Nach einem Gutachten des Europäischen Gerichtshofs könne die islamische Vormundschaft nicht mit einer Adoption gleichgesetzt werden. Ein Paar aus Großbritannien hat geklagt, um einem Kind, für das sie die Vormundschaft hat, die Einreise aus Algerien als Adoptivkind zu ermöglichen.
Kinder, die in Algerien nach islamischem Recht unter der Vormundschaft von EU-Bürgern stehen, dürfen nach Ansicht eines wichtigen EuGH-Gutachters nicht automatisch in die EU einreisen. Die islamische Regelung der Kafala in Algerien sei nicht mit einer Adoption gleichzusetzen, befand der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs Campos Sánchez-Bordona am Dienstag in Luxemburg. Somit sei das Kind nach EU-Recht kein direkter Verwandter des Vormunds.
Hintergrund ist der Fall zweier in Großbritannien lebender Franzosen, die ein Kind in Algerien nach dem System der islamischen Kafala unter ihre Vormundschaft genommen hatten. Sie beantragten für das Kind bei britischen Behörden die Einreiseerlaubnis als Adoptivkind, was diese ablehnten. Der Oberste Gerichtshofs des Landes wollte vom EuGH wissen, ob ein Kind, das unter der Kafala stehe, nach EU-Recht als „Verwandter in gerader absteigender Linie“ angesehen werden könne.
Nach Ansicht von Sánchez-Bordona ist dies nicht der Fall. Er betonte, die Kafala könne nicht mit einer Adoption gleichgesetzt werden, da diese in Algerien ausdrücklich verboten sei. Beide Verfahren unterschieden sich vor allem darin, dass durch die Adoption ein Abstammungsverhältnis begründet werde, durch die Kafala jedoch nicht.
Dennoch sei das Kind als sonstiger Familienangehöriger anzusehen, führte Sánchez-Bordona aus. Deshalb müsse der betroffene EU-Staat die Einreise des Kindes nach Würdigung der Umstände erleichtern.
Die Einschätzung des Gutachters ist für die EuGH-Richter nicht bindend, häufig folgen sie ihr aber. Ein Urteil dürfte in den kommenden Monaten fallen. (dpa/iQ)