Boris Palmer scheint sich immer mehr zum Sarrazin der Grünen zu entwickeln. Berliner Parteimitglieder sehen nur noch einen Weg für den Provokateur aus dem Südwesten.
Nach neuen umstrittenen Äußerungen des Tübinger Oberbürgermeisters Boris Palmer fordert eine Gruppe Berliner Grünen-Politiker seinen Rausschmiss aus der Partei. Palmer habe sich „mittlerweile als rechtspopulistischer Pöbler etabliert“, heißt es in einem offenen Brief, für den die Autoren in Berlin und darüber hinaus um Unterstützung werben. Die Reihe seiner offen oder in ihrer Tendenz „rassistischen und hetzerischen“ Postings sei lang. Palmer verbinde „gar nichts“ mehr mit den Werten der Grünen. Sein Grünen-Kreisverband im Südwesten müsse daher Konsequenzen ziehen.
Palmer reizte seine Partei in den vergangenen Jahren immer wieder mit provokanten Äußerungen, unter anderem zur Asylpolitik. Zuletzt hatte er mit Kritik an einer Werbekampagne der Bahn für Empörung gesorgt. Die Bahn wirbt auf ihrer Internetseite mit Bildern von Reisenden mit unterschiedlichen Hautfarben, unter anderem mit dem TV-Koch Nelson Müller. „Ich finde es nicht nachvollziehbar, nach welchen Kriterien die ´Deutsche Bahn´ die Personen auf dieser Eingangsseite ausgewählt hat“, schrieb Palmer auf Facebook. „Welche Gesellschaft soll das abbilden?“ Nach heftiger Kritik wies Palmer Rassismusvorwürfe zurück – und verordnete sich eine Facebook-Pause.
„Dieser offen zur Schau gestellte Rassismus, diese Verachtung für ein Bild der Vielfalt in Deutschland ist nicht nur mit unserem grünen Selbstverständnis unvereinbar“, schreiben Vertreter der Arbeitsgemeinschaft Migration und Flucht der Berliner Grünen in ihrem am Donnerstag bekanntgewordenen Brief. Er stehe auch im Widerspruch zum Grundgesetz. „Zwei Dinge scheinen Boris Palmer zu motivieren: Sein Ansehen bei rechten Trollen, Hassredner*innen und Verschwörungstheoretiker*innen sowie die negative Aufmerksamkeit, die er von der Zivilgesellschaft für sich und unsere Partei schafft.“
Weiter heißt es in dem Brief: „Wir bitten euch, den Ausschluss von Boris Palmer aus der Partei anzustreben!“ Die regelmäßigen Distanzierungen des Grünen-Kreisverbandes Tübingen und des Landesverbands Baden-Württemberg verfehlten ihre Wirkung. „Es sind schöne Worte, aber ohne Taten bleiben sie nur leere Worte.“
Es sei an der Zeit, Palmer „die finale rote Karte zu zeigen“, sagte die Vorsitzende der Landesarbeitsgemeinschaft und Briefautorin Svenja Borgschulte der Deutschen Presse-Agentur. In Berliner Grünen- Kreisverbänden stoße der Brief, der erst kommenden Mittwoch an die Parteifreunde in Tübingen gehen solle, auf große Resonanz. „Uns erreicht auch bundesweit Zuspruch.“
Ausschlussverfahren sind in den Parteien rechtlich kompliziert und oft nicht einfach umzusetzen. Ein Beispiel ist der umstrittene Autor Thilo Sarrazin: Die SPD versucht schon seit Jahren, den früheren Berliner Finanzsenator wegen kritischer Äußerungen zur Zuwanderung auszuschließen. Bisher gelang das nicht.
Der Berliner Grünen-Bundestagsabgeordnete Özcan Mutlu hatte Palmer schon im Januar nahegelegt, zur AfD zu wechseln. „Warum kann dieser unsägliche Typ nicht einfach dorthin gehen, wo seine eigentliche politische Heimat ist?“, twitterte Mutlu damals. Nun kritisierte er Palmer erneut: „Permanente Provokation ist schädlich und ist Gift für die Integration“, heißt es in einem am Donnerstag veröffentlichten Brief Mutlus an den Tübinger Oberbürgermeister. „Wir dürfen nicht zusehen, wie unsere Gesellschaft weiter gespalten wird und das gesellschaftliche Zusammenleben durch einseitige Schuldzuweisungen vergiftet wird.“ (dpa, iQ)