Seit Jahren versuchen Rechtsextreme in Dortmund Bereiche als „Nazi-Kiez“ für sich zu reklamieren. Entsprechende Parolen auf einer Hauswand sind nun in einer Aktion übermalt worden.
Bunte Farben statt Nazi-Schmierereien: Geschützt von der Polizei haben Graffitikünstler am Freitag Parolen von Rechtsextremen auf einer Wand im Dortmunder Stadtteil Dorstfeld übersprüht. Bürger, Polizei und Stadt wollen damit ein Zeichen setzen gegen den Versuch von Neonazis, Straßen in dem Stadtteil für sich zu reklamieren.
Das große Polizeiaufgebot vor Ort macht deutlich, dass die Aktion nicht ohne Risiko ist. „Wir nehmen ihnen eine klare Symbolik“, sagt Polizeisprecher Oliver Peiler zu Beginn. Seit Jahren bewohnen Rechtsextreme dort mehrere WGs, hier leben stadtbekannte Größen aus dem rechtsextremen Milieu und solche, die mit ihnen sympathisieren. Auf der Hauswand gegenüber ist seit Jahren zu lesen, was das hier sein soll: „Nazi-Kiez“, dazu großflächig gesprühte schwarz-weiß-rote Farbensymbolik – die Farben des Dritten Reichs.
Das soll nun endlich vorbei sein. In schwarze Schutzanzüge gehüllt und hinter Schutzmasken verborgen sind vier Graffitisprayer im Einsatz. Zunächst tragen sie schwarze Farbe auf, um die Schriftzüge zu überdecken. Darauf soll in den nächsten Stunden ein buntes Wandgemälde entstehen. Das geht nur mit Polizeischutz: Überall im Umkreis haben sich Polizisten in Gruppen postiert, Dutzende zeigen vor dem Haus Präsenz.
Die rechtsextremen Anwohner des Häuserensembles gegenüber haben als Reaktion vor den Fenstern schwarz-weiß-rote Fahnen gehisst. Glatzköpfige stadtbekannte Neonazis lehnen sich aus dem Fenster, einige filmen das Geschehen und die Beteiligten. Auch das soll abschrecken.
Die Künstler wollen unerkannt bleiben. Wer sich stark macht gegen die Neonazis und ihre Ideologie, muss mit Bedrohungen rechnen. Das weiß auch Bezirksbürgermeister Ralf Stoltze aus eigener Erfahrung. Er gehört zum Verein zur Förderung von Respekt, Toleranz und Verständigung in Dorstfeld, der die Aktion mitorganisiert hat. Der Stadtteil gilt als Hochburg und Rückzugsort für die Neonaziszene – und gerade dieses Bild dürfe die mehrheitlich anders denkende Gesellschaft nicht stehen lassen. „Tatsächlich spielen die Rechtsextremen in Dorstfeld keine Rolle“, betont Stoltze. Doch sie sind da und versuchen seit Jahren ihr Revier zu markieren und so eine Drohkulisse für Andersdenkende zu schaffen.
Es müsse klar gestellt werden, dass die „absurden Besitzansprüche auf bestimmte Bereiche in Dortmund-Dorstfeld nicht existent sind“, sagt auch Dortmunds Polizeipräsident Gregor Lange. Einfach zu verbieten seien die Parolen jedoch nicht, erklärt der Ordnungsdezernent der Stadt Norbert Dahmen: In einem anderen Kontext hatte ein Gericht die Formel „Nazi-Kiez“ als von der freien Meinungsäußerung gedeckt eingestuft.
Die Polizei verspricht nun alles dafür zu tun, dass die bunte Wandmalerei vor den Fenstern der Nazis Bestand hat. „Wir werden auch in Zukunft dafür sorgen, dass der alte Zustand nicht wiederhergestellt wird“, erklärt Polizeichef Lange.
Er finde es „ungeheuer eindrucksvoll“, dass man sich wehre, noch dazu mit so intelligenten Mitteln, sagt der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul. Auch er ist nach Dortmund gekommen, um seine Unterstützung zu zeigen im Kampf gegen Neonazis. „Es ist ein riesiges Signal“, lobt er.
Das auf den ersten Blick etwas kindlich wirkende Motiv – der Schriftzug „our colors are beautiful“ vor naiver Wiesenlandschaft – ist durchaus bewusst gewählt: Es muss schnell gehen und auch schnell wieder herstellbar sein. Viel wichtiger noch: Jede rechte Parole auf hübschem Wiesengrund würde wohl lächerlich wirken. (dpa, iQ)