Beim Presserat sind vier Beschwerden über die „Bild“ eingegangen. Medienexperten kritisieren die hetzerische und falsche Berichterstattung über den Verzicht von Schweinefleisch in zwei Kitas.
Beim Deutschen Presserat sind vier Beschwerden über die Berichterstattung der „Bild“ -Zeitung über ein vermeintliches Schweinefleisch-Verbot in zwei Leipziger Kitas eingegangen. Das berichtete der Deutschlandfunk am Freitagabend.
Laut Bericht beklagen die Beschwerdeführer Sorgfaltsmängel in der Berichterstattung der „Bild“ und eine unangemessene, tendenziöse und hetzerische Darstellung. Der Presserat prüft nun die Beschwerden, kündigte er an. Anschließend entscheide sich, ob sie dem Beschwerdeausschuss vorgelegt würden.
„Bild“ hatte am Dienstag über zwei Leipziger Kitas berichtet, die aus Rücksicht auf muslimische Kinder Schweinefleisch auf dem Speiseplan gestrichen hätten. Am Mittwoch titelte das Boulevardblatt: „Keine Gummibärchen, kein Schnitzel, kein Osterfest – Kniefall vor den Falschen“.
Der medienkritische „Bildblog“ recherchierte nach und stellte fest: Schweinefleisch und gelatinehaltige Gummibärchen sollten zwar auf dem Speiseplan der Kita nicht mehr angeboten werden. Kinder durften sie aber weiterhin mitbringen und essen.
Der Kommunikations- und Politikwissenschaftler Kai Hafez wirft der „Bild“-Zeitung einen Rechtsruck vor. Nachdem die Boulevard-Zeitung im Jahr 2015 zunächst noch gemeinsam mit anderen Medien eine Atmosphäre der Willkommenskultur transportiert habe, sei sie „umgeschwenkt ins rechtskonservative und rechtspopulistische Lager“, sagte der Professor der Uni Erfurt am Freitag dem Deutschlandfunk. Man müsse von einem „stark intendierten Rechtsruck in der Chefredaktion“ sprechen.
Der frühere Leiter der „Bild am Sonntag“, Michael Spreng, sagte dem Sender, man erlebe den „Existenzkampf einer Zeitung, ein letztes Geschäft zu machen“. Sein ehemaliger Arbeitgeber sei zur „Vorfeldorganisation der AfD“ geworden, sagte er.
Den Beobachtungen einer Umorientierung nach rechts stimmte auch Moritz Tschermak vom „Bildblog“ zu. Er sagte im Deutschlandfunk, er würde den Schwenk konkret an Julian Reichelt festmachen, der 2017 erstmals Vorsitzender der Chefredaktionen geworden sei. Seitdem sei die Frequenz der antimuslimischen oder gegen Flüchtlinge gerichteten Artikel, die gerne von der AfD und rechten Hetzseiten aufgegriffen würden, gestiegen.
Islamfeindlichkeit indes wollen Hafez und Spreng der Zeitung nicht direkt unterstellen. Man könne zumindest nicht sagen, „Bild“ habe über Jahrzehnte durchgehend islamfeindlich geschrieben, betonte Hafez. Andere „seriöse“ Medien hätten das viel stärker getan. Auch Spreng glaubt, „Bild“ verfolge keine antimuslimische Agenda, sondern habe es als „Marktlücke“ erkannt, „den Wählern der AfD aus dem Herzen zu sprechen“.
Vertreter der Zeitung wollten sich gegenüber dem Deutschlandfunk aus Zeitgründen nicht äußern. Politik-Chef Julian Röpcke hatte am Donnerstag Vorwürfe des Rassismus zurückgewiesen. Die Zeitung argumentiere weder im Bericht noch in den beiden Kommentaren rassistisch.
Zwei Kindertagesstätten hatten sich nach eigenen Angaben mit Zustimmung der Mehrheit der Eltern dazu entschlossen, keine Schweinefleisch-Produkte mehr anzubieten. Nach den „Bild“-Veröffentlichungen wurden die Einrichtungen vor allem von rechten Aktivisten massiv angefeindet. Später entschied er sich dazu, die Entscheidung angesichts des öffentlichen Drucks vorerst auszusetzen.
Moritz Tschermak, der die Geschichte nachrecherchiert hat, sagte, es sei nie ein „Verbot“ von Schweinefleisch im Gespräch gewesen. Jedes Kind hätte weiterhin das Essen mitbringen können, das es wollte. Geplant sei lediglich gewesen, keine Schweinefleisch-Produkte bei den Mahlzeiten mehr auf den Tisch zu stellen. In seinem Beitrag fürs „Bildblog“ urteilte er über den zweiten Kommentar des stellvertretenden Bild-Chefredakteurs Timo Lokoschat: „Schweinische Lüge“.
Inzwischen hat die Splitterpartei ADPM des sächsischen Landtagsabgeordneten und früheren AfD-Politikers Andre Poggenburg zu einem Protest aufgerufen. Unter dem Motto „Keine Indoktrination und Islamisierung an Kitas und Schulen“ wollen sich die Teilnehmer am Freitagnachmittag vor den beiden Kitas versammeln. (KNA/iQ)