Die Niedersächsische Landesregierung bringt einen Gesetzesentwurf ein, der das Tragen religiöser Symbole für Richter und Staatsanwälte verbietet. Islamische Religionsgemeinschaften lehnen das Vorhaben ab.
Die Niedersächsische Landesregierung kündigte auf Vorschlag von Justizministerin Barbara Havliza an einen Gesetzentwurf zur „Anpassung des Rechts der richterlichen Mitbestimmung und zur Stärkung der Neutralität der Justiz“ im Landtag einzubringen. Der Gesetzesentwurf sieht ein Verbot religiöser, politischer und weltanschaulicher Symbole für Richter und Staatsanwälte vor.
„Nirgendwo ist die Neutralität so wichtig wie in einem Gerichtsverfahren. Die Justiz entscheidet über existenzielle Sachverhalte, sie ist dabei ausschließlich an Recht und Gesetz gebunden. Diese innere Neutralität muss auch nach außen zum Ausdruck kommen. Dies ist Anlass für die Justiz, auf die erkennbare Neutralität von Richterinnen und Richtern oder Staatsanwältinnen und Staatsanwälten zu achten“, begründet Justizministerin Havliza den Vorstoß.
Islamische Religionsgemeinschaften sehen den Gesetzesentwurf der Landesregierung kritisch. „Das Gesetz diskriminiert Personen, die aus religiösen Gründen ein bestimmtes Kleidungsstück wie die Kippa oder das Kopftuch tragen. Es wird ihnen unterstellt, in ihrer Amtsübung nicht neutral, unparteiisch oder unabhängig agieren zu können“, kritisiert der Vorsitzende der Schura-Niedersachsen, Recep Bilgen gegenüber IslamiQ. Außerdem liege hier eine Verletzung mehrerer Grundrechte wie die Religionsfreiheit oder die Berufsfreiheit vor. Das Verbot von religiösen Kleidungsstücken stelle für Musliminnen ein faktisches Berufsverbot als Richter dar, meint Bilgen weiter.
Der DITIB-Landesverband in Niedersachsen und Bremen sieht in dem Gesetzesentwurf eine „Symbolpolitik“ und eine „Scheindebatte“ der Landesregierung, die in Zeiten vermehrter Übergriffe auf Frauen mit Kopftuch unangebracht sei. „Fraglich ist, dass derzeit Debatten seitens der CDU in Niedersachsen geführt werden, für die es keinen Anlass gibt, erklärt die Geschäftsführerin Emine Oğuz auf Anfrage von IslamiQ. Probleme aus der Praxis seien derzeit nicht bekannt. Dies führe bei den Muslimen nur zu weiterem Vertrauensverlust in die Politik und weiteren Ausgrenzung von Muslimen in der Gesellschaft. „Die Ängste und Nöte werden nicht ernst genommen, sondern Themen der AfD werden für sich beansprucht“, erklärt Oğuz kritisch.
Auch die Vorsitzende der Frauenorganisation der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG) Aynur Handan Yazıcı äußerst sich kritisch zu dem Vorhaben der Landesregierung. „Das ist ein faktisches Kopftuchverbot mit verheerenden Folgen für die Betroffenen und unsere Gesamtgesellschaft. Damit gießt die niedersächsische Landesregierung Wasser auf die Mühlen der AfD“, so Yazıcı besorgt.
„Im Ergebnis stößt die Landesregierung viele junge Mädchen und Frauen, die aus religiöser Überzeugung ein Kopftuch tragen und Rechtswissenschaften studieren oder bereits ein Jurastudium absolviert haben, vor den Kopf. Ihnen wird damit nicht nur gesagt, dass sie nicht dazugehören, sondern auch, dass sie nicht befähigt seien, neutrale Urteile zu fällen. Das ist eine ungeheuerliche und dreiste Unterstellung“, erklärt Yazıcı weiter.