Gemeinsamkeiten statt Unterschiede betonen: Das ist das Ziel des vor einem Jahr eröffneten Kindergartens „Abrahams Kinder“ in Gifhorn. Nun steht schon eine Erweiterung des christlich-muslimischen Projekts an.
Die nach Angaben der Initiatoren bundesweit erste Zwei-Religionen-Kita in Gifhorn stockt ihre Plätze auf. Zum neuen Kindergartenjahr im August wird die Zahl von 15 auf 20 erhöht. „Die Nachfrage ist noch größer, wir hätten auch eine zweite Gruppe aufmachen können, wollen aber langsam wachsen“, sagte der katholische Pastoralreferent Martin Wrasmann.
Hinter dem Projekt „Abrahams Kinder“ stehen die evangelische Dachstiftung Diakonie, die katholische St. Altfrid-Gemeinde sowie die islamische DITIB-Moschee. Sie wollen die Gemeinsamkeiten der Religionen herausstellen.
Die katholische Leiterin der Kita, Linda Minkus, bewertet das erste Jahr durchweg positiv. Die Kinder verknüpften teilweise religiöse Feste, Gottesdienste werden mit einer Sure aus dem Koran begonnen. „Hervorzuheben ist das Engagement der Eltern“, sagte Minkus. Gifhorns Bürgermeister Matthias Nerlich (CDU) bezeichnete die Einrichtung als „absoluten Erfolg“. Seit der Eröffnung seien viele Bedenken und viele Vorurteile abgebaut worden.
Im Erzieherinnen-Team sind zwei Musliminnen und zwei Christinnen. Die betreuten Zwei- bis Sechsjährigen sind zu jeweils etwa einem Drittel Christen, Muslime und Konfessionslose. Die Kita-Küche besitzt ein Halal-Zertifikat, das heißt, das Essen entsteht entsprechend der Regeln des Islam. „Es wird frisch gekocht, und wir sind fleischreduziert“, sagte Pastoralreferent Wrasmann.
Voraussetzung für den aus seiner Sicht gelungenen Start war nach Überzeugung des Theologen die langjährige christlich-muslimische Zusammenarbeit in Gifhorn – etwa in der Flüchtlingsarbeit oder bei Ostermärschen. „Dadurch war ein Vertrauensverhältnis da. Wir begegnen uns auf Augenhöhe.“ Im Kuratorium der Kita haben unter anderem die Stadt Gifhorn und eine kurdische Gemeinde einen Sitz.
Das Projekt sei vorbildlich, sagte die Geschäftsführerin des Ditib Landesverbandes, Emine Oğuz, die auch Kuratoriumsmitglied ist. „Die Kita fördert den Dialog und den Zusammenhalt in der Gesellschaft.“ DITIB steht wegen seiner Nähe zum türkischen Staat in der Kritik. Zuletzt hatte es in mehreren Bundesländern Droh-E-Mails und Angriffe gegen Moscheen gegeben.
Zum Start der am 26. Juli 2018 eröffneten Kita war versucht worden, mit anonymen Flugblättern Stimmung gegen das Projekt zu machen. Eltern wurden gewarnt, ihre Kinder in die neue Kita zu schicken. Niedersachsens Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) reagierte energisch: „Es kann nicht sein, dass nunmehr auch schon Kinder instrumentalisiert werden, um perfides und widerliches Gedankengut in die Welt zu tragen“, sagte Tonne im vergangenen August. (dpa, iQ)