Baden-Württemberg

Stiftungsmodell für Islamunterricht ohne rechtliche Grundlage

Seit Jahren ist der Islamunterricht in Baden-Württemberg ein Provisorium. Das soll sich mit dem Stiftungsmodell ändern. Die Neuaufstellung stockt.

04
07
2019
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Umfrage, Islamunterricht, Islamischer Religionsunterricht
Islamischer Religionsunterricht © Facebook, bearbeitet by iQ.

Unstimmigkeiten in der grün-schwarzen Regierung gefährden die Neuaufstellung des Islamunterrichts zum kommenden Schuljahr. Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) will die Kabinettsvorlage für die Neuorganisation in der bisherigen Form nicht mitzeichnen. CDU-Landtagsfraktionschef Wolfgang Reinhart verwies in einem Schreiben an Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) vom 2. Juli darauf, dass die Zeit dränge, da das derzeitige Modellprojekt zum Ende dieses Schuljahres auslaufe. Derzeit nehmen im Südwesten mehr als 6000 Schüler am islamischen Religionsunterricht teil.

Der Islamunterricht wird seit 2005 als Modellprojekts erteilt. Im Januar dieses Jahres hatte Kretschmann erklärt, dass das Provisorium ein Ende haben soll und eine Stiftung unter dem Dach des Landes gegründet wird, um den Unterricht zum Schuljahr 2019/20 auf solidere Füße zu stellen. Jedoch hatten nur zwei der vier islamischen Religionsgemeinschaften erklären, sich an dieser Stiftung beteiligen zu wollen.

DITIB und IGBW gegen Stiftungsmodell

Während die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (DITIB) und die Islamische Glaubensgemeinschaft Baden-Württemberg (IGBW) eine Teilnahme abgelehnt haben, haben der Landesverband der Islamischen Kulturzentren Baden-Württemberg (LVIKZ) und die Islamische Gemeinschaft der Bosniaken in Deutschland  (IGBD) erklärt, bei der Stiftung mitmachen zu wollen.

DITIB und IGBW halten dem Land vor, eine staatliche Einrichtung zu schaffen, um Religionsunterricht zu erteilen. Das sei verfassungswidrig. „Dieses Modell hebelt die Neutralitätspflicht des Staates aus und greift massiv in die Religionsfreiheit und in das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften ein.“

„Es gibt keine andere Möglichkeit“

Der baden-württembergische Landesvorsitzende der LVIKZ, Yavuz Kazanç  erklärte im Februar gegenüber IslamiQ, dass er wisse, „dass das Stiftungsmodell nicht unbedingt verfassungskonform sei“, weil der Staat in das Selbstbestimmungsrecht der islamischen Religionsgemeinschaft eingreift. Doch gebe es „zurzeit keine andere Möglichkeit (…), dass der Religionsunterricht weitergeführt wird“, so Kazanç.

Auch der Landesvorsitzende der IGBD zeigt sich optimistisch. „Wir können damit leben“, erklärt Bilal Hodzic, Imam der Islamischen Gemeinschaft der Bosniaken in Deutschland (IGBD) auf Anfrage von IslamiQ. Das Stiftungsmodell sei im Sinne der Religionsgemeinschaften keine Ideallösung. Aufgrund der Tatsache, dass keiner der Religionsgemeinschaften rechtlich anerkannt sei und der Staat den islamischen Religionsunterricht nicht ohne die Religionsgemeinschaften anbieten kann, bleibe als einzige Lösung die Kooperation. „Deshalb finden wir nicht, dass ein massiver Angriff in die Religionsfreiheit vorhanden ist“, so Hodzic weiter.

Theologisches Zentrum einbinden

In der Koalition ist die Einbindung des Zentrums für Islamische Theologie an der Uni Tübingen strittig. Dort werden Religionslehrer für Gymnasien ausgebildet. Für alle anderen Schulen sind die Pädagogischen Hochschulen zuständig. Das Wissenschaftsministerium will, dass das Zentrum in Tübingen allenfalls nach und nach unter das Dach der Stiftung kommt, um dessen Status als Leuchtturmprojekt nicht zu gefährden. Eine Ministeriumssprecherin teilte mit: „Wir brauchen eine Regelung, die die Religionslehrerausbildung nach dem neuen Stiftungsmodell ermöglicht und die Ausbildung im Gymnasialbereich mittelfristig in die Stiftungslösung integriert.“

Wirtschaftsministerium blockiert Stiftungsmodell

Dass das Wissenschaftsministerium die Neuaufstellung des Islamunterrichts blockiert, sorgt bei CDU-Politikern für erheblichen Unmut. Hier müsse Kretschmann eingreifen, hieß es. Eine Sprecherin von Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) wandte sich ausdrücklich dagegen, die Lehrerausbildung in Tübingen bei der Stiftung außen vor zu lassen. „Eine Herauslösung aus dem Zuständigkeitsbereich der Stiftung ist rechtlich gesehen nicht darstellbar, da religionsverfassungsrechtlich der Religionsunterricht und die Ausbildung der Lehrkräfte als Einheit zu betrachten sind.“ Zudem habe das Wissenschaftsministerium erst im März 2019 Bedenken formuliert, obwohl es schon im Dezember 2018 über den Vertrag und die Satzung der Stiftung informiert worden sei.

In Deutschland wird Religionsunterricht eigentlich von den Religionsgemeinschaften und nicht vom Staat erteilt. Damit der islamische Religionsunterricht zum Regelunterricht werden kann, braucht der Staat einen verbindlichen Ansprechpartner, der als Träger des Unterrichts unter staatlicher Aufsicht fungiert. Die Regierung will eine Stiftung des öffentlichen Rechts als Schulrat einrichten, weil sie in den islamischen Religionsgemeinschaften keinen einheitlichen Ansprechpartner sieht. (dpa, iQ)