Das Ramadan-Journal

Mein erster Ramadan in Malaysia

Unsere Autorin konvertierte zum Islam. Ihren ersten Ramadan verbrachte sie in Malaysia – bei 30 Grad und ohne Familie. Doch ihr erster Ramadan brachte ihr nicht nur die gesuchte Spiritualität, sondern auch Freundschaften für das Leben.

28
05
2019
Ramadan-Journal
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Ich bin zum Islam konvertiert und habe mit dem Fasten relativ spät begonnen. Ich hatte aber das große Glück, meinen ersten Ramadan in Malaysia erleben zu dürfen. Der Unterschied zwischen einem Ramadan in einem muslimischen Land und einem Land wie Deutschland ist enorm groß. Schon vor dem Ramadan kommt eine ganz besondere Stimmung auf. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren. Vor den Moscheen entstehen kleine Einkaufsmeilen mit Verkaufsständen, die von Privatpersonen genutzt werden, um sich im Ramadan mit muslimischen Textilien oder Accessoires etwas dazuzuverdienen. An Straßen und auf Plätzen entstehen riesige Märkte mit Essensständen, an denen in ein paar Tagen die leckersten Köstlichkeiten angeboten werden. Auch hier profitieren wieder Familien, die im Ramadan durch kulinarische Spezialitäten enormen Umsatz machen können.

Ich selber habe diese Zeit in meinem Praktikum beim malaysischen Staatsfernsehen und Rundfunk RTM miterlebt. Schon vor dem Ramadan wurde das große Îd-Special produziert. Alle Produktionen für den nächsten Monat wurden bereits zuvor durchgeführt, sodass während der Fastenzeit keine aufwendige Arbeit mehr aufkommen sollte. Im Backstagebereich wurde am letzten Tag vor Ramadan noch einmal ein besonders leckeres Essen bestellt – ich erinnere mich noch genau an eins der besten Sambals, das ich je gegessen habe. Viele Kolleginnen fasteten auch bereits schon vor dem Ramadan. Es war kein freiwilliges Fasten, sondern nachzuholende Tage aus dem letzten Jahr.

Fasten bei 30 Grad

Doch für mich war es das erste Mal, dass ich fasten würde. Und so fastete auch ich, wie es auch Tradition ist, einige Tage vor dem Ramadan schon. Nachzuholen hatte ich ja nichts. Ich wusste ehrlich gesagt nicht viel, sodass ich mein Fasten erst nach und nicht vor dem Sonnenaufgang begann, bis mich Freunde darüber aufklärten, wie es richtig funktioniert. Aber die Absicht zählt – und zum Glück habe ich es ja noch vor dem Ramadan erfahren. Jedenfalls war ich dann schon etwas besser auf das Fasten eingestellt. Damals war der Ramadan noch im deutschen Hochsommer – Anfang Juli bis Anfang August -, doch für mich machte das keinen Unterschied. In Malaysia ist der Tag das ganz Jahr über fast gleich lang: Dort fastet man an die vierzehn Stunden, egal zu welcher Jahreszeit. Allerdings ist es dort natürlich auch immer heiß – fast 30 Grad Durchschnittstemperatur! Aber ich war bereits zwei Jahre dort und hatte mich an die Temperaturen gewöhnt.

Tarâwîh in Malaysia

Und so kam dann der Ramadan. Bei der Praktikumsstelle war auf einmal alles ruhig und langsam. Da die Hauptbeschäftigung meiner Kolleginnen in der Regel aus Essen bestand, änderte sich die Dynamik im Büro. Ich konnte mich meinen Gottesdiensten widmen. Ich war sehr ambitioniert, war es doch mein erstes Jahr als Muslimin und so verbrachte ich viel Zeit im Gebetsraum. Ich hatte mir vorgenommen, den Koran komplett zu lesen, obwohl ich gerade erst arabisch zu lesen gelernt hatte. Und dann gleich zwanzig Seiten am Tag! Es war am Anfang sehr zeitintensiv, doch mit der Zeit ging es immer zügiger und ich bin sehr froh darüber, dass ich das damals durchgezogen habe. Denn so habe ich das flüssige Lesen erlernt. Gen Abend, einige Zeit vor dem Magrib-Gebet, ging ich dann zur Moschee. Es war das erste Mal in dieser Moschee für mich und so musste ich erstmal meinen Platz finden. Frauen und Männer brechen ihr Fasten in der Moschee an getrennt Plätzen, jedoch alle draußen auf dem Vorplatz der Moschee. Für Familien gibt es noch einen weiteren Bereich.

