kolleginnen auszutauschen, die ganz unterschiedliche Themen in ihrer jeweiligen Dissertation bearbeitet haben. Da ich komparativ-theologisch gearbeitet habe, haben sich auch einige Freundschaften zu christlichen Theologen und Theologinnen entwickelt, die ich nicht missen möchte.
IslamiQ: Inwieweit wird Ihre Arbeit der muslimischen Gemeinschaft in Deutschland nützlich sein?
Ghaffar: Ich bin davon überzeugt, dass die historische und komparativ-theologische Forschung von Muslimen in zahlreichen Lebensbereichen einen wichtigen Beitrag für die muslimische Gemeinschaft leistet. Sie liefert einen wissenschaftlichen Halt für das interreligiöse Gespräch und für die Verständigung mit dem Anderen. Ebenso kann diese Impulse für die einzelnen Disziplinen der islamischen Theologie geben, etwa für das islamische Recht, wenn wir das Frauenbild auf der arabischen Halbinsel in der Spätantike und die Antworten der koranischen Theologie darauf besser verstehen.
Das Interview führte Muhammed Suiçmez.