Nach Flandern verbietet nun auch die belgische Region Wallonien das Schächten. Der Europäische Gerichtshof soll nun entscheiden, ob das rechtens ist.
Statt fast 6.000 Tieren wie im Vorjahr wurden im Zuge des Opferfestes nur noch rund 2.600 Tiere geschächtet. Denn seit Januar ist das Schächten in Flandern verboten. Trotzdem ist die Nachfrage nach wie vor groß; fehlendes Fleisch wurde aus Nachbarländern importiert.
2020 dürfte die Beschaffung noch schwieriger werden – denn ab 1. September wird Schlachten ohne Betäubung nun auch in Wallonien verboten. Damit ist es künftig nur noch in der Region Brüssel-Hauptstadt erlaubt – wo nur knapp jeder zehnte (1,2 Millionen) von rund 11,4 Millionen Belgiern lebt.
Das Schächten ist eine im Islam und Judentum vorgeschriebene rituelle Schlachtmethode, die den Verzehr von unblutigem Fleisch ermöglichen soll. Dabei werden den Tieren die Halsschlagadern sowie die Luft- und Speiseröhre mit einem Schnitt durchtrennt. Auf eine Betäubung wird verzichtet, so dass das Tier wegen des noch aktiven Kreislaufs vollständig ausbluten kann. Der Genuss von Blut ist Juden und Muslimen verboten.
Seit Jahren spaltet die rituelle Schlachtung Tierschützer und jene, die der Religionsfreiheit höheren Wert zuschreiben. Tierschutzorganisationen begrüßen das nun greifende Verbot in Belgien. Über Jahrzehnte setzte sich etwa der Präsident der Organisation GAIA, Michel Vandenbosch, für ein Schächtverbot ein. „In einer modernen säkularen Gesellschaft kann man nicht die Religion entscheiden lassen“, sagte Vandenbosch jüngst dem Onlinemagazin „Politico“.
Juden und Muslime in Belgien fühlen sich durch das Verbot in ihrer Religionsfreiheit eingeschränkt. Das Schächtverbot in der Wallonie sowie entsprechende neue Vorstöße etwa in den deutschen Bundesländern Niedersachsen und Sachsen werfe für die jüdische Gemeinschaft die Frage auf, ob sie in Europa noch willkommen sei und ob das Recht auf Religionsfreiheit noch garantiert werden könne, sagte der Präsident der Europäischen Rabbinerkonferenz, Pinchas Goldschmidt, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).
Religionsfreiheit sei ein Menschenrecht. „Diese Werte unter dem Vorwand des Tierschutzes und einem winzigen Prozentsatz von betroffenen Tieren weiter auszuhöhlen, die Perversität der industriellen Massentierhaltung und -verarbeitung aber weiter zu dulden, ist scheinheilig und torpediert die kulturelle und religiöse Vielfalt Europas“, so Goldschmidt. Auch die muslimische Gemeinschaft von Belgien äußerte bereits mehrfach „Unzufriedenheit“ über das Verbot. Das Tierwohl habe große Bedeutung im Islam, so der belgische Verband der Muslime EMB.
Der Koordinationsrat muslimischer Institutionen in Belgien (CIB) sieht in dem neuen Gesetz eine Verletzung der Religionsfreiheit. Er ging gerichtlich gegen das Verbot in Flandern vor. Nun fragte das belgische Verfassungsgericht beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) an: Ist das Schächtverbot mit der EU-Grundrechtecharta vereinbar, in der auch die Religionsfreiheit aufgeführt ist? Bis es Schlussfolgerungen oder gar ein Urteil gibt, dürfte es aber noch dauern.
In Deutschland war das Schächten lange weitgehend verboten. Nach dem Tierschutzgesetz dürfen warmblütige Tiere nicht ohne Betäubung getötet werden. Anfang 2002 erlaubte das Bundesverfassungsgericht rituelle Schlachtungen mit Blick auf die Religionsfreiheit unter Auflagen. So dürfen nur sachkundige Personen in zugelassenen und registrierten Schlachtbetrieben schächten. Das zuständige Veterinäramt muss dies überwachen. Auch in anderen europäischen Ländern ist das Schächten verboten, so in Polen, Dänemark, Norwegen, der Schweiz, Island und Liechtenstein. (KNA, iQ)