Auf Sitzmatten wurde Wasser bereitgestellt und Essensrationen mit Reis und Curry wurden verteilt. Natürlich fehlen auch Datteln nicht. Alle saßen gemeinsam auf dem Boden. Auf einer riesigen weißen Tafel standen die Namen der Sponsoren des Iftars. Jeden Tag war eine andere Familie dran. So ist es in Malaysia üblich. Wir kamen auch kaum mit dem Essen hinterher, bis schon der Ikâma erklang und wir zum Gebet eilten. Zwischen Magrib und Isha laß ich im Koran und danach beteten wir das Tarâwîh-Gebet. Es war sehr anstrengend für mich. Ich musste morgens früh aus dem Haus, doch der Imam rezitierte sehr lange und hielt zwischendurch auch noch Vorträge auf Bahasa, die ich nicht verstand. Irgendwann konnte ich nicht mehr und war ziemlich erleichtert, als mir meine Kollegin erklärte, dass ich auch einen Teil oder das ganze Tarâwîh-Gebet zuhause verrichten könne. Und so betete ich die nächsten Tage die ersten vier Raka mit der Gemeinde und weitere vier Raka zuhause. Das war ein guter Kompromiss, zumindest bis das Praktikum nach ein paar Tagen beendet war.

Gemeinschaft im Ramadan

Jeder Ramadan hat seinen ganz eigenen Zauber und Allah schenkt einem immer etwas besonderes, auch wenn es nicht unbedingt das ist, was man erwartet. Ich dachte, für mich würde es eine ausschließlich spirituelle Zeit, die ich mit Gott verbringe, aber es kam dann ganz anders. Ich war die ersten Tage noch sehr alleine unter den vielen malaiischen Frauen, die ich nicht kannte. Etwas eingeschüchtert von der neuen Situation, war ich extrem erleichtert, als zwei junge, aufgeschlossene Frauen auf mich zukamen, die sehr zugänglich waren und mit denen ich mich auf Anhieb gut verstand. Fara, aus dem Süden Malaysias brachte Alysha, eine tansanische Studentin mit, die sie von der Uni in Borneo kannte. Sie verbrachten den Ramadan bei Faras verwitweten und kinderlosen Großtante, Tok Cu. So waren weder Alysha, die ohne Familie in Malaysia war als auch Tok Cu nicht allein. Und so entwickelte sich kurzerhand eine intensive und spannende Freundschaft, die sich später zu einer ganzen Gemeinschaft entwickeln sollte.

Fara hatte einen Stand gemietet, an dem sie ägyptische Kleider und muslimische Accessoires verkaufte. Dort begleiteten wir sie zwischen den Gebetszeiten und lernten noch eine weitere Geschäftsfrau kennen, die ihre drei wunderbaren Kinder mit dabeihatte. Durch die Kunden wurden die Gesichter der Gemeinde vertrauter. Auch Marina, eine indonesische Schwester, stoß zu der Gruppe. Marina war mit einem konvertierten Chinesen verheiratet und hatte ebenfalls kaum Anschluss. Wir verbrachten die Nächte bei Tok Cuk und Marina, redeten bis in den Morgen hinein über Gott und die Welt, aßen Sahûr, lasen Koran, beteten gemeinsam das Morgengebet und schliefen bis zur Mittagszeit. Das Praktikum war nach ein paar Tagen nämlich vorbei. Diese Begegnungen waren es, die diesen Ramadan zu etwas ganz Besonderem machten. Mehr als alles andere. Ich blicke mit Wehmut auf diese Zeit und muss sagen, dass ich sie vermisse.

Es gäbe noch so viel zu erzählen aus diesem Ramadan, weil es so eine intensive, einzigartige und besondere Zeit war. Aber ich denke, für heute sollte es reichen.

Leserkommentare

Linderung sagt:
.... mashallah authentische Worte, man ist direkt im Geschehen dabei. Als ob man ein Stück Malaysia miterlebt. Interessant wäre es natürlich zu wissen, ob die Freundschaften heute noch aktuell sind und ob man noch den regelmäßigen Kontakt pflegt ? ( Trotz räumlicher Entfernung)
31.05.19
9:46