NRW will den Islamunterricht neu organisieren und plant hierfür statt dem Beirat nun ein Kommissionsmodell. IslamiQ befragte die einzelnen Vertreter der im Koordinationsrat der Muslime (KRM) vertretenen Religionsgemeinschaften. Heute mit Erol Pürlü (VIKZ).
IslamiQ: Wie beurteilen Sie das neue Kommissionsmodell für den islamischen Religionsunterricht in NRW?
Erol Pürlü: Das neue Kommissionsmodell ist noch nicht in ein geltendes Gesetz gegossen. Der derzeitige Gesetzesentwurf ist verfassungsrechtlich sehr bedenklich, da die Kommission ihre Legitimität durch den Vertragsabschluss mit dem Land erhält und das Land hier die Möglichkeit hat mit jeder beliebigen islamischen Organisation Verträge zu schließen. Deshalb muss sowohl die Neutralität des Landes sowie die Konfessionalität des islamischen Religionsunterrichts gewahrt werden.
IslamiQ befragte die einzelnen Vertreter der im Koordinationsrat der Muslime (KRM) vertretenen Religionsgemeinschaften über das neue geplante Kommissionsmodell:
Dr. Zekeriya Altuğ (DITIB): „Staatlich aufgezwungene Modelle sind zum Scheitern verurteilt“
Nurhan Soykan (ZMD):„Kommissionsmodell ist ein Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht“
Murat Gümüş (Islamrat): „NRW will mit Kommissionsmodell die Statusfrage umgehen“
IslamiQ: Wie hat die bisherige Arbeit im Beirat geklappt?
Pürlü: Im Jahre 2011 gab es eine Vereinbarung zwischen dem Koordinationsrat der Muslime und dem Schulministerium, in der die Einführung eines konfessionellen islamischen Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen in Nordrhein-Westfalen beschlossen wurde. Dabei wurde auch vereinbart, dass die Statusfrage der islamischen Religionsgemeinschaften gutachterlich geklärt werden.
Dieser Prozess sollte durch die Installierung eines Beirats als Übergangslösung überbrückt werden. Die Beiratsmitglieder haben persönlich sehr großes Engagement bei der Installierung und Gelingen des islamischen Religionsunterrichts gezeigt und viel von ihrer Freizeit dafür investiert. Diese ehrenamtliche und verantwortungsvolle Arbeit gilt es zu würdigen, auch wenn hie und da auch manche Schwierigkeiten zu Tage traten.
IslamiQ: Die neue Zusammenarbeit zwischen dem Ministerium und der jeweiligen islamischen Religionsgemeinschaften oder Organisationen soll in einem öffentlich-rechtlichen Vertrag geregelt werden. Durch diesen können mehrere muslimische Vertreter in der Kommission sitzen, im Gegensatz zum aktuellen Beiratsmodell. Sehen Sie Vorteile einer solchen Kommission?
Pürlü: In der Tat scheint eine vertragliche Regelung auf den ersten Blick gegenüber dem Beiratsmodell vorteilshaft zu sein. Jedoch sind noch viele Fragen offen, was die inhaltliche Gestaltung des Vertrages angeht. Auch bei dem Kommissionsmodell werden die islamischen Religionsgemeinschaften mittelbar vertreten, nämlich durch die Kommission.
IslamiQ: Die Landesregierung möchte mit einem weiteren Übergangsmodell weitermachen. Sie sagt, es gebe keine Religionsgemeinschaft in NRW? Wie sehen Sie das?
Pürlü: Die Behauptung von mancher staatlichen Seite, dass es keine islamischen Religionsgemeinschaften gibt, ist nicht neu und steht im Widerspruch zum Selbstverständnis der islamischen Religionsgemeinschaften. Dieser Meinungsunterschied kann tatsächlich nur durch wissenschaftliche Gutachten zur Statusfrage geklärt werden. Daher hatten wir in NRW im Jahre 2011 mit dem Schulministerium vereinbart, dass innerhalb der Übergangslösung die Statusfrage geklärt wird. Die Staatskanzlei hat daraufhin eine Kommission für Statusfragen einberufen und wissenschaftliche Gutachten zur Feststellung des Statutes der nach ihrem Selbstverständnis islamischen Religionsgemeinschaften in Auftrag gegeben.
Die rechtlichen Gutachten sind vor mehreren Jahren bereits abgeschlossen. Es wäre ein gutes Zeichen gewesen, wenn das Ergänzungsgutachten, auf die man seit einigen Jahren wartet, beendet und die Feststellung des Statutes geklärt würde, damit der Religionsunterricht an die eigentlichen verfassungsrechtlichen Kooperationspartner, nämlich an die islamischen Religionsgemeinschaften übergeben werden kann.
Tatsache ist auch, das andere Länder bereits diese Statusfrage für sich geklärt haben und bereits mit islamischen Religionsgemeinschaften kooperieren. Es ist unschlüssig, wenn eine islamische Organisation in einem Bundesland als Religionsgemeinschaft gutachterlich bestätigt wird und in einem anderen ihr unterstellt wird, sie sei keine Religionsgemeinschaft.
IslamiQ: Die Landesregierung sagt, dass ihr Übergangsmodell den verfassungsrechtlichen Anforderungen näherkommt, als das bisherige Übergangsmodell. Vor allem deshalb, weil in der vorgeschlagenen Kommission nun nicht mehr staatlich ernannte Personen sitzen würden, wie es im jetzigen Beirat der Fall ist. Das hatten Sie ja bis jetzt immer kritisiert. Kommt man so Ihren Vorstellungen nicht näher?
Pürlü: Nach unseren Vorstellungen war das Beiratsmodell als eine Übergangslösung vorgesehen. Daher ist für uns die Klärung der Statusfrage viel wichtiger als Schaffung einer neuen Überganslösung, die wieder mehrere Jahre andauern soll. Die Anerkennung der islamischen Organisationen als Religionsgemeinschaften ist auch wichtig für die gesellschaftliche Integration des Islam. Unseren Einschätzungen nach könnte der Prozess des Statutes innerhalb eines Jahres beendet werden. Dem könnte man durch die Verlängerung des bereits bestehenden IRU-Gesetzes und durch die Einbindung von neuen konfessionsgleichen weiteren Partnern entgegenkommen.
IslamiQ: In der Erklärung zum Gesetzesentwurf steht, dass man die gesamte Vielfalt der Muslime in NRW abbilden möchte. War das bis jetzt nicht der Fall?
Pürlü: Der konfessionelle islamische Religionsunterricht hat die Aufgabe muslimische Schülerinnen und Schüler zu unterrichten und sie an ihre Konfession heranzuführen. Dabei ist der Blick auf die Vielfalt in der eigenen Religion und andere Religionen auch Bestandteil eines solchen Unterrichts. Wenn der Gesetzesentwurf mit Vielfalt jedoch intendiert, Inhalte unterschiedlichen muslimischen Bekenntnissen gleichermaßen in einem Religionsunterricht umfassen zu müssen, so ist dies nicht die Aufgabe eines konfessionellen Religionsunterrichts.
In so einem Fall müsste ein Islamkundeunterricht angeboten werden. Da es sich bei dem bereits bestehenden Unterricht um einen islamischen Religionsunterricht handelt, wirft der neue Gesetzesentwurf zumindest die Frage auf, ob der islamische Religionsunterricht nunmehr einen religionskundlichen Charakter bekommen soll. Bei dem jetzigen islamischen Religionsunterricht sind bereits unterschiedliche islamische Religionsgemeinschaften eingebunden. Diese Vielfalt kann um weitere islamische Religionsgemeinschaften erweitert werden, die ein gewisse Größe in NRW haben und das gleiche Bekenntnis teilen.
Das Interview führte Muhammed Suiçmez.