Der Fotograf Ahmed Krausen hat Europa bereist und die Vielfalt der Moschee und Moscheearchitektur in seinen Bildern eingefangen. Im IslamiQ-Interview sprechen wir mit ihm über den architektonischen Stil der Moscheelandschaft in Europa.
IslamiQ: Gibt es eine architektonisch „typische“ Moschee?
Ahmed Krausen: Nein, die gibt es nicht mehr, genauso wenig wie eine typische Kirche. Meiner Meinung nach ist es ein Problem, dass viele Muslime immer noch meinen, eine Moschee müsse „typisch türkisch“ oder „typisch marokkanisch“ sein, ansonsten gehen sie da nicht rein. Wir sollten endlich begreifen, dass es keine „typischen“ Moscheen mehr gibt. Fahren Sie z. B. mal nach China. Die Moscheen dort sehen aus wie buddhistische Tempel.
IslamiQ: Wie war es denn früher?
Krausen: In der Anfangszeit, kurz nachdem ich Muslim wurde, bin ich in Aachen, später dann in Kopenhagen in die Moschee gegangen. Inzwischen gehe ich kaum noch in die Moschee, weil es – schon rein von der Sprache her – zu viele „typische“ Moscheen gibt. Ich kann weder Arabisch noch Türkisch. In die dänische Moschee gehe ich, weil dort hauptsächlich Dänisch gesprochen wird und viele junge Muslime dort sind. Leider ist das ein weiter Weg für mich.
Wir fangen eigentlich von vorne an. Wir versuchen, die Essenz des Korans und der Sunna im Lichte unserer Gesellschaft zu verstehen, nicht so, wie man es z. B. in Konya oder Marrakesch für richtig hält. Es gibt sowohl rein optisch als auch theologisch einen türkisch bzw. marokkanisch geprägten Islam. Zwischen den Rechtsschulen gibt es in vielen Punkten Unterschiede. Aber wenn es diese Prägungen gibt, dann gibt es auch einen deutsch, dänisch oder europäisch geprägten Islam. Wie der aussehen könnte, wage ich allerdings nicht zu sagen, weil ich kein Theologe bin.
Zur Person:Eckhardt Ahmed Krausen (geb. 1965 in Aachen) ist Fotograf. Zwischen 1978 und 1985 unternahm er ausgedehnte Reisen nach Afrika, Asien und in den Pazifikraum. Dort lernte er den Islam kennen und konvertierte 1992. Für sein Projekt „Mosques in Europe – European Mosques“ fotografierte er zahlreiche Moscheen in ganz Europa. Krausen lebt mit seiner Frau und vier Kindern in Kopenhagen/Dänemark.
Während meiner Reisen habe ich auch viele islamische Länder kennengelernt. Ich habe gesehen, wie verschieden die Muslime eigentlich sind, und viel von ihnen gelernt. Andererseits würde ich vieles davon im Traum nicht nachmachen. Ich möchte hier in Europa eben keinen indischen, saudischen, türkischen oder marokkanischen Islam, weil ich hier lebe, und das suche ich hier. Meine Frau ist Somalierin. Wie haben uns in Italien kennengelernt und anfangs Italienisch miteinander gesprochen. Unsere Kinder sind in Dänemark geboren. Sie wachsen in Dänemark auf, gehen dort zu Schule, sprechen akzentfrei Dänisch. Das sind keine Somalier oder Deutsche, das sind dänische Muslime.
IslamiQ: Inwiefern glauben Sie, übt die Architektur einen Einfluss auf die Kultur und Religiosität aus?
Krausen: In der Regel ist es eher umgekehrt, d. h. die Architektur wird von den Menschen beeinflusst. Die Immigranten, die in den 1960er Jahren nach Deutschland, Frankreich oder England kamen, wollten das, woran sie von zu Hause gewöhnt waren. Das ist verständlich. Auch die Umgebung prägt die Architektur, wie z. B. in Tetouan, wo das orthodoxe Christentum sehr einflussreich gewesen ist.
Grundsätzlich hat Jeder andere Vorstellungen davon, wie eine Moschee sein soll. Nehmen Sie z. B. die bunte Moschee in Skopje. Einige Muslime würden da sofort wieder rausgehen, weil sie die Wandbemalungen vom Gebet ablenken. Sie bevorzugen eine weiße Wand und am besten schwedische Minimalarchitektur. Im Grunde haben beide Recht, derjenige, die die Moscheewände mit Liebe bemalt hat, und der, der eine weiße Wand haben möchte. Ich habe deshalb immer gesagt, eine Moschee ist eine Wand, die Richtung Mekka aufgestellt ist. Mehr ist es nicht. Jeder kann eine Moschee gestalten, wie er möchte.
IslamiQ: Kann denn von einer europäisch-islamischen Architektur gesprochen werden?
Krausen: Das hat angefangen. Die Penzberger Moschee ist meiner Meinung nach ein gelungener Versuch. Auch in Saarbrücken gibt es ein sehr schönes Projekt. Diese Moschee ist rund, mit einem Minarett, das sich nach oben windet. Moscheen müssen nicht immer eckig sein, sie können durchaus auch rund oder oval sein. Ich habe schon die Hoffnung, dass die jungen Leute hier in Europa daran arbeiten. Und in 50 Jahren sieht es ganz anders aus, glaube ich.
IslamiQ: Aber berühmte Architekten von europäischen Moscheen gibt es noch nicht, oder?
Krausen: Die gibt es eigentlich schon. Zum Beispiel der italienische Architekt Paolo Portoghesi, der die Moscheen von Rom und Straßburg mitgeplant hat. Da war auch ein muslimischer Architekt beteiligt.
IslamiQ: Welche Moschee hat Sie bis jetzt besonders beeindruckt, und warum?
Krausen: Am meisten beeindruckt haben mich bis jetzt die Moschee in Penzberg und die neue Moschee in Cambridge. Das ist eine ökologische Moschee. Man nutzt z. B. Erdwärme zum Heizen. Aber nicht nur die Architekten, auch die Leute in den Gemeinden müssen dahinterstehen, sie müssen offen sein für den Dialog.
IslamiQ: Wie kann die Architektur dazu beitragen, dass die Religionen miteinander in Kontakt kommen?
Krausen: Nehmen Sie z. B. die Moschee in Stockholm. Das ist meine Perle in Europa. Sie steht direkt neben der Katharinenkirche, und zwischen den Gemeinden findet ein reger Austausch statt. Auch die neue Moschee hier in Köln ist ein guter Versuch, sehr groß, viel Glas, da gehen die Leute rein. Dann haben Sie wiederum so etwas wie in Oslo, wo man eine Moschee im iranischen Stil in eine typisch norwegische Häuserreihe gebaut hat.
Aber grundsätzlich kommt es auf die Leute in den Gemeinden an, nicht nur auf die Architektur allein. Das muss Hand in Hand gehen